Generalstreik im Departamento Chocó in Kolumbien

Einwohner fordern von Regierung Investitionen in Gesundheitswesen, Infrastruktur und Bildung sowie Schutz vor Paramilitärs. Seit Jahresbeginn 4.000 Menschen vertrieben

protest_choco.jpg

Protest Chocó 2017
Die Bevölkerung im Chocó fordert staatliche Präsenz

Quibdó. In Anbetracht des fehlenden politischen Willens, die sozialen und infrastrukturellen Probleme im Westen Kolumbiens anzugehen, hat das "Komitee für die Rettung und Würde des Chocó" in mehreren Bezirken zum unbefristeten Generalstreik mobilisiert. Seit dem vergangenen Mittwoch werden Bildungseinrichtungen und Geschäfte geschlossen und der öffentliche Verkehr auf ein Minimum heruntergefahren. Rund 70.000 Menschen gingen zum Streikauftakt in der Departamentshauptstadt Quibdó auf die Straße. Vertreter von Gemeinden und sozialen Organisationen, Studierende, Lehrkräfte, Händler und Fahrer fordern vom Staat dringend erforderliche Investitionen in Gesundheitswesen, Infrastruktur und Bildung. Am zweiten Streiktag kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der berüchtigten Aufstandsbekämpfungseinheit der Polizei (ESMAD), dabei wurde ein Streikender schwer verletzt.

In der Vergangenheit gab es mehrfach ähnliche Proteste in dieser Region am Pazifischen Ozean. Zuletzt hatten Delegierte des Komitees und der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos sich im August 2016 auf ein Abkommen einigen können. Die Regierung sagte unter anderem Investitionen für den Ausbau wichtiger Verbindungsstraßen in der Region zu, außerdem den Bau staatlicher Krankenhäuser und die Verbesserung des Gesundheitssystems sowie den Bau von 158 Schulen. Nach Angaben des Komitees wurden gerade einmal fünf Prozent dieser Vereinbarungen erfüllt.

“Die Regierung hat sich nicht an das Abkommen gehalten, sie zeigt keine Anstalten es zu erfüllen. Daher werden wir wieder auf die Straße gehen”, so Dilon Martínez, einer der Organisatoren und Mitglied des Komitees im Vorfeld der Proteste. Es soll solange gestreikt werden, bis es eine zufriedenstellende Antwort seitens der Regierung gibt.

Neben Quibdó wird auch in den Bezirken Istmina, Tadó und Medio San Juan gestreikt. In Riosucio demonstrieren Indigene und Afrokolumbianer bereits seit Anfang Mai gegen die anhaltenden Repressionen durch paramilitärische Gruppen. Zudem haben Gefechte zwischen Paramilitärs und der Guerrillaorganisation Nationale Befreiungsarmee (ELN) in den vergangenen Monaten immer wieder zu Vertreibungen in der Region geführt. Indigene und Afrokolumbianer verlangen von der Regierung deshalb konkrete Maßnahmen zu ihrem Schutz, die Rückführung in ihre Gebiete und Investitionen in Landwirtschaftsprojekte, Infrastruktur und Bildung.

Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sind insgesamt fast 4.000 Menschen allein in diesem Jahr aus ihren Wohngebieten in dem Departemento Chóco vertrieben worden. Seit Anfang des Jahres haben die paramilitärischen "Gaitán-Selbstverteidigungsgruppen" (AGC) ihre Präsenz dort deutlich verstärkt. Ihre gewaltsame Ausbreitung, die zu diesen Massenvertreibungen führt und die Besetzung von ehemals von der Farc-Guerilla kontrollierten Gebieten dieser Region hat wirtschaftliche Hintergründe: Die AGC seien mit politischen Eliten verbunden und wollten sich die Kontrolle über den Goldbergbau, die Holzproduktion und den Drogenhandel sichern. Es gebe dabei eine Komplizenschaft mit den Sicherheitskräften, erklärt der Politologe Leon Valencia.

Ähnlich wie der Bevölkerung im Chocó ergeht es den Menschen in der Hafenstadt Buenaventura im Departament Valle del Cauca. Auch dort sind für den 16. Mai Streiks und Demonstrationen angekündigt.

Wenn Sie über diesen Artikel mitdiskutieren wollen, nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion auf unserer Facebook-Seite oder folgen Sie einfach diesem Link