Wichtigste Hafenstadt Kolumbiens im unbefristeten Generalstreik

Buenaventura seit einer Woche bestreikt. Blockaden auf allen Verbindungsstraßen an mehr als 50 Orten. Hunderttausende Menschen beteiligen sich an Protesten

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Tausende Menschen demonstrieren in Buenaventura
Tausende Menschen demonstrieren in Buenaventura

Buenaventura/Cali. Die wichtigste Hafenstadt Kolumbiens am Pazifik, Buenaventura, befindet sich seit sieben Tagen im Generalstreik. An allen Tagen gab es Massendemonstrationen. Es handelt sich um die größte Mobilisierung in der Geschichte der Hafenmetropole mit hunderttausenden Teilnehmern. Alle Geschäfte sind geschlossen und die Zugangswege zum Hafen blockiert. Beim Einsatz der staatlichen Sicherheitskräfte wurden bereits sechs Menschen getötet. Verhandlungen zwischen Streikenden und Regierung blieben bislang ohne Ergebnis.

Unter dem Motto "Das Volk gibt nicht nach, verdammt!" demonstrierten am 21. Mai, dem Tag der Afrokolumbianer, hunderttausende Menschen friedlich. Der Gedenktag gilt in Kolumbien als Tag der Abschaffung der Sklaverei. Die Demonstranten der überwiegend schwarzen Bevölkerung zeigten sich erneut entschlossen, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sie verlangen von der Regierung eine Verbesserung der städtischen Wasser- und Gesundheitsversorgung, der Verkehrsinfrastruktur, der Bildungssituation und ein Ende der Gewalt. "Die Steuereinnahmen aus dem Hafenbetrieb müssten der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen," so eine Sprecherin des Protests gegenüber amerika21. Die meist weit unter der Armutsgrenze lebenden Protestierenden fordern Unterstützung, es mangelt an Lebensmitteln und Trinkwasser. Gewerkschaften und soziale Bewegungen im ganzen Land organisieren Solidaritätskomitees und humanitäre Hilfe. Indigene Organisationen entsenden ihre selbstbestimmten Schutzkräfte Guardia Indígena zur Unterstützung.

Der Bischof von Buenaventura, Héctor Espalza, reihte sich in den Streik ein sagte: "Die Kirche ist im Streik beim Volk, nicht weil sie eine Revolte will, sondern weil sie ebenfalls Lösungen fordert. Wir wollen Frieden mit sozialer Gerechtigkeit statt Neoliberalismus, der nur wenige reicher macht und die Bevölkerung schindet."

Die mittlerweile sieben Tage andauernde Blockade der Zugangswege zum Hafen verursacht Verluste in Millionenhöhe. Laut der Transportvereinigung kamen täglich 2.600 Schwerlasttransporte zum Stillstand. Die Gewerkschaft der Lastwagenfahrer (ACC) kündigte am Montag ihre volle Unterstützung des Streiks an und bestreikt ab sofort ebenfalls die Zufahrtstraßen nach Buenaventura.

Während der Streiktage sind mehrere Geschäfte und Geldautomaten geplündert worden. Auf einer Pressekonferenz am 21. Mai gab die Polizei bekannt, dass bisher zehn Polizisten verletzt und einer getötet worden seien. Gleichzeitig kündigte sie "härteste Maßnahmen gegen Plünderungen und Vandalismus" an. Laut Polizeiangaben gab es bisher 42 Festnahmen.

Keine Erwähnung fanden die Übergriffe von staatlichen Sicherheitskräften gegen die Zivilbevölkerung. Das polizeiliche Spezialeinheit zur Aufstandsbekämpfung (ESMAD) schießt mit scharfer Munition auf Demonstranten. Laut Berichten der Einwohner dringt sie in Privathäuser ein und feuert Gasgranaten hinein. Dabei sind bisher vier Kinder und zwei Erwachsene gestorben, hunderte Menschen verletzt und einige als verschwunden gemeldet worden.

Eine betroffene Anwohnerin sagte bezüglich der Repression gegenüber amerika21: "Sie haben uns alles genommen, wir haben nicht einmal was zu essen. Sie haben uns sogar die Angst genommen, also protestieren wir weiter."

Die staatliche Stelle zur Garantie der Menschenrechte ist unterdessen auf Druck sozialer Bewegungen in die Region gereist und kritisierte den Einsatz der Sicherheitskräfte. Neben der Polizei ist auch das Militär bewaffnet präsent und richtet Schusswaffen auf die Demonstranten. Trotz dieser Zwischenfälle twitterte Präsident Juan Manuel Santos am 20. Mai aus den USA, dass die Situation "unter Kontrolle" sei.

Verhandlungen zwischen Regierung und Streikkomitee führten bisher zu keinem Ergebnis und wurden ausgesetzt. Eine Regierungskommission war in der ersten Streikwoche vor Ort lediglich präsent, um Santos über die Situation zu informieren. Die Bevölkerung hofft indessen, dass die zugesagte Delegation der Regierung in Buenaventura eintrifft. Die Verhandlungssituation ist angespannt, weil die Regierung laut den Streikenden in den vergangenen Jahren ihre Versprechen gebrochen und die Region vollkommen vernachlässigt habe. Daher war es mehrfach zu Streiks und Protesten gekommen.

Laut einem Bericht des Centro Nacional de Memoria Histórica sind 160.000 der 400.000 Einwohner dieses Verwaltungsbezirks offiziell als Opfer des bewaffneten Konfliktes anerkannt. Allein zwischen 1999 und 2003 begingen Paramilitärs dort 26 Massaker. Die Region weist landesweit die höchsten Mordraten auf und zählt zu den ärmsten des Landes. In den vergangenen Jahren geriet Buenaventura durch sogenannte Hackhäuser in die Schlagzeilen, in denen Paramilitärs Menschen bei lebendigen Leib zerstückelt haben. Der Terror hat nach der Privatisierung des Hafens im Jahr 1993 weiter zugenommen, Menschen werden mit Gewalt aus den Stadtvierteln vertrieben, um seinen Ausbau voranzutreiben. Zahlreiche Organisationen sprechen von einer humanitären Katastrophe in Buenaventura.

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