3.000 Menschen im Westen von Kolumbien eingeschlossen

Paramilitärs wollen sich Kontrolle über die strategisch wichtige Region sichern. Fast 4.000 Einwohner des Verwaltungsbezirks Chocó vertrieben

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Die AGC hat Unterstützung von Militärs, Polizisten, Politikern in Kolumbien
Die AGC-Männer erklärten, sie hätten die Unterstützung von Militärs, Polizisten, Politikern und Unternehmern in Kolumbien

Quibdó, Kolumbien. Im Süden des Departamentos Chocó in Kolumbien werden rund 3.000 Menschen seit einigen Wochen von paramilitärischen Banden festgehalten. Seit Anfang des Jahres haben die paramilitärischen "Gaitán-Selbstverteidigungsgruppen" (AGC) ihre Präsenz in dem Gebiet deutlich verstärkt. Mitglieder der lokalen Gemeinden können die Region nicht verlassen und sich darin auch nicht frei bewegen. Es wird befürchtet, dass sie mit Nahrungsmitteln unterversorgt sind.

Die Gebietssperrung soll das Ergebnis von Gefechten zwischen der AGC und der Guerillaorganisation Nationale Befreiungsarmee (ELN) sein. Seit sich die Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) aus ihren Aktionszonen zurückgezogen haben, intensivierte die AGC die Bekämpfung der seit Jahrzehnten dort operierenden ELN.

Die AGC, auch als "Clan Úsuga" oder "Urabeños" bekannt, sind im Süden von Chocó und im Norden von Valle del Cauca ebenso für eine Entführungswelle verantwortlich. Zwei der Verschleppten sind letzte Woche tot aufgefunden worden. Die AGC-Männern seien meistens in schwarz gekleidet, schwer bewaffnet, bewegten sich in Gruppen von zehn Mann, führen mit Booten im Urwald und ihre Gewehre seien normalerweise neu, informiert der Radiosender Caracol.

Doch nicht nur im Süden von Chocó ist die Sicherheit der Gemeinden durch die Kämpfe der Paramilitärs um die Kontrolle der Region bedroht. Seit Januar haben sie in den mittleren Gemeindebezirken des Departamentos Massenvertreibungen durch Drangsalierungen und Morde in Gange gesetzt. So mussten circa 700 Einwohner des Gemeinbezirks Alto Baudó Anfang März aus ihrem Zuhause fliehen.

Das UN-Kommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) meldete ebenso Anfang April circa 800 indigene und afrokolumbianische Vertriebene aus der Region Truandó im Norden von Chocó. In der naheliegenden Zone von Jiguamiandó hatte eine AGC-Gruppe die Ankunft von 100 weiteren Männern angekündigt. Die Paramilitärs erklärten dazu, dass sie "die Unterstützung von Militärs, Polizisten, Politikern und Unternehmern der Region" hätten, berichteten Einwohner.

Laut UNCHR seien insgesamt fast 4.000 Menschen allein in diesem Jahr aus ihren Wohngebieten im dem Departemento vertrieben worden. Die gewaltsame Ausbreitung der Paramilitärs, die zu Massenvertreibungen führt, bzw. die Besetzung von ehemaligen Farc-Gebieten in dieser Region am Pazifischen Ozean hat wirtschaftliche Hintergründe. Die AGC sei mit politischen Eliten verbunden und wolle sich die Kontrolle über den Goldbergbau, die Holzproduktion und den Drogenhandel sichern. Es gebe dabei eine Komplizenschaft mit den Sicherheitskräften, erklärt der Politologe Leon Valencia.

Darüber hinaus sollen drei Tiefwasserhäfen an der Pazifik-Küste gebaut werden, einer davon in Chocó. Außerdem ein Straßennetz, das zur Erleichterung des Warentransports für den Außenhandel mehrere Städte Kolumbiens mit dem pazifischen Raum verbinden soll. Die Preise der Ländereien für diese Megaprojekte steigen stetig an, aber die Mehrheit von ihnen sind kollektives Eigentum afrokolumbianischer und indigener Gemeinden, berichtet der Journalist Alfredo Molano. Durch deren gewaltsame Vertreibung können sich die Paramilitärs und ihre Partner die Grundstücke aneignen. Diese könnten wie in der Vergangenheit anhand von Tricks legalisiert werden und später an die Bauunternehmen teuer verkauft werden.

Inzwischen sind 1.000 Angehörige der Streitkräfte in der Region im Einsatz. Oppositionelle fragen sich allerdings, wieso die Sicherheitskräfte sich nur auf die ELN fokussieren, mit der die Regierung gerade Friedensgespräche führt, und nicht "durchschlagend die AGC bekämpfen", die sich frei durch Chocó bewegt.

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