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Argentinien stellt Finanzierung für TV-Sender Telesur ein

Offenbar politische Differenzen zwischen Regierung Macri und multinationalem Sender. Entscheidung wird sich auf Reichweite des Programms auswirken

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Sitz von Telesur in der venezolanischen Hauptstadt Caracas
Sitz von Telesur in der venezolanischen Hauptstadt Caracas

Buenos Aires. Die Regierung von Präsident Mauricio Macri in Argentinien wird ihre Mitwirkung am lateinamerikanischen Nachrichtensender Telesur beenden. Das  berichteten Medien des südamerikanischen Landes unter Berufung auf den Minister "für Medien und öffentliche Inhalte" im Kabinett des rechtsgerichteten Präsidenten, Hernán Lombardi. Die Entscheidung war abzusehen: Seit dem Amtsantritt von Macri im Dezember war immer wieder über den Rückzug des Landes aus dem Trägerkreis von Telesur oder die Blockierung des Signals des Senders spekuliert worden, der von regierungsnahen Medien in Argentinien als "chavistisch" oder "venezolanisch" bezeichnet wird. Klar ist, dass der Rückzug Argentiniens mit einer Einschränkung des Empfangs in dem südamerikanischen Land einhergehen wird.

Telesur war im Jahr 2005 auf Initiative des damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gegründet worden. Ziel des Senders ist, über das politische Geschehen in Lateinamerika aus einer lateinamerikanischen Perspektive zu berichten. So solle vermieden werden, dass große US-Sender wie CNN etwa die venezolanische Bevölkerung über das Geschehen im Land informiert – und die Ereignisse zugleich politisch einordnen. Dem entsprechend lautet das Motto von Telesur "Nuestro Norte es el Sur" (Unser Norden ist der Süden). Ein Wortspiel: "Norte", der Norden, steht im Spanischen auch für Ziel oder Orientierung. Derzeit wird Telesur von Argentinien, Bolivien, Kuba, Nicaragua, Uruguay und Venezuela betrieben.

Die Entscheidung zum Rückzug Argentiniens aus dem Sender war auch erwartet worden, weil Telesur den Amtsantritt Macris kritisch begleitet hatte. Schon vor den Wahlen Ende vergangenen Jahres hatte Telesur über die möglichen sozialen Folgen einer von Macri geführten neoliberalen Regierung berichtet und auf die Geschäfte seiner Familie verweisen. Die teilweise meinungsstarken Artikel waren aus dem Macri-Lager heftig kritisiert worden.

Nun gab Minister Lombardi die Entscheidung zum Ausstieg bekannt. Die argentinische Regierung werde "die notwendigen Schritte einleiten", um die 16 Prozent Anteile an dem Sender zurückziehen, sagten Lombardi und der Minister für öffentliche Kommunikation, Jorge Grecco, gegenüber der Tageszeitung La Nación.

Die Ausstrahlung des Telesur-Programms wird für die Anbieter im Kabelnetz zudem nicht mehr verpflichtend sein, so Lobardi und Grecco. Diese Regelung war im September von der unter Macri per Dekret aufgelösten Medienkontrollbehörde Afcsa erlassen worden. Zudem wird das Signal nicht mehr über das öffentliche Digitalnetz ausgestrahlt werden, das unter der ehemaligen Präsidentin Cristina Kirchner geschaffen wurde und rund 80 Prozent der Haushalte erreicht.

Die Entscheidung der Regierung in Buenos Aires über den Rückzug aus dem Sender sei der Telesur-Chefin Patricia Villegas bereits mitgeteilt worden, hieß es aus Argentinien. Das Procedere sei in mehreren Telefonaten besprochen worden. Bei Telesur hieß es jedoch, man habe aus der argentinischen Presse und über eine Nachricht Lombardis beim Kurznachrichtendienst Twitter von der Entscheidung erfahren und prüfe eine Antwort.

Bekannte argentinische Vertreter von Telesur waren der Fußballer Diego Maradona, der in der Sendung "La Zurda" über die Fußball-WM der Männer 2014 in Brasilien berichtete, und Víctor Hugo Morales. Der gebürtige Uruguayer ist ein Kritiker von Macri und wurde im Januar von seinem aktuellen Posten beim argentinischen Radio Continental entbunden. Die Station, von der die Kündigung mit angeblichen arbeitsrechtlichen Verstößen des Journalisten begründet wurde, gehört zum spanischen Medienkonzern Prisa und steht Macri nahe.

Die Entscheidung zu Telesur wurde von mehreren Medienschaffenden in Lateinamerika indes kritisch bewertet. Der argentinische Journalist und amerika21-Autor Juan Manuel Karg bezeichnete es als "paradox", dass nun die gleichen Akteure den De-facto-Boykott von Telesur durch die Macri-Regierung gutheißen, die vor wenigen Jahren Venezuela noch eine Einschränkung der Pressefreiheit vorwarfen, nachdem die Behörden die Lizenz des Privatsenders RCTV nicht verlängert hatten.