Amerikas

Zurück in den Kampf

Soziale Bewegungen in Mexiko: Aktivisten gegen Großflughafen nahe Mexiko-Stadt nach 22 Monaten aus der Haft entlassen

zuruck-in-den-kampf.jpg

Zurück in den Kampf
Polizeigewalt in Atenco: Die wahren Täter sind bis heute straflos

Mexiko-Stadt. Nach einem Jahr und zehn Monaten Haft sind mehrere Aktivisten gegen den Bau eines Großflughafens in Mexiko freigelassen worden. César del Valle Ramírez, Georgina Edith Rosales Gutiérrez und Rufino González Rojas konnten bereits am Samstag das Gefängnis Molino de Flores in Texcoco nahe Mexiko-Stadt verlassen. Wie weitere 25 Mitglieder der Volksfront zur Verteidigung des Bodens (FPDT) waren sie unter anderem des schweren Eingriffs in den Straßenverkehr angeklagt. Im Revisionsverfahren wurden sie vergangene Woche von allen Vorwürfen freigesprochen.

Die FPDT war von Anwohnern im Jahr 2001 aus Protest gegen den vom damaligen Präsidenten Vicente Fox angeordneten Bau eines Flughafens auf dem Gebiet des früheren Texcoco-Sees gegründet worden. Weil sich die Bundesregierung der Protestbewegung gegenüber taub stellte, kam es im Mai 2006 zu blutigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, als diese versuchte, eine Straßenblockade der FPDT zu räumen. Bei dem folgenden Angriff auf den besetzten Ort San Salvador Atenco wurden zwei Menschen getötet, Hunderte misshandelt und festgenommen. Mehrere Frauen wurden in der Haft vergewaltigt. Bis heute sehen sich die Bewohner von Atenco Gerichtsverfahren wegen »gemeinsamer Geiselnahme«, »schweren Eingriffs in den Straßenverkehr«, »unerlaubten Waffenbesitzes« und »Angriffen gegen die Staatsgewalt« ausgesetzt.

Die Freilassung der drei Aktivisten war ursprünglich für Freitagabend erwartet worden. Rund 300 Mitstreiter protestierten gegen die Verzögerung, indem sie mehrere Stunden lang mit Macheten und Holzlatten gegen die Umzäunung des Gefängnisses schlugen. Als del Valle Ramírez, Rosales Gutiérrez und González Rojas gegen halb vier Uhr morgens endlich die Gefängnismauern hinter sich ließen, erklärten sie - noch in Häftlingskluft, aber schon wieder mit Macheten in Händen -, weiter für die Verteidigung des Bodens und die Freiheit der weiterhin Inhaftierten zu kämpfen.

»Wir waren 22 Monate im Gefängnis, und am Ende haben sie uns entlassen, als wäre nichts gewesen«, so del Valle nach der Freilassung. Die Freiheit verdanke man nicht der Regierung, sondern dem »unermüdlichen Druck aller Organisationen, die uns unterstützt haben«. Den »Kampf gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse« wollen die nun Entlassenen fortführen - »ebenso wie in Oaxaca und Chiapas«, sagte der Aktivist mit Blick auf die dortigen sozialen Kämpfe.

Del Valles Vater Ignacio und die beiden anderen FPDT-Führer Héctor Galindo sowie Felipe Álvarez sitzen weiterhin im Hochsicherheitsgefängnis Almoloya de Juárez. Sie waren in einem von vielen Unregelmäßigkeiten begleiteten Prozess im Mai letzten Jahres wegen gemeinschaftlicher Geiselnahme zu jeweils 67 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Insgesamt sind immer noch 13 Menschen wegen der Vorkommnisse von San Salvador Atenco inhaftiert. Die eigentlichen Täter aus den Reihen der Polizei aber sind bis heute straffrei geblieben.

Nach sechs Jahren Präsidentschaft von Vicente Fox und anderthalb Jahren unter dessen Nachfolger Felipe Calderón erreichen die Zahlen politischer Gefangener in Mexiko historische Höchstwerte. Immer öfter werden soziale Protestbewegungen gewaltsam niedergeschlagen. Zu solchen Repressionen kam es während des EU-Lateinamerika-Gipfels in Guadalajara (Mai 2005), in San Salvador Atenco (Mai 2006), in Oaxaca (Mai bis Oktober 2006) oder während des Besuchs von US-Präsident George W. Bush in Mérida (2007).


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.