Venezuela / Medien

Venezuelas Kino im Aufbruch

Venezuela feierte sein altes und neues Kino. Nationale Produktionen international immer erfolgreicher. "El Chico Que Miente" auf der Berlinale

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"El Chico que Mie
Auch auf der Berlinale zu sehen: die venezolanische Produktion "El Chico que Miente"

Caracas. Am vergangenen Wochenende feierte das venezolanische Kino im Theater Baralt in der Stadt Maracaibo seinen 114. Geburtstag. Im Jahr 1897 waren in dem 1998 wiedereröffneten Art-Deco Bau in der Landeshauptstadt Zulias die beiden ersten cineastischen Gehversuche Venezuelas gezeigt worden: "Célebre especialista sacando muelas en el Gran Hotel Europa" und "Muchachos bañándose en la laguna de Maracaibo". Mehr als ein Jahrhundert später ist der venezolanische Film erneut im Aufbruch. Auch dank der öffentlichen Filmförderung durch die Stiftung "Villa de Cine" und dem 2005 gegründeten Filmverleih "Amazonia Films" schafften es im vergangenen Jahr mehr venezolanische Filme auf die Leinwände als je zuvor.

Im Rahmen der Nationalen Filmtage werden nun in den kommenden drei Wochen zwölf nationale Produktionen in über 80 öffentlichen Gemeindekinos zu sehen sein. Premiere hat dabei auch der Film "El Chico que Miente", der im Wettbewerb "Generation" der Berlinale antritt. Der Film der peruanischen Filmemacherin Marité Ugas erzählt den Überlebenskampf eines 13-Jährigen nach den verheerenden Erdrutschen im Bundestaat Vargas im Jahr 1999. Diese großen Wunden in Venezuelas jüngerer Geschichte werden dabei aufgearbeitet.

In den letzten Jahren hatten venezolanische Filme bei internationalen Filmfestspielen bereits eine ganze Reihe von Preisen abgeräumt. Mit "Postales de Leningrado" (2007) und "Hermano" (2010) waren gleich zwei venezolanische Filme für den Oscar in der Kategorie bester ausländischer Film nominiert. Der Film "Venezzia" (2009) von Haik Gazarian, der über Venezuelas Erdöllieferungen während des zweiten Weltkriegs erzählt, gewann unter anderem in der Kategorie bester Film bei den internationalen Festivals in Amsterdam und Los Angeles. Mit "Havana Eva" (2010) räumte beim Festival Lateinamerikanischen Films in New York die Venezolanerin Fina Torres den Preis für den besten Film ab. Der Gewerkschaftsfilm "Macuro" (2009) wurde bei den Filmfestspielen in Malaga ausgezeichnet.

Filmemacher: große Kinobetreiber wie Großgrundbesitzer

Der venezolanische Filmemacher und Drehbuchautor Rodolfo Santana sieht die Entwicklung des venezolanischen Kinos trotz der Fortschritte der letzten Jahre jedoch weiterhin kritisch. Im Interview mit dem Kulturmagazin TodosAdentro kritisiert er vor allem die großen Kinobetreiber und vergleicht diese mit den Großgrundbesitzern am Maracaibo See. Deren Programmauswahl bedeute "ein kulturelles Sklaventum, indem der einzig repräsentierte Lebensstil derjenige ist, der FBI und CIA zu den Helden der Geschichte macht." Nicht nur das nationale Kino wird nach Meinung Santanas durch Hollywoods Vorherrschaft in venezolanischen Kinosälen unterdrückt, auch lateinamerikanisches und internationales Kino würde den Zuschauern vorenthalten. Santana fordert deshalb eine gesetzliche Quote.

Das dem Kulturministerium unterstehende "Centro Nacional Autónomo de Cinematografía" (CNAC) hat seit 2006 einen anderen Weg gegen die Dominanz der großen Kinoketten und Filmverleiher gewählt. In sieben Provinzhauptstädten wurden öffentliche Kinosäle gebaut, in denen neben venezolanischen Produktionen auch internationales Programmkino gezeigt wird. Zusammen mit den organisierten Nachbarschaftsräten wurden zudem landesweit mehr als 80 Gemeindekinos eingerichtet, die neben Filmvorführungen auch für andere kulturelle Events genutzt werden.

Auch ohne Quote reagierten private Medien mittlerweile auf die neuen cineastischen Angebote. Der 2008 als bester Film beim nationalen Filmfestival in Mérida ausgezeichnete "La Virgen Negra" lief zwischenzeitlich sogar im US-affinen venezolanischen Kabelfernsehen. "Cyrano Fernandez", eine zeitgenössische Adaption von "Die schöne und das Biest" wurde 2007 zum meistbesuchten Kinofilm des Landes.