Brasilien: Keine Proteste oder Polizeigewalt bei WM?

Regierung will Dialog mit Protestgruppen. Justizminister trifft Vereinbarung mit Sicherheitsbeauftragten der zwölf Austragungssorte

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Proteste gegen Milliardenausgaben für WM und Olympia: “FIFA-WM: 33 Milliarden"
Proteste gegen Milliardenausgaben für WM und Olympia: “FIFA-WM: 33 Milliarden; Olympiade: 26 Milliarden; Korruption: 50 Millionen; Mindestlohn: 678 Reales”

Brasília. Die Regierung von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff will gewaltsame Polizeieinsätze während der Fußballweltmeisterschaft vermeiden, um eine erneute Protestwelle zu verhindern. Anfang Februar wird sich Justizminister José Eduardo Cardozo daher mit den Sicherheitsbeauftragten der zwölf Austragungssorte treffen, um ein gemeinsames Protokoll über den Polizei-Einsatz am Rande möglicher Demonstrationen zu unterzeichnen. Dies berichtet die Zeitung Estadão.

Im Juni vergangenen Jahres kam es nach der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten gegen Fahrpreiserhöhungen des öffentlichen Nahverkehrs in São Paulo landesweit zu Solidaritätsdemonstrationen, die in wochenlangen Massenprotesten gipfelten. Auch der Ablauf des Confederations Cup wurde davon zeitweilig gestört.

Laut Medienberichten hat der Fußballweltverband FIFA nun von der brasilianischen Regierung Garantien eingefordert, dass mögliche Demonstrationen während der WM nicht den Ablauf des Turniers stören werden. Am Donnerstag reiste Brasiliens Präsidentin zum Hauptsitz der FIFA nach Zürich um mit FIFA-Präsident Sepp Blatter persönlich den Stand der Vorbereitungen für die WM zu besprechen.

Wie Regierungsvertreter bestätigten, sollen Massenproteste auf Brasiliens Straßen auch verhindert werden, da diese der regierenden Arbeiterpartei PT im Vorlauf der im Oktober stattfindenden Wahlen weiteren politischen Schaden zufügen könnten. Nach den Protesten im vergangenen Jahr waren die Popularitätswerte von Präsidentin Rousseff stark gesunken.

Unterdessen sucht die Regierung verstärkt den Dialog mit sozialen Bewegungen und Basiskomitees, die scharfe Kritik an Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Vorbereitungen der WM üben. Laut dem Dachverband der Basiskomitees ANCOP sind etwa 400.000 Menschen direkt von der Umsetzung der WM und der Olympischen Spiele im Jahre 2016 in Rio de Janeiro betroffen. Räumungen haben bereits tausende Familien aus ihren Stadtvierteln vertrieben. Im Juni 2013 trafen sich in São Paulo Vertreter des Generalsekretariats mit Kritikern der Sportveranstaltungen. Die auf dem Treffen formulierten Forderungen, unter anderem des Räumungsstopps und der Demilitarisierung der Polizei, warten bislang auf ihre Umsetzung.

"Wir haben unsere Vorschläge dargelegt, aber dies hat zu keinem Ergebnis geführt weil die Repräsentanten keine Entscheidungsgewalt hatten. Bis jetzt haben wir keine Antwort erhalten. Auch das Justiz- und Verteidigungsministerium hat uns aufgesucht aber auch das hat bis jetzt nichts gebracht", so Juliana Machado vom Basiskomitee in São Paulo.

Am Samstag gingen in über 30 Städten in allen Bundesstaaten und in der Hauptstadt Brasília tausende Menschen auf die Straße. Basiskomitees und linke Gruppierungen hatten zu Demonstrationen mit dem Motto "Es wird keine WM geben" aufgerufen. In São Paulo kam es an verschiedenen Abschnitten der Demonstrationsroute zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.

Laut Presseberichten nahm die Polizei 128 Teilnehmer vorübergehend fest. Wie die Zeitung Folha de São Paulo berichtet, wurde ein 22-jähriger Mann am Rande der Demonstration durch drei von Militärpolizisten abgefeuerte Schüsse schwer verletzt. Das Opfer wurde noch am Abend operiert und liegt seitdem im Koma. Teilnehmer berichten auch an weiteren Stellen der Proteste von massiver Polizeigewalt.

Insgesamt blieben die Teilnehmerzahlen der Demonstrationen hinter den Erwartungen zurück. In den meisten Städten versammelten sich nur einige hundert Menschen auf den Straßen. In São Paulo, wo im Vorfeld über 24.000 Personen ihre Zusage zu der bei Facebook eingeladenen Demonstration bestätigten, protestierten lediglich 1.500 Menschen. Die Organisatoren zeigten sich dennoch mit der Teilnehmerzahl zufrieden und wiesen auf weitere, in den kommenden Wochen geplante Proteste hin.