Chile: Regierung verschärft Repression

Wasserwerfer und Tränengas gegen hunderttausende Demonstranten. Gesetzesverschärfung gegen soziale Proteste. Studierende rufen zu Generalstreik auf

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Wasserwerfer gegen Demonstranten in Santiago de Chile
Wasserwerfer gegen Demonstranten in Santiago de Chile am 6. Oktober 2011

Santiago de Chile. Am Donnerstag wurde erneut eine Bildungsdemonstration mit über 200.000 Teilnehmern in Santiago de Chile mit Wasserwerfern

und Tränengas kurz nach dem Auftakt aufgelöst. Es gab über 130 Festnahmen und etliche Verletzte. Die Demonstration war die 35. seit dem Beginn der Proteste im Mai. Wie auch schon bei früheren Demonstrationen verweigerten Regierung und lokale Autoritäten auch diesmal eine offzielle Demonstrationserlaubnis.

Inhaltliche Gespräche mit der Regierung waren von den Studierenden- und Schülervertretern am Mittwoch ergebnislos abgebrochen worden. Regierungsvertreter hatten zuvor klar gemacht, dass es eine kostenlose Bildung – eine der Hauptforderungen der Protestbewegung - nicht geben wird.

Verschiedene Organisationen und Gewerkschaften wie der Studierendenverband, die Lehrervereinigung, die Vereinigung der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ANEF, die CUT und andere rufen für diesen Freitag und Samstag zu einem selbst organisierten Plebiszit auf, bei dem alle Bürger älter als 14 über die zentralen Forderungen der Protestbewegung abstimmen können. Die Befragung findet an verschiedenen Orten, wie z.B. Gewerkschaftslokalen, Schulen, Universitäten und öffentlichen Plätzen statt.

Die Regierung verschärft die Repression gegen die Protestierenden indes weiter: So zahlte sie in diesem Monat keine Stipendien an Studierende, die ihr Semester nicht bis zum nicht 7.10 abgeschlossen hätten und bestrafen damit diejenigen, die sich am Protest beteiligten.

Gleichzeitig will sie die Kriminalisierung der Proteste mit einem langen Katalog von Rechtsverschärfungen auch institutionell weiter verhärten: So will sie Besetzungen im Strafrecht als Straftatbestand mit Haftfolge festschreiben. Zudem sollen spontane Demonstrationen und Straßenblockaden härter sanktioniert werden. Die Polizei soll mehr Befugnisse bekommen, bzw. bisher bereits gängige Polizeipraxis soll nun legalisiert werden. Präsident Piñera erklärte dazu: „Wer den Frieden des normalen Lebens der Bürger angreifen will oder das öffentliche oder private Eigentum, wird einer härteren, festeren Rechtsprechung begegnen, welche Strafen festsetzen wird, die denen von Straftaten entsprechen.“

Repräsentanten der Protestbewegung protestierten heftig und denunzierten diese Verschärfung als Mittel zur Niederschlagung des Protests, aus Reihen der Opposition wurde das Vorhaben in eine Kontinuität mit der Diktatur gestellt. Es werde versucht die Polizei zu adeln, aus deren Reihen vor etwas mehr als einem Monat tödliche Schüsse auf einen Demonstranten abgefeuert wurden.

Neuesten Befragungen zufolge fallen die Umfragewerte für die rechts-konservative Regierung erneut: Ein Umfrageinstitut ermittelte, dass Präsident Sebastian Piñera nur noch 20% der Zustimmung in der Bevölkerung erhält, 66% stehen ihm ablehnend gegenüber. Laut einem mexikanischen Umfrageinstitut, das die Regierungsumfragen von 20 lateinamerikanischen Ländern verglich, erzielt Piñera damit das schlechteste Ergebnis in ganz Lateinamerika. Nach wie vor unterstützt eine überwältigende Mehrheit - neun von zehn Chilenen - die Forderungen der Protestbewegung.  

Für den 19.10. mobilisieren Schüler, Studierende, Lehrer, Gewerkschaften für einen landesweiten Generalstreik. In einer Pressekonferenz rief Studierendensprecherin Camila Vallejo „alle Organisationen auf die gegen die Repression sind“ zu weiteren Protesten auf.