Unterschiedlicher Umgang mit IWF in Lateinamerika

Mexiko und Kolumbien erhalten neue Kredite gegen die Krise. Linke Regierungen fordern grundsätzliche Reform

New York. Am Wochenende wird die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington stattfinden. Das wichtigste Thema sollen erwartungsgemäß weitere Maßnahmen gegen die Finanzkrise und den globalen Abschwung sein. Aber auch eine grundsätzliche Debatte um die Rolle der internationalen Finanzinstitutionen und eine Reform in der Weltbank stehen ins Haus. Ein wichtiger Teil der vorbereitenden Diskussionen entwickelte sich um die Frage, welche Auswirkungen die Finanzkrise auf die Schwellen- und Entwicklungsländer haben wird. In einer überraschenden Entscheidung hat der IWF in der letzten Woche Mexiko eine Unterstützung in Höhe von 47 Milliarden Dollar (36 Milliarden Euro) zugesagt. Dabei handelt es sich nach IWF-Angaben um das umfangreichste finanzielle Hilfspaket in der Geschichte des Fonds. Zum Einsatz kommt mit der flexiblen Kreditlinie (Flexible Credit Line, FCL) das erste Mal ein neues Instrument, dessen Vergabe anders als bisher nicht an besondere wirtschaftspolitische Bedingungen geknüpft ist. Die Rückzahlungsfrist beträgt bis zu fünf Jahren.

Nach Ansicht von Experten der Barclays-Capital sind Kolumbien und Peru sowie möglicherweise Brasilien weitere Kandidaten für außerordentliche Stützungsmaßnahmen durch den IWF in Lateinamerika. Doch gerade die brasilianische Regierung hatte erst in der letzten Woche wieder deutliche Kritik an den internationalen Finanzgremien geäußert. IWF-Experten seien fast alle 30 Tage in Entwicklungsländer gereist, um ihnen vorzuschreiben, wie sie welche Projekte umzusetzen hätten. Keiner der Fachleute habe aber etwa in den USA oder auch in Deutschland die Verhältnisse geprüft, erklärte Staatschef Lula da Silva am letzten Mittwoch bei der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums Lateinamerika in Rio de Janeiro. "Notfall-Maßnahmen reichen nicht mehr aus, um ein Finanzsystem zu ändern, das die Welt nahe an den Abgrund gebracht hat." Wie schon beim G8-Treffen in Heiligendamm und beim G20-Gipfel in London forderte der brasilianische Präsident eine grundsätzliche Reform des internationalen Finanzsystems und mehr Mitspracherechte für die Schwellen- und Entwicklungsländer.

Bisher wird das Entscheidungsrecht innerhalb des IWF über eine Quotierung geregelt, nach der den größten Geldgebern die meisten Stimmrechte zukommen. So halten alleine die USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien etwa 40 Prozent der Stimmen. Die darauf fußenden Entscheidungen führten in den von Krediten abhängigen Ländern während der letzten 30 Jahre zu einer immer tieferen Verschuldung und einer weiter wachsenden Abhängigkeit von internationalen Geldgebern. Diese Abhängigkeit nutzte der IWF um eine neoliberale Wirtschaftspolitik aufzuzwingen. Erst den neuen Linksregierungen in Lateinamerika gelang es die Schulden zurückzuzahlen und sich aus der Klammer des IWF zu befreien. Mit der Banco del Sur wurde eine eigene Entwicklungsbank gegründet. Ende März statteten Argentinien, Brasilien und Venezuela das Projekt mit einem Gründungskapital von 6 Milliarden US Dollar aus, wobei jedes Land den gleichen Anteil einbringt.

Laut einem Bericht von Ria Novosti haben Brasilien und Argentinien außerdem einen Vorschlag zur umfassenden Reformierung des IWF vorgelegt. Obwohl dessen Inhalt noch nicht öffentlich bekannt ist, unterstützte der bolivianische Präsident Evo Morales gestern diese Initiative. "Ich begrüße den Vorschlag Brasiliens und Argentiniens, den IWF durchgreifend zu reformieren, sowie eine Änderung im Herangehen der Weltbank (an die Lösung der Wirtschaftsprobleme)", sagte Morales auf seiner Pressekonferenz im UNO-Hauptquartier in New York. Er verwies auf die Ergebnisse der früheren IWF-Empfehlungen in Bolivien, welche die Krise in dem Land verschlimmert und schließlich den Zusammenbruch des politischen Systems 2003 ausgelöst hatten. Der IWF habe damals als Bedingung für die Gewährung von Anleihen eine Erhöhung der Steuern für Benzin und Konsumgüter gefordert. Dies führte zu einer wachsenden Unzufriedenheit, erlöste aber das Land nicht vom Haushaltsdefizit.