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Lehrergewerkschaft in Mexiko beendet Gespräche mit Regierung

Forderungen der streikenden Lehrer zurückgewiesen. Regierung verweigert Debatte über Bildungsreform. Privatisierung öffentlicher Schulen droht

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Protest gegen Bildungsreform am 6. Juli in Mexiko-Stadt: "Öffentliche Bildung ist nicht verhandelbar, sie ist ein Recht unserer Kinder"
Protest gegen Bildungsreform am 6. Juli in Mexiko-Stadt: "Öffentliche Bildung ist nicht verhandelbar, sie ist ein Recht unserer Kinder"

Mexiko-Stadt. Im Streit um die Bildungsreform in Mexiko ist nach wie vor keine Lösung in Sicht. Nach über einem Monat Verhandlungen haben Vertreter der unabhängigen Lehrergewerkschaft "Nationale Koordination der Erziehungsarbeiter" (CNTE) vergangene Woche die Gespräche mit der Regierungspartei PRI (Partei der Institutionellen Revolution) abgebrochen. Grund für die Entscheidung war das Festhalten der zuständigen Ministerien, das neue Bildungsmodell und das Programm für Grund- und weiterführende Schulen als Teil der Reform öffentlich zu präsentieren.

Eine zentrale Forderung der CNTE, die sich 1979 von der offiziellen Lehrergewerkschaft SNTE (Nationale Gewerkschaft der Erziehungsarbeiter) trennte, ist eine Rücknahme der Bildungsreform. So verdeutlichten deren Vertreter abermals, dass sie weiterhin darauf bestehen, ein Bildungsmodell auf den Weg zu bringen, das die Bedingungen und Vorstellungen "aller berücksichtigt und nicht den einseitigen Entwurf" der Regierung repräsentiert. Für die Regierung ist allerdings weder der Inhalt noch die Verabschiedung der Reform streitbar.

Bildungsminister Aurelio Nuño Mayer stellte nun in Anwesenheit von Regierungsvertretern, Mitgliedern der SNTE und Unternehmern das neue Modell vor und erklärte umgehend, dass eine öffentlich Debatte zu Kritik und Änderungen bezüglich des Inhalts folgen würde. "Die Regierung führt eine Befragung ein, um ein Modell zu rechtfertigen, das längst definiert ist", kritisierten indes Mitglieder der CNTE. Sie wiesen darauf hin, dass die zuständigen Ministerien im "Vorfeld weder die Stimmen der Lehrer, der Eltern der Schüler oder der Gemeinden" berücksichtigten. Dass nun nachträglich Positionen aus der Gesellschaft einbezogen werden sollen, erscheine daher unglaubwürdig.

Seit am 19. Juni die Proteste gegen die Bildungsreform ihren tragischen Höhepunkt erreichten, als elf Menschen bei Konfrontationen zwischen Demonstranten und Polizisten im Bundesstaat Oaxaca erschossen wurden, geriet die Regierung unter Druck, auf Gespräche mit der linken Lehrergewerkschaft einzugehen. Die Treffen, an denen das Innenministerium, das Bildungsministerium und Vertreter der CNTE teilnahmen, führten lediglich insofern zu positiven Ergebnissen, als dass man sich auf Zugeständnisse einigen konnte, Ermittlungen zum Polizeieinsatz vom 19. Juni im Bezug auf die getöteten Demonstranten einzuleiten und die Angehörigen der Opfer angemessen zu entschädigen.

Dabei fordert die CNTE weitaus tiefgreifendere Vereinbarungen. So ist im Rahmen der Bildungsreform beispielsweise eine Verlagerung von Zuständigkeiten vorgesehen, die eine Übertragung der Finanzierung von Schulen auf private Ressourcen ermöglicht, da die Verantwortung nun auf kommunale Ebene verschoben werden soll. Insbesondere in ärmeren Regionen sind Schulen auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Der Anreiz, auf private Gelder zurückzugreifen, ist relativ hoch, was schließlich eine Abhängigkeit von Investoren fördert. Was die Regierung als "autonome Finanzierungsmöglichkeit" verkauft, ist daher ein fragwürdiges Konzept, das Einrichtungen für private Investitionen öffnen und die Verantwortung der Regierung, für eine öffentliche Bildung zu sorgen, abwenden soll.

Das Interesse der Regierung steht allerdings nicht nur unter der neoliberalen Logik, Effizienz und Produktivität im Bildungssektor zu fördern, sondern es geht gleichfalls um das Ansehen der Partei, die aufgrund zahlreicher Korruptionsfälle immer mehr an Zustimmung verliert ‒ nicht zuletzt auch, weil man sie für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich macht. Der sinkende Rückhalt in der Bevölkerung wurde zuletzt im Juni deutlich, als die PRI in mehreren Bundesstaaten Wahlen verlor. In einigen regierte seit der Revolution Anfang des 20. Jahrhunderts nie eine andere Partei.

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