Kolumbien: Erneut grausame Morde in Buenaventura

Zwei neue Leichen gefunden. Militarisierung hat Paramilitärs nicht vertrieben. Anwohner gründen "humanitäre Zone" in ihrem Viertel

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Soldat der kolumbianischen Marineninfanterie in einem Viertel von Buenaventura
Soldat der kolumbianischen Marineninfanterie in einem Viertel von Buenaventura

Buenaventura. Der 16-jährige Carlos Angarita ist am vergangenen Sonntag in der Hafenstadt Buenaventura zerstückelt worden. Die Behörden hatten außerdem am Freitag die Leiche des 22-jährigen

Josué Figueroa gefunden, dem die Kehle mit einer Machete durchgeschnitten worden war. Nachdem in Buenaventura die Existenz von "casas de pique" ("Hackhäusern"), in denen Menschen bei lebendigem Leib zerstückelt werden, im März für großen Wirbel gesorgt hatte, hörten die Morde in der pazifischen Stadt zunächst auf.

Nach 22 Tagen ohne Gewalttaten versetzt der Fund der beiden Leichen Buenaventura nun wieder in den Alarmzustand. Im Lauf dieses Jahres sind ein Dutzend zerstückelte Körper gefunden worden und allein in den vergangenen zwei Monaten gab es insgesamt 55 Morde. Im Jahr 2013 sind 187 Menschen ermordet worden und circa 13.000 mussten aus ihren Vierteln fliehen.

Wie aus einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) hervorgeht, sind dafür paramilitärische Gruppen verantwortlich, welche die vollständige Kontrolle über die Stadtgebiete übernommen haben. Dort hat die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos den Ausbau des Hafens geplant. Dieser ist von zentraler Bedeutung für die Pazifik-Allianz sowie für ein Dutzend bereits unterschriebener Freihandelsabkommen. Dabei handelt es sich um die gleichen Stadtteile, wo die Vertreibungen am massivsten stattfinden. Für das Bauprojekt sollen weitere circa 3.400 Familien von dort entfernt werden.

"Die Megaprojekte haben auch die Gewalt verstärkt", sagte der Erzbishof von Buenaventura, Héctor Espalza. "Die ärmsten Menschen werden gewaltsam gezwungen, das wenige, was sie haben, für einen lächerlichen Preis herzugeben", so Espalza weiter.

Die Polizei soll seit 2012 über 250 Mitglieder der paramilitärischen Gruppen verhaftet haben, 42 von ihnen wurden des Mordes bezichtigt. Trotzdem bleibt die Straflosigkeit die Norm, berichtet HRW weiter. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe die Staatsanwaltschaft mehr als 2.000 Ermittlungen zu Fällen von Verschwindenlassen und Vertreibungen in Buenaventura eröffnet, doch sei es zu keiner einzigen Verurteilung gekommen, so HRW.

Inzwischen haben über 500 Familien die Blocks um die Straße El Puente de los Nayeros im Viertel La Playita zur humanitären Zone erklärt. Sie wollen keine bewaffneten Akteure darin haben. "Wir sind es leid, so viel Gewalt, so viele Morde ertragen zu müssen", sagte eine der Einwohnerinnen gegenüber Contagio Radio. Mit ihrer Initiative beabsichtigen sie auch, die Vertreibungen im Viertel zu stoppen.

Die im März angeordnete Militarisierung der Hafenstadt habe die Paramilitärs bisher nicht vertrieben, klagt ein anderer Einwohner. "An einer Ecke stehen Polizei und Militär und an der anderen die Paramilitärs", sagt er. Es gab zwar Schießereien zwischen Sicherheitskräften und Paramilitärs, berichtet der Nachbar. Allerdings scheine es so, dass die Polizei selbst gespalten sei: Ein Teil beschütze eine paramilitärische Bande, während ein anderer Teil die gegnerische paramilitärische Gruppe unterstütze.

Der Fall von Buenaventura sei repräsentativ, weil dort mehr als woanders den Versprechungen eines "neuen Kolumbien" durch Handlungen des Schreckens widersprochen werde, von denen man dachte, sie gehörten der Vergangenheit an, heißt es in einer Sonderreportage der britischen  BBC.