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Barack Obama: Guantánamo ineffizient und teuer

US-Präsident will Gefangene entlassen oder verlegen. Hungerstreik weitet sich aus. US-Mediziner kritisieren Zwangsernährung

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Gefangene in Guantánamo
Gefangene in Guantánamo

Washington/Guantánamo Bay. US-Präsident Barack Obama hat am Dienstag bei einer Pressekonferenz erstmals Stellung zum Hungerstreik in Guantánamo Bay

genommen und bestätigt, dass er weiterhin die Absicht hat, das Gefangenenlager zu schließen. Nachdem es aus dem Weißen Haus in den vergangenen Monaten keine Informationen zu den Plänen für das umstrittene Gefängnis mehr gegeben hatte, ist diese Botschaft scheinbar ein erster Erfolg des seit Februar andauernden Hungerstreiks. Offiziellen Angaben zufolge beteiligen sich derzeit 100 der 160 Gefangenen daran. Fünf von ihnen wurden in das Krankenhaus eingeliefert, um dort medizinisch überwacht zu werden, weitere 21 werden zwangsernährt.

Vor allem die Anwendung der Zwangsernährung durch Einführen eines 115 cm langen Schlauches durch die Nase, um den Streikenden Nahrung zuzuführen, hatte in den letzten Tagen für weitere Kritik gesorgt. In einem Brief an Verteidigungsminister Chuck Hagel hatte Dr. Jeremy A. Lazarus, Präsident der amerikanischen Medizinervereinigung, am Montag betont, dass jeder Arzt, der sich an einer Zwangsernährung von Gefangenen beteiligt, "grundlegende Werte seines Berufsstandes verletzt." Auf Anfragen zu dieser "menschenverachtenden Behandlung", wie sie von Vertretern des Roten Kreuzes und den Anwälten der Gefangenen bezeichnet wird, reagierte Obama dennoch lediglich mit der Aussage, dass er es "nicht wünsche, dass Gefangene in Guantánamo Bay sterben" und davon überzeugt sei, dass "das Pentagon die Situation so gut wie möglich handhabt".

Völlig gegenteilige Informationen wurden indes durch Clive Stafford bekannt gemacht, den renommierter Anwalt für Menschenrechte und Vertreter von Shaker Aamer und 14 weiteren Gefangenen in Guantánamo. Seiner Ansicht nach werden die Inhaftierten "nicht wie Menschen behandelt". In einem Interview mit dem Nachrichtensender Russia Today berichtet er, dass die Mediziner in Guantánamo Bay die Prozedur der Zwangsernährung so unangenehm wie möglich für die Gefangenen zu gestalten versuchen, indem sie größere Schläuche nutzen als notwendig und diese so schmerzhaft wie möglich nach jeder Zwangsernährung wieder herausziehen. "Es ist einfach barbarisch", so Stafford. Dennoch zeigt er sich überzeugt, dass selbst diese drastischen Maßnahmen die Häftlinge nicht davon abhalten werden, weiter zu streiken, im schlimmsten Fall sogar bis zum Tod. "Was die amerikanischen Behörden scheinbar nicht verstehen wollen", so Stafford weiter, sei die Tatsache, dass die Gefangenen in den vergangenen elf Jahren so vieles erlebt haben, dass "es nichts gibt, was sie nicht schon hätten erleiden müssen" und sie jetzt zur Aufgabe des Streikes bewegen könnte. Seiner Ansicht nach gibt es keine Möglichkeit, den Hungerstreik zu beenden, ohne den Forderungen der Gefangenen nachzukommen.

Seit elf Jahren ist sein Klient Shaker Aamer Gefangener in Guantánamo. Von Seiten der Bush- und der Obama-Regierung wurde bestätigt, dass er freigelassen werden kann, dennoch verbleibt er auf unbestimmt Zeit in Haft. "Es gibt keinen Grund, Shaker nicht freizulassen", so Stafford, außer der Tatsache, dass weder das amerikanische Militär noch der britische Auslandsgeheimdienst MI 6 wollen, dass Aamer über seine Gefangenschaft öffentlich berichtet. Er ist einer der letzten Häftlinge, die exklusiv Auskunft über die Verwicklung des MI 6 in die Foltervorwürfe auf dem Luftwaffenstützpunkt in Bagram im Jahr 2002 geben können. Das mache ihn zu einem "außerordentlich peinlichen Zeugen", dessen Stillschweigen im Interesse sowohl der amerikanischen als auch der britischen Regierung liegt, so Stafford.

Nach Angaben der Anwälte ist die Inhaftierung auf unbestimmte Zeit die schlimmste Art von Folter für die Gefangenen und einer der Gründe für den andauernden Hungerstreik, der bereits jetzt der längste und umfassendste in der Geschichte des Gefangenenlagers ist. Forderungen seitens der Gefängnisverwaltung nach zusätzlichen 200 Millionen US-Dollar zur Instandsetzung und Modernisierung des Lagers im März diesen Jahres hatten die Aussicht auf die geplante Schließung in weitere Ferne rücken lassen und den Streikwillen der Häftlinge zusätzlich bestärkt.

In seinem Pressestatement vom Dienstag hat Obama nun erstmals offiziell bestätigt, dass "es nicht nötig ist, Guantánamo Bay offen zu halten, um die Sicherheit der Amerikaner zu garantieren". Es sei "ineffizient und teuer, Guantánamo weiterhin zu nutzen". Daher wolle er nun wieder verstärkt daran arbeiten, die Gefangenen zu entlassen oder in anderen Gefängnissen unterzubringen. Wie er dies umsetzten will, bleibt indes weiter unklar, da nach wie vor eine Mehrheit der republikanischen Abgeordneten im Kongress gegen eine Verlegung von Häftlingen auf amerikanischen Boden eintritt und auch sonst wenig Kooperationsbereitschaft zeigt, um die Situation im Gefangenenlager zu verbessern.