Abkommen mit Südamerika heute in EU-Parlament

Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru wird erstmals in einem Parlamentsausschuss diskutiert. Massive Konsequenzen befürchtet

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EU-Politik in Kolumbien
EU-Politik in Kolumbien

Brüssel/Bogotá. Knapp zwei Jahre nach der Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens der EU mit Kolumbien und Peru wird der Vertrag am heutigen Montag erstmals im Europäischen Parlament (EP) behandelt. Nach den Beratungen durch den Ausschuss für internationalen Handel (INTA) des EP werden die EU-Mitgliedsstaaten den Vertrag beraten. Menschenrechtsorganisationen in Europa und Lateinamerika kritisieren das Abkommen, denn im Laufe der Verhandlungen wurden nicht nur Ecuador und Bolivien aus dem angestrebten Assoziationsabkommen mit der Andengemeinschaft ausgeschlossen. Auch die Themenbereiche "Politischer Dialog" und "Entwicklungszusammenarbeit" fielen unter den Tisch.

Nun steht ein neoliberales Freihandelsabkommen zur Debatte, das vorwiegend (Groß-)Konzernen sowie der Agrarindustrie nutzen wird, wie die Kritiker befürchten. Dabei drohen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen sowie die Privatisierung öffentlicher Güter weiter beschleunigt zu werden. Das Abkommen ignoriere die menschenrechtliche Situation in Kolumbien und weist darüber hinaus selbst insgesamt erhebliche soziale und ökologische Risiken auf. Daher forderte Nohora Tovar, Vizepräsidentin der Metallgewerkschaft Fetramecol, bei einem Besuch in Berlin bereits vor einem Jahr: "Statt ihre Investitionen besser abzusichern, sollte die EU die kolumbianische Bevölkerung schützen."

Diese geht wegen der Öffnung sensibler Bereiche wie für massiv subventionierte Milch und Milchprodukte aus der EU bereits auf die Barrikaden. Viele kleinbäuerliche Viehhalterfamilien sehen sich vom Bankrott bedroht, wie in anderen Ländern des globalen Südens bereits geschehen. Auch droht sich die Situation auf dem Land zu verschärfen. Seit 1985 wurden über 4,6 Millionen Menschen, ein Zehntel der Bevölkerung Kolumbiens, zumeist von paramilitärischen Gruppen gewaltsam vertrieben. Das geraubte Land dient vorwiegend der expandierenden Viehwirtschaft, dem Abbau von Rohstoffen wie etwa Kohle oder Gold oder es werden Ölpalmen, Zuckerrohr und Kakao auf agroindustriellen Plantagen angebaut.

Für diese Produkte soll das Freihandelsabkommen den Weg in die EU ebnen. Zugleich sollen freizügige Marktzugangsregelungen und Vorzüge in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft sowie dem Bergbau- und Ölsektor zusätzliche Investoren in die Andenländer locken. Die Gewinne und Rohstoffe können dann frei zurück in die EU fließen, kritisieren die Gegner des Abkommens.

Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen können lediglich einem "Rat für Handel und nachhaltige Entwicklung" vorgetragen werden. Doch die Beschlüsse des Rates haben im Gegenteil zu internationalen Schiedsgerichtsentscheidungen keinen verbindlichen Charakter. Da nur die beteiligten Regierungen das Recht haben, den Rat anzurufen, wird die Anzahl der Beschwerden ohnehin überschaubar bleiben.

Nach der heutigen Beratung im EU-Parlamentsausschuss stimmt dieses Gremium am 20. Juni über das Abkommen ab. Im September soll dann das Parlament entscheiden.

Bis dahin können EU-Bürgerinnen und Bürger die Abgeordneten auffordern, das Abkommen "Nicht in meinem Namen" zu ratifizieren. Bei Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen stößt das Freihandelsabkommen auf breite Ablehnung. Seit November 2009 forderten bereits über 150 Organisationen aus den Andenländern und Europa gemeinsam in einer Erklärung "Keine weiteren Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten".