Mexiko / Menschenrechte

UNO: Regierung an Verschwindenlassen beteiligt

UNO-Arbeitsgruppe kritisiert Beteiligung staatlicher Funktionäre am Verschwindenlassen in Mexiko. Mexikanische Regierung will Maßnahmen ergreifen

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Plakat der zweiten Kampagne gegen das gewaltsame Verschwindenlassen in Mexiko
"Gefoltert, gedemütigt, ermordet, verschwunden": Aufruf zur Beteiligung an der zweiten Kampagne gegen das gewaltsame Verschwindenlassen in Mexiko

Mexiko-Stadt. Mexikanische Regierungsorgane- und Beamte waren am gewaltsamen Verschwindenlassen von mexikanischen Bürgern und Migranten beteiligt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der "Arbeitsgruppe gewaltsames und unfreiwilliges Verschwinden" (GTDFI) der UNO, der vor kurzem vor dem Menschenrechtsrat in Genf der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Nicht nur das organisierte Verbrechen, sondern auch staatliche Funktionäre und Polizeibeamte seien demnach am gewaltsamen Verschwindenlassen von Personen beteiligt. Die drei unabhängigen Experten der Arbeitsgruppe versicherten glaubwürdige und konkrete Informationen erhalten zu haben, die detaillierte Fälle gewaltsamen Verschwindenlassens beschreiben. Sie hatten Mexiko im März 2011 besucht.

Ein vorheriger, im Dezember 2011 erschienener Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission Mexikos (CNDH) legt die indirekte Beteiligung staatlicher Funktionäre an Angriffen auf Menschenrechtsaktivisten nah. Diese beauftragten demnach Mitglieder des organisierten Verbrechens, Aktivisten zu attackieren, um nicht selbst mit diesen Verbrechen in Verbindung gebracht werden zu können. Die CNDH dokumentierte in den Jahren 2005 bis 2011 27 Fälle ermordeter Menschenrechtsaktivisten. Die meisten Angriffe wurden in den Bundesstaaten Chihuahua, Chiapas, Oaxaca und Guerrero verübt.

An etwa neun Prozent der mehr als 11.000 entführten Migranten, die im Zeitraum April bis September 2010 registriert wurden, war das Nationale Institut für Migration (INM) und Polizisten aller drei Ebenen beteiligt, so der Bericht der CNDH. Entführungen werden vor allem von kriminellen Gruppen durchgeführt, die zum Teil mit direkter oder indirekter Unterstützung staatlicher Funktionäre agieren. In mehr als fünf Jahren der Regierung von Felipe Calderón habe das Phänomen des Verschwindenlassens, welches in Mexiko seit den 1970er Jahren existiert, einen neuen Impuls erfahren, schreibt die politische Wochenzeitschrift Proceso. Dieser liege im Erscheinen des organisierten Verbrechens und den geheimen Absprachen von Regierungsbehörden mit den verschiedenen Banden.

Laut Bericht der GTDFI, stieg die Zahl der Anzeigen "gewaltsamen Verschwindenlassens" von vier im Jahre 2006 auf 77 im Jahre 2010. Seit 2006 seien ca. 3.000 Menschen betroffen. Mexikanische Behörden und Institutionen dokumentieren die Fälle von "vermissten Personen" mit völlig unterschiedlichen Zahlen und Bezeichnungen. Die Zahlen schwanken zwischen 2.000 und 5.000 vermissten, verlorengegangenen, verschwundenen oder abwesenden Personen. Hinsichtlich der Diskrepanz dieser Daten wird deutlich, dass keine adäquate Erfassung und Registrierung der Fälle existiert. Der mexikanische Staat habe die Schwere des Problems der Gewalt nicht anerkannt, während diese auf internationaler Ebene große Aufmerksamkeit errege, heißt es weiter im Proceso.

In vielen Fällen verweigern die zuständigen Behörden die Aufnahme von Anzeigen in den ersten 72 Stunden des Verschwindens von Personen. Deren Familienangehörige haben oftmals keinerlei Vertrauen in Polizei und Behörden. Sie geben erst gar keine Anzeige auf, da sie wissen, dass die Beamten oft involviert sind. Daraus ließe sich ableiten, dass die Dunkelziffer der verschwundenen Personen weit höher liegt. Die GTDFI kritisiert weiterhin, dass in Mexiko eine einheitliche Politik fehle, um diesen Delikten entgegentreten zu können. Außerdem mangele es an einer umfassenden Registrierung und Untersuchung von Fällen der Entführungen, die in der Straflosigkeit enden. Dieses Versagen der Behörden, so stellt Amnesty International fest, können die vermeintliche Beteiligung von staatlichen Funktionären an Fällen gewaltsamen Verschwindenlassens nicht stoppen.

Die mexikanische Regierung reagierte unterdessen auf den Bericht der GTDFI. Sie wolle den Empfehlungen nachkommen und erkläre sich dazu bereit, alle Fälle zu untersuchen und einen Weg für eine adäquate und einheitliche Datenbasis von Fällen "verschwundener Personen" zu finden. Die GTDFI wurde dazu eingeladen eine eingehende Prüfung der Situation in Mexiko zu realisieren.