Argentinien / Politik / Medien

Anhaltende Kritik an Telesur-Ausstieg Argentiniens

Intellektuelle, soziale Bewegungen und Politiker aus Lateinamerika protestieren. Auch Einspeisung des Telesur-Signals in staatseigenes Fernsehnetz gekappt

telesur.jpg

"Ohne Telesur - wer sagt uns, was in der Welt vor sich geht?" fragt der argentinische Politologe Borón
"Ohne Telesur - wer sagt uns, was in der Welt vor sich geht?" fragt der argentinische Politologe Borón

Buenos Aires. Der Ausstieg der Regierung von Argentinien aus dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur stößt weiter auf Kritik. Der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel bezeichnete den Schritt als "Zensur". Esquivel, der im Beirat des Senders sitzt, führte aus, es handle sich hierbei um eine politische Entscheidung: Telesur habe kritisch über den Amtsantritt des neuen Präsidenten Mauricio Macri berichtet – und auch über Themen, die "andere Sender nicht bringen, weil es verboten ist". Die Regierung versuche, die Vielstimmigkeit der Bevölkerung zum Schweigen zu bringen und ihr ein Einheitsdenken aufzuoktroyieren.

Argentiniens Minister für Medien, Hernán Lombardi, hatte Ende März erklärt, dass der Sender nur Geld koste, aber keine ausgewogene Berichterstattung gewährleiste. Daher werde die Beteiligung aufgekündigt. Bei Telesur zeigte man sich zunächst überrascht, zumal man von der Entscheidung aus den Medien und über Twitter erfahren habe. Der Fernsehsender wird nun von den Regierungen Boliviens, Ecuadors, Kubas, Nicaraguas, Uruguays und Venezuelas getragen.

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro kritisierte die Entscheidung der Regierung Macri deutlich. In einer Fernsehansprache sagte er: "Diejenigen, die jetzt Telesur verschwinden lassen wollen, sind genau dieselben. die 30.000 Menschen in Argentinien verschwinden ließen." Maduro kündigte an, seine Regierung werde sich dafür einsetzen, dass der Sendebetrieb in Argentinien aufrecht erhalten werde. Außerdem solle die Präsenz des Senders im Internet verstärkt werden. "Die Wahrheit lässt sich nicht unterdrücken, Telesur lässt sich nicht zum Verschwinden bringen".

Diplomatischer gab sich Ecuadors Präsident Rafael Correa und sagte dem Sender weitere Unterstützung zu. Der Rückzug Argentiniens sei bedauerlich, "aber es handelt sich um eine souveräne Entscheidung. Die Regierung muss es ihrem Volk erklären und sich dafür rechtfertigen".

Namhafte Intellektuelle Lateinamerikas meldeten sich ebenso zu Wort. Der mexikanische Philosoph Fernando Buen Abad konstatierte: "Telesur muss etwas unglaublich Gutes für die Bevölkerung tun, wenn so viele Oligarchen ihn zum Schweigen bringen wollen". Der Schriftsteller und Dramaturg Luis Britto García aus Venezuela erinnerte an Macris Wahlkampfreden, in denen dieser sich für Meinungsfreiheit stark gemacht habe und nun zensiere er als erstes ein fortschrittliche Medium wie Telesur, das "ganze eigene und verlässliche Informationen anbietet". Als "Affront gegen die Meinungsfreiheit" betrachtet die "Vereinigung der Intellektuellen und Künstler für die Verteidigung der Menschheit" (REHD) den Ausschluss von Telesur aus dem Kabelnetz.

Ähnlich sieht es auch der Zusammenschluss sozialer Bewegungen und poltischer Gruppen aus Lateinamerika, die sich mit dem linksgerichteten Staatenbündnis Bolivarische Allianz identifizieren (Movimientos sociales hacia el Alba). In einem Kommuniqué heißt es, dass es sich um eine "klare Verletzung der Meinungsfreiheit" handle. Der Bevölkerung werde eine wichtige Quelle für alternative Information genommen, die in den anderen argentinischen Medien nicht vorkomme, da diese den "gegen das Volk gerichteten neoliberalen Kurs der neuen Regierung" stützten.

In Argentinien hat sich indes Widerstand gegen die Austritt aus dem Sender und die gekappte Einspeisung des Signals von Telesur in das staatseigene offene Digitalfernsehnetz formiert. So fand am 5. April eine Kundgebung vor dem Sitz des Senders in Buenos Aires statt, an der sich neben verschiedenen Alternativmedien, sozialen Bewegungen, Intellektuellen und Journalisten auch die Kommunistische Partei und die frühere peronistische Regierungspartei "Front für den Sieg" beteiligten. "Ohne Telesur - wer sagt uns, was in der Welt vor sich geht? CNN oder TN1? Und das entscheidet eine Regierung, die sich über fehlenden Pluralismus beklagt?" fragte der Politologe Atilio Borón, einer der Organisatoren. Er wies auf den stetigen Verfall der Qualität des Journalismus hin, der einhergehe mit der Krise der Gesellschaft. Die meisten Massenmedien seien skrupellose Helfershelfer der dominierenden Interessen, "ohne jeglichen Respekt vor der Wahrhaftigkeit der Informationen, die sie propagieren, oder vor der Intelligenz ihrer Leser, Zuhörer und Zuschauer."

Wenn Sie über diesen Artikel mitdiskutieren wollen, nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion auf unserer Facebook-Seite oder folgen Sie einfach diesem Link.

  • 1. Todo Noticias ist ein TV-Sender in Argentinien, der zur finanzstärksten Mediengruppe des Landes, Grupo Clarín gehört