Argentinien ahndet Diktatur-Verbrechen

Drei weitere Prozesse gegen die Folterer und Mörder der argentinischen Militärjunta beendet. Hohe Freiheitsstrafen verhängt. Großes Medieninteresse

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Die verurteilten Militärs waren auch an der Ermordung von Elisabeth Käsemann beteiligt
Die verurteilten Militärs waren auch an der Ermordung von Elisabeth Käsemann beteiligt

Buenos Aires/ Tucumán. Mit dem Abschluss dreier großer Prozesse gegen ehemalige Mitglieder des Militärs hat die argentinische Justiz ein weiteres Kapitel der juristischen Aufarbeitung der während der Diktatur von 1976 bis 1983 begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit bewältigt.

Zuletzt verkündete am 23. Dezember das Bundesgericht von Tucumán in dem sogenannten Prozess Villa Urquiza sein Urteil gegen neun ehemalige Angehörige des argentinischen Militärs. Der Prozess zählt aufgrund der hohen Anzahl an Angeklagten sowie ihrer 39 Opfer zu den beiden in Tucumán bislang vor Gericht behandelten "Megacausas".

Drei der neun Angeklagten wurden zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt. Grundlage der Urteile gegen Juan Carlos Medrano, Pedro García – Ex-Chef der Aufseher im sogenannten Todessaal – sowie gegen Héctor Valenzuela waren Schuldsprüche in den Anklagepunkten  Hausfriedensbruch, Freiheitsberaubung, Folter, sexueller Missbrauch sowie wegen Mordes an Juan Torrente und Juan Carlos Suter. Die weiteren sechs Angeklagten Arturo Álvarez, Ángel Audes, Jorge Omar Lazarte, Augusto Montenegro, Francisco Ledesma und Heriberto Albornoz wurden zu Freiheitsstrafen zwischen acht und 25 Jahren verurteilt.

Einen Tag vor der Urteilsverkündung in Tucumán fand am 22. Dezember in Campo de Mayo der zweite Prozess im Hinblick auf den während der Militärdiktatur systematisch vollzogenen Kindesraub seinen Abschluss. Die ehemaligen Generäle Reinaldo Bignone und Santiago Omar Rivero wurden zu jeweils 30 und 25 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auch der Militärarzt Norberto Atilio Bianco und die Hebamme Yolanda Arroche müssen Gefängnisstrafen von 13 beziehungsweise sieben Jahren verbüßen.

Am 18. Dezember bereits hatte das Bundesgericht in Buenos Aires sein Urteil im Zusammenhang mit den im  Folterzentrum "El Vesubio" begangenen Verbrechen verkündet. Die vier angeklagten ehemaligen Militärs Federico Minicucci, Jorge Crespi, Gustavo Cacivio und Néstor Cendón wurden der illegalen Freiheitsberaubung, der Folter, der Vergewaltigung und der Ermordung von 204 Gefangenen schuldig gesprochen.

In dem südöstlich der argentinischen Hauptstadt gelegenen Geheimgefängnis wurden zwischen 1976 und 1978 insgesamt etwa 2.500 Menschen gefangen gehalten, bevor das Zentrum in Anbetracht des bevorstehenden Besuchs einer Delegation der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte abgerissen wurde. Der Gerichtsprozess um "El Vesubio" erhielt in Argentinien auch aufgrund der zahlreichen namhaften argentinischen Opfer des Folterzentrums breites mediales Interesse. Dazu zählen etwa der Schriftsteller Haroldo Conti, der Drehbuchautor Héctor Oesterheld und der Regisseur Raimundo Gleizer. Zudem befanden sich unter den Opfern auch die zwei französischen Staatsbürger Françoise Dauthier und Juan Soler sowie die Deutsche Elisabeth Käsemann, die 1977 im Alter von 30 Jahren verschleppt und einige Wochen später getötet durch zahlreiche Schüsse gefunden wurde.