Argentinien weiht erste "Stolperschwelle" außerhalb Europas ein

Gedenkplakette in der Pestalozzi-Schule von Buenos Aires. Deutscher Botschafter würdigt "Ort des Humanismus". Zeitzeugin anwesend

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Die 90-jährige Margot Aberle Strauss (l.) bei der Legung der "Stolperschwelle"
Die 90-jährige Margot Aberle Strauss (l.) bei der Legung der "Stolperschwelle"

Buenos Aires. Es ist ein Novum: Erstmals gibt es außerhalb Europas eine "Stolperschwelle" in Gedenken an Menschen, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Am Montagabend wurde die Gedenkplakette in den Boden des Eingangsbereichs der Pestalozzi-Schule von Buenos Aires gesetzt.

Anders als in Europa, wo die Gedenktafeln zumeist dort platziert werden, wo die Verfolgten ihren letzten freigewählten Wohnort hatten, wird mit der Schule im Stadtteil Belgrano nun ein Ort des Schutzes geehrt. "Es erinnert daran, dass es auch in den dunkelsten Zeiten Orte des Humanismus gibt", hob der deutsche Botschafter Jürgen Christian Mertens hervor. Das Gedenken an den Holocaust sei nach 1945 zur deutschen Identität geworden. Deutschland trage heute in besonderer Weise Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiere, unterstrich der Diplomat zudem.

Die Pestalozzi-Schule wurde 1934 als Reaktion auf die NS-Gleichschaltung der deutschen Schulen am Río de la Plata gegründet. Kinder von rassisch oder politisch Verfolgten erhielten hier eine an humanistischen Werten orientierte Bildung.

Emotionaler Höhepunkt der Veranstaltung war der Auftritt von Margot Aberle Strauss. Die heute 90-Jährige flüchtete 1938 mit ihrer jüdischen Familie nach Argentinien. Als Zehnjährige kam sie in die 5. Klasse der Pestalozzi-Schule. Von ihr stammt das Zitat: "Die Schule hat mir ein Gefühl der Geborgenheit gegeben und das Trauma der Emigration erleichtert." Diese Worte stehen nun auf der Bronzeplakette, welche im Beisein der ehemaligen Schülerin in den Boden gelegt wurde.

Aus Deutschland angereist war Anna Warda, ihres Zeichens Koordinatorin des Projekts "Stolpersteine", das 1992 von dem Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen wurde. Warda erinnerte daran, dass die Nazis ihre Opfer auf Nummern reduzieren wollten. Von daher sei es die Grundidee von "Stolpersteine", an die Namen der Verfolgten zu erinnern. Warda äußerte sich zuversichtlich, dass die Stolperschwelle in Buenos Aires zur Reflexion anregen werde - auch angesichts der aktuellen Flüchtlingsthematik: "Mit der Stolperschwelle in der Pestalozzi-Schule machen wir deutlich: Die Flüchtlinge sind auch Opfer gewesen." Insgesamt fanden zwischen 1933 und 1945 rund 35.000 deutsche Juden Zuflucht in Argentinien.

"Stolpersteine" gilt heute als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Derzeit gibt es in Deutschland und 21 weiteren europäischen Ländern rund 61.000 Steine. Wie Warda gegenüber Amerika21 ausführte, sei "Stolpersteine" auch Vorbild für die Aktion "Baldosas por la memoria" in Argentinien gewesen. Diese erinnert mit Gedenktafeln an die Opfer der Militärdiktatur.

Das gängige Format "Stolperstein" ist quadratisch und weist eine Kantenlänge von 9,60 Zentimetern auf. Wird an einem Gebäude an eine Vielzahl von Personen erinnert, wird eine größere "Stolperschwelle" gesetzt - wie im Falle der Pestalozzi-Schule.

Ebenfalls in der Schule befindet sich derzeit die eigens für Argentinien gestaltete Ausstellung über das Projekt "Stolpersteine" sowie Flucht und Emigration nach Argentinien. Ehrenamtliche Mitarbeiter des Projekts "Stolpersteine" in Konstanz hatten die Präsentation mit spanischen Erläuterungen gestaltet, die noch bis zum 15. November in der Pestalozzi-Schule zu sehen ist. Danach soll sie auch anderen deutschen Schulen in Buenos Aires und Umgebung zur Verfügung gestellt werden