Suspendierter Parlamentspräsident in Brasilien endgültig abgesetzt

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Am 11. September demonstrierten rund 50.000 Menschen in Sao Paulo
Am 11. September demonstrierten rund 50.000 Menschen in Sao Paulo

Brasília. Mit 450 Ja-Stimmen, zehn Nein-Stimmen und neun Enthaltungen, hat das Abgeordnetenhaus in Brasilien dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha das Abgeordnetenmandat und damit auch die parlamentarische Immunität entzogen. Dadurch wird der Weg frei, Eduardo Cunha wegen Korruption unter Anklage stellen. Cunha gilt als "Drahtzieher" hinter dem Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) und ist im Korruptionsskandal "Lava-Jato" (Waschanlage) schwer belastet worden.

Zeugen und Angeklagte haben mehrfach ausgesagt, dass Cunha aktiv an der Korruption im Zusammenhang mit dem staatlichen Ölkonzern Petrobras beteiligt war. Er hat außerdem den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Petrobras über seine Konten in der Schweiz belogen, die formal einem Trust gehören.

Die Untersuchungen gegen Cunha zogen sich in einem ungewöhnlich langen Verfahren seit elf Monaten hin. Beobachter haben immer wieder den Verdacht geäußert, dass Cunha erst wegen Korruption angeklagt wird, wenn die Amtsenthebung von Dilma Rousseff abgeschlossen sein wird. Nach der Entscheidung des Parlaments ist Cunha bis 2027 in kein öffentliches Amt wählbar.

Cunha gehört der Partei PMDB an, ebenso wie der ehemalige Vizepräsident Michel Temer, der erst durch das Impeachment-Verfahren gegen Dilma Rousseff an die Macht kam. Cunha kündigte nach der Entscheidung "Enthüllungen" an, möglicherweise wird er gegen weitere Parlamentarier im Untersuchungsverfahren zu "Lava-Jato" aussagen oder seine ehemaligen Parteigenossen belasten.

Währenddessen halten die Proteste und Demonstrationen gegen Michel Temer und für sofortige Direktwahlen an. Am 11. September demonstrierten rund 50.000 Menschen in São Paulo. Die Militärpolizei ging erneut mit willkürlichen Verhaftungen und Gewalt gegen die Protestbewegung vor.

Eine Gruppe von Jugendlichen, darunter mehrere Minderjährige, wurde verhaftet, weil sie in ihren Rucksäcken Essig gegen die Wirkungen des Tränengases mit sich führten. "Heute reicht es schon, einen Rucksack dabei zu haben", kommentierte Senator Lindbergh Farias (PT) am 11. September das Geschehen. Weiter äußerte Lindbergh gegenüber der Presse: "Bei der Demonstration am vergangenen Sonntag habe ich eine Tränengasgranate ins Gesicht bekommen. Ich war dort gemeinsam mit dem ehemaligen Minister Roberto Amaral, der 77 Jahre alt ist. Ich glaube, das Ziel ist, die Bevölkerung einzuschüchtern, damit sie nicht mehr auf die Straße geht. Ich denke, wir können im Moment nur eine internationale Anklage gegen den Skandal anstreben, der hier passiert. Was für eine Demokratie ist das denn?". Lindenbergh bildete zeitweise zusammen mit anderen Politikern eine Kette, um die Teilnehmer der Demonstration gegen die Militärpolizei zu schützen und ihre Fortsetzung zu sichern.

Amnesty International hat in der vergangenen Woche eine Eilaktion gegen die Gewalt der Militärpolizei in Sao Paulo mit dem Titel "Protest ist kein Verbrechen" initiiert.

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