Argentinien / Venezuela

Streit um die gelbe Muschel

Venezuela und Argentinien könnten sich die Shell-Raffinerie einverleiben

Niemand sei hinter Shell her, meinte Argentiniens Präsident Néstor Kirchner, als er vergangene Woche die Raffinerie des britisch-niederländischen Ölkonzern Shell schließen ließ. Es sei »ein reines Umweltproblem«.

Argentinien wirft Shell vor, unerlaubt stündlich 18,4 Millionen Liter Wasser aus dem Río de la Plata zu entnehmen. Zudem seien bei einer Kontrolle erhebliche Verschmutzungen im Erdreich festgestellt worden. Die Schließung kam nicht überraschend. Bereits Ende August hatte die Regierung damit gedroht.

Die Raffinerie ist die einzige, die Shell in Lateinamerika betreibt. Sie liegt auf einem 120 Hektar großen Gelände südlich von Buenos Aires am Kanal Matanza-Riachuelo. Das Gebiet gilt als hochgradig vergiftet, zahlreiche Ölfirmen und Chemiebetriebe leiten ihre Abwasser ungereinigt in den Kanal. Seit 90 Jahren ist Shell in Argentinien präsent und hält auf dem Treibstoffmarkt derzeit einen Anteil von 13 Prozent, fördert allerdings nicht selbst Rohöl, sondern muss jedes Barrel Öl kaufen. »Das Umweltrisiko ist nicht der Grund für die Schließung«, kommentierte Juan Jose Aranguren, der Vorsitzende von Shell Argentina, die Schließung. Denn neben der Raffinerie betreibt die gelbe Muschel, das Zeichen des Konzerns, 150 eigene und 750 Vertragstankstellen. Bereits 2004 hatte Petróleos de Venezuela Sociedad Anónima (Pdvsa) gemeinsam mit der argentinischen Empresa Nacional de Energía (Enarsa) versucht, Shell Argentina zu kaufen. Die beiden Staatsunternehmen hatten das Tankstellennetz im Visier. Anfang 2005 gab sich Venezuelas Präsident Hugo Chávez zuversichtlich: »Die Gespräche sind weit vorangekommen. Shell ist dabei, seine Investitionen in Lateinamerika zurückzuziehen, und wir wollen in der Region investieren.« Als Preis wurde eine Milliarde US-Dollar genannt.

Aus dem Deal wurde nichts. Und glaubt man dem Shell-Vorsitzenden, war er nie geplant: »Ich kann nur wiederholen, was ich schon 2004 gesagt habe. Wir bleiben in einigen Ländern der Region und eines davon ist Argentinien«, so Aranguren im August 2007.

Doch seither bläst dem Konzern der Wind kräftig gegen die Muschel. Im März 2005 wetterte Präsident Kirchner gegen Shell. Der Konzern hatte Preiserhöhungen an seinen Zapfsäulen angekündigt und dies mit steigenden Rohölpreisen durch die Irakkrise begründet. Kirchner rief zum Boykott auf: »Nicht eine Döse Öl« solle die Bevölkerung bei Shell kaufen. Einen Tag später blockierten regierungsfreundliche Arbeitslosenverbände 33 Shell-Tankstellen. Kurz darauf musste Shell die Preise senken.

Vor allem die Behörde von Guillermo Moreno, Unterstaatssekretär für den Inlandshandel, setzt Shell zu. 2007 wurden zwei Drittel der rund 800 Preis- und Versorgungskontrollen von seiner Behörde bei Shell vorgenommen. Aranguren nannte dies »diskriminierend« und schaltete entsprechende Anzeigen in Tageszeitungen.

Mittlerweile droht den Shell-Managern gar eine Haftstrafe, da einige Tankstellen im Winter keinen Treibstoff anbieten konnten. Die Regierung reagierte mit dem Vorwurf »vorsätzlicher Unterversorgung« und berief sich auf ein Gesetz von 1974, mit dem der damalige Präsident Juan Domingo Perón die Inflation bekämpfen wollte und Spekulanten mit Gefängnis drohte. Doch Juristen zufolge sei das Gesetz 1991 durch ein Notstandsgesetz außer Kraft gesetzt wurde.

Auch wenn die Regierung Kirchner jeden Verdacht von sich weist, es auf Shell Argentina abgesehen zuhaben. Möglich ist, dass der Präsident den Deal mit Venezuela noch in seiner Amtszeit 2007 unter Dach und Fach bringen möchte. Argentinien pflegt keine enge, sondern vor allem eine finanzielle Freundschaft zu Venezuela. Doch das Land hat auch ein strukturelles Energieversorgungsdefizit zu verwalten. Die Raffinerieschließung mag ökologisch zu rechtfertigen sein, doch im Wahljahr könnte der Schuss nach hinten losgehen.


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