Botschaft der Bewegung der wohnungslosen Arbeiter Brasiliens zum Jahreswechsel 2020/2021

Das seit Jahrzehnten härteste Jahr geht zu Ende. Trotz wichtiger politischer Erfolge ist 2020 vor allem vom Covid-19-Drama geprägt, durch das eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise ausgelöst wurde. Die Situation wurde verschärft durch widerrechtliches Verhalten der Regierung, durch Achtlosigkeit und völliges Fehlen von Verantwortlichkeit.

Demgegenüber blieb das MTST (Movimento dos Trabalhadores Sem Teto) – seit über 22 Jahren an der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter für das Recht und menschenwürdiges Wohnen – nicht untätig.

Im Laufe dieser Jahre waren mehr als 55.000 Familien bei unseren Besetzungen dabei. Es sind Menschen, die die hohen Mieten nicht mehr bezahlen konnten, die in Risikogebieten lebten, die Räumungen ausgesetzt waren oder provisorisch im Haus anderer wohnten und die ihre Hoffnung auf das MTST setzten.

Diese Familien gehören auch zu den Menschen, die am meisten unter dem Coronavírus leiden. Uns ist bewusst, dass gerade die Ärmsten, die Bewohner der Peripherie und der Favelas sowie die Obdachlosen in prekärer Wohnsituation, die Arbeitslosen mit fehlender sozialer Sicherheit, dass sie die Anfälligsten sind für die Folgen der Pandemie. Noch dazu sind sie ausschließlich auf das überlastete öffentliche Gesundheitssystem (Sistema Único de Saúde, SUS) angewiesen, um Coronatest und -behandlung zu bekommen. So durchlebt Brasilien auch eine schwere Krise der öffentlichen Sozial-und Gesundheitsfürsorge.

In dieser noch nie dagewesenen Notsituation brauchen wir Achtsamkeit und Vorsicht, vor allem brauchen wir Solidarität. Während die meisten der uns Regierenden der Situation bis heute nicht gerecht wurden, hat MTST schnell und effektiv reagiert und vielfältige Formen von Hilfe und Solidarität organisiert, besonders für diejenigen, die am meisten von der aktuellen Situation betroffen sind.

So haben wir in den Außenbezirken informelle Genossenschaften von Frauen gebildet, die Masken nähen und so ein kleines Einkommen haben. Wir haben ein Netzwerk solidarischer Fahrer:innen zur Verteilung von Hilfspaketen geschaffen, durch das mehr als 200 Tonnen durch Spenden finanzierter Lebensmittel zu den Bedürftigsten gebracht wurden. In unseren Gemeinschaftsküchen wurden Tausende von Mahlzeiten verteilt und umfassende rechtliche, psychologische und medizinische Unterstützung angeboten sowie Dutzende anderer Maßnahmen. So entstand ein brasilienweites Netzwerk zur Unterstützung von Menschen, die von unseren Regierenden keine oder nur unzureichende Hilfe bekamen.

Jetzt im Dezember, mitten in der zweiten Welle der Pandemie, die noch verheerender ist, als die erste auf ihrem Höhepunkt war, haben wir ein neues Solidaritätswerk begonnen, zu der wir auch international aufrufen.

Spenden können direkt überwiesen werden oder wieder über das Spendenkonto der Brasilien-Initiative Freiburg.

Wir danken für alle Partnerschaften und für die Unterstützung, welche uns hilft, gemeinsam ein integratives, gerechtes und solidarisches Netzwerk zu schaffen.

Wir hoffen, dass die folgenden Schlaglichter zu den Aktivitäten 2020 dieser Dankbarkeit ein Gesicht geben.

Wir bekräftigen unsere Solidarität und wünschen allen ein Jahr 2021 mit viel Engagement und Erfolg im Einsatz für ein besseres Brasilien, für eine bessere Welt.

Unsere Aktivitäten 2020 in Schlaglichtern...

Solidaritätsaktionen:

- Verteilung von 213 Tonnen Lebensmittel an 19.640 Familien im Landesinneren von 11 Bundesstaaten (finanziert durch Spendengelder, die MTST gesammelt hat), dazu Tausende Hilfspakete, die Partner und andere Organisationen gespendet haben.

- Hauptsächliche Zielgruppen: Hausbesetzungen und Basisgruppen von MTST sowie Comunidades, in denen wir tätig sind oder zu denen wir Kontakt haben.

- Jedes Paket enthält Flyer mit Informationen zur Pandemie, zu Vorsichtsmaßnahmen und zum Umgang mit den Alltagsmasken.

- Die Verteilung erfolgt durch Freiwillige (in São Paulo etwa 300, in ganz Brasilien über 500). Unter Beachtung aller Schutzmaßnahmen fahren die zu den telefonisch benachrichtigten Familien, sie nutzen den Kontakt, um die Bedürfnisse festzustellen, geben Hinweise zur Gesundheit und zu Vorsichtsmaßnahmen und geben auch politische Orientierung.

- verteilt wurden 290 Liter Hand-Desinfektionsmittel und 15.740 Hygiene-Kits.

- Schaffen von Einkommen: Genossenschaften von MTST-Frauen in fünf Bundesstaaten (SP, CE, RJ, SE, GO) zum Nähen und Verteilen von mehr als 110.000 Stoffmasken in ganz Brasilien, immer zusammen mit einem Flyer des MTST-Gesundheitssektors zu Gebrauch und Pflege der Masken.

- Verteilung von 156.000 Mahlzeiten, die täglich in zwölf Gemeinschaftsküchen von Hausbesetzungen in sechs Bundesstaaten (RJ, SP, MG, AL, SE, CE) zubereitet werden.

- Verteilung von 200 Kits für Schwangere in neun Bundesstaaten, begleitet von Infos über die Rechte schwangerer Frauen und Flyer mit weiteren Tipps.

- Verteilung der Hilfspakete durch ein dafür geschaffenes Netz solidarischer Fahrer:innen.

Gesundheitsaktionen:

- Wöchentliche Information via WhatsApp zu Vorbeuge- und Schutzmaßnahmen, zu Dehn- und weiteren Körperübungen.

- Bereitstellung einer Telefonnummer für allgemeine Fragen und zur Orientierung.

- Bereitstellung einer Telefonnummer für psychologische Hilfe.

- Erarbeitung und Verteilung von Broschüren mit Rat zu Fragen nach Gesundheit sowie zu Gebrauch und Pflege der Masken aus den Hilfspaketen.

- Intensivierung einer Partnerschaft mit der Organisation "Ärzte ohne Grenzen", verbunden mit Aktionen in der besetzten "Vila Nova Palestina" (im äußersten Süden von São Paulo) und der Favela "1001" in São Bernardo do Campo-SP.

Rechtsaktivitäten:

- Wöchentlicher Bericht über bestehende Rechte während der Pandemie: Zugang zur Nothilfe der Bundesregierung, Fragen von Arbeitsrecht, Räumungen usw.

- Bereitstellung einer Telefonnummer für rechtliche Unterstützung und Orientierung zu Arbeitsrecht und Räumungen.

- Eingaben beim Gericht von São Paulo und der Staatsanwaltschaft zur Unterbringung von Obdachlosen in Hotels, ferner zur Aussetzung der Ratenzahlungen des Wohnungsbauprogramms "Minha Casa Minha Vida" und zur Aussetzung von Räumungen während der Pandemie.

Weiterbildungsaktionen

- Wöchentlicher Podcast (PodOcupá) von MTST zu Fragen der gegenwärtigen Lage: politische und gesellschaftliche Szenarien, Reformen, Kampf und Widerstand des MTST, sowie verschiedene Themen zu den prekären Lebensbedingungen von Arbeiter:innen, mit Reichweite über die MTST-Basis hinaus: https://open.spotify.com/show/ 5fnmpe3C5puyTa1cCDZpIv

- Tägliches Audio des Bildungssektors für die Aktivisten der Bewegung in São Paulo (ca. 400 Personen) über Arbeit, Geschichte und Bedeutung wichtiger Persönlichkeiten im linken Spektrum sowie historische Fakten und Ereignisse: https://anchor.fm/mtstaudiosdiarios

- Kurs für die MTST-Koordination im Bundesstaat São Paulo: "Die Stadt, die wir wollen". Vier Online-Sitzungen via Zoom mit 30 Aktivisten zum Thema "Recht auf die Stadt" mit der Vorstellung internationaler Erfahrungen betreffend "Zugang zu Wohnraum und zur Stadt". Alle Teilnehmer erhielten anschließend die Kursunterlagen.

- Kurs des MTST-Frauenkollektivs: Drei Online-Sitzungen zum Feminismus, zur Geschichte und zu den Kämpfen des Feminismus in Brasilien, zum schwarzen Feminismus und zum basisbezogenen Feminismus. Anwesend Vertreterinnen der feministischen Bewegung und Amelinha Telles, einer Feministin, die während der Militärdiktatur verhaftet und gefoltert wurde und die heute mehrere Projekte zum Schutz von Frauen und gegen die Diktatur entwickelt.

- Kurs des Afrobrasilianer:innen-Kollektivs vom MTST: Ethnie und Gesellschaftsbeziehungen in Brasilien, mit Vertreter:innen verschiedener brasilianischer Schwarzenbewegungen.

Aufrechterhaltung der internen politischen Organisation und Artikulation des MTST:

- Wöchentliche Zoom-Sitzungen der verschiedenen Kollektive.

- Monatliche Sitzungen des Koordinationsteams vom MTST im Bundesstaat São Paulo.

- Zwei Sitzungen der Nationalkoordination des MTST.

- Kontakt mit der Basis durch tägliche Newsletter der MTST-Sektoren Gesundheit, Weiterbildung, Recht, Gemeinschaftsgärten, Architektur und Städtebau.

- Zweiwöchentliche Online-Sitzungen zur politischen, sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Situation.

- "Lives" in den sozialen Netzwerken von MTST-Führungspersonen, oft mit Gästen aus anderen Organisationen zu verschiedenen Themen der aktuellen Lage.

MTST – A LUTA É PRA VALER!

MTST – UNSER KAMPF GILT!

MTST – OUR STRUGGLE IS FOR REAL!