El Salvador / Politik

Ausnahmezustand in El Salvador wegen Bandengewalt?

Regierung plant angeblich Verhängung des Ausnamezustands wegen eskalierender Bandengewalt. Brisantes Video belegt Verbindung von Arena-Partei und Maras

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Tätowierung eines Mara-Mitgliedes in El Salvador
Tätowierung eines Mara-Mitgliedes in El Salvador

San Salvador. Der Vorsitzende der Regierungspartei FMLN in El Salvador, Medardo González, ist Presseberichten entgegengetreten, nach denen die größten Jugendbanden des Landes einen Gewaltverzicht erklärt haben, um damit die geplante Verhängung des Ausnahmezustands im Land zu verhindern. Entsprechend berichtet hatte im deutschsprachigen Raum unter anderem die Deutsche Presse-Agentur (dpa).

Im Gespräch mit amerika21 sagte González am Dienstag, die FMLN-Regierung ergreife zwar Sondermaßnahmen, um der Gewalt zu begegnen. Aber auch in den am meisten betroffenen Gemeinden würden die Grundrechte der Bürger nicht beschnitten und "kein Ausnahme- oder Belagerungszustand" verhängt.

Die Mordrate in El Salvador liegt seit einigen Monaten bei etwa 20 pro Tag, bei einer Bevölkerung von etwas mehr als sechs Millionen. Diese Morde werden primär den Maras, ehemaligen Jugendbanden, zugeschrieben. Anfang März waren bei San Juan Ópico elf Menschen mutmaßlich von Mara-Mitgliedern massakriert worden, acht Arbeiter einer Stromgesellschaft und drei zufällig anwesende Kleinbauern.

Die Regierung kündigte daraufhin Sondermaßnahmen an. So sollen mit einer Entlassung von 4.000 alten oder schwer kranken Häftlingen Polizeigefängnisse entlastet und damit Beamte für den Einsatz gegen die Banden frei werden. Auch zusätzliche 1.000 Soldaten sollen eingesetzt werden, die jedoch nur Begleitdienste für die Polizeikräfte verrichten dürfen.

Eine weitere Maßnahme betrifft sieben Gefängnissen, in denen führende Mara-Mitglieder einsitzen, die erwiesenermaßen aus der Haft über Handys, über Besucher und Anwälte Erpressungs- und Mordanweisungen erteilen. Für diese Haftanstalten müssen die Telefongesellschaften nun ihre Signale blockieren. Besuche sollen eingeschränkt und schärfer überwacht werden.

Der angekündigte neuerliche "Gewaltverzicht" der Maras könnte indes eine Reaktion auf ein am 11. März im Internetportal El Faro veröffentlichtes Video sein. Es handelt sich um ein offenbar verdeckt aufgenommenes Treffen von März 2014 zwischen Bandenvertretern und Ernesto Muyshondt, damals Nr. 2 der rechten Arena-Partei und Sprecher ihres Präsidentschaftskandidaten Norman Quijano, sowie dem Arena-Bürgermeister des großen hauptstädtischen Vororts Ilopango, Salvador Ruano. Das Treffen fand zwischen dem 1. und 2. Durchgang der Präsidentschaftswahlen 2014 statt. In der ersten Runde verfehlte der FMLN-Kandidat Salvador Sánchez Cerén die 50 Prozent Marke, Quijano kam auf 40 Prozent. In der zweiten Runde gewann Sánchez Cerén mit nur 6.000 Stimmen Vorsprung. Arena hatte über 400.000 Stimmen hinzugewonnen.

In dem knapp halbstündigen veröffentlichten Abschnitt des Treffens ging es um zwei Dinge: die Mobilisierung der Maras gegen die FMLN in der kommenden Stichwahl und eine von den Maras in Aussicht gestellte "Stabilität". Ein Mara-Sprecher sagte: "Stabilität, falls Sie gewinnen, und wir wünschen Stabilität, falls Sie gewinnen. Einverstanden? Gefällt Ihnen eine Stabilität für die nächsten fünf Jahre? Gut. Hier sind unsere Punkte, und wir möchten, dass sie diskutiert, umgesetzt werden. Der Moment wird kommen, wo der Minister, den Sie einsetzen, uns sagt: 'Also, Hurensöhne, ich möchte diese Scheiße so und so reduzieren' – 'Ah, ok, packen wir’s an!' – und wir einigen uns und arbeiten zusammen. Dies für die nächsten fünf Jahre."

Die soziale Basis der Maras – primär von neuem Reichtum profitierende Familienmitglieder – soll landesweit 300.000 Menschen umfassen. Wahlrelevant ist weiter, dass in manchen Armenvierteln viele Menschen die Banden als faktische Autorität wahrnehmen.

Muyshondt hatte sich jahrelang als scharfer Kritiker der bezüglich Maras "unfähigen", wenn nicht gar mit ihnen unter einer Decke steckenden FMLN-Regierung profiliert. Im "Dialog" mit den Maras sagte er: "Was halten Sie von Facundo Guardado? Norman sieht ihn als Sicherheitsminister". Muyshondt bezog sich auch auf frühere Treffen, mutmaßlich folgten weitere. Auch wenn dies aus dem Mitschnitt nicht ersichtlich wird, ist anzunehmen, dass das Gegenstück einer "Stabilität, falls sie gewinnen" die Destabilisierung einer FMLN-Regierung ist: Morde wie die an den Stromarbeitern, welche die Bevölkerung erschüttern, passen in den rechten Diskurs vom "gescheiterten Staat", den nur eine "starke Hand" mit US-Unterstützung retten könne.