Kolumbien / Medien

Le Monde diplomatique undiplomatisch

LMD nahm Beitrag des kolumbianischen Kollegen Hernando Calvo Ospina aus dem Blatt

Angriff ist die beste Verteidigung, dachten sich die Herausgeber der deutschen Redaktion von "Le Monde diplomatique" (LMD) wohl, als sie in der Juli-Ausgabe einen Beitrag des kolumbianischen Kollegen Hernando Calvo Ospina aus dem Blatt nahmen. Der Beitrag wurde nicht in der Printausgabe, wohl aber auf der Internetseite mit einem Vorspann und einer abschließenden Stellungnahme veröffentlicht. Der Demokratie war genüge getan, die Blattlinie (die sich im Fall der deutschen Ausgabe von LMD immer wieder von der französischen Vorlage unterscheidet) war gerettet. Fall abgeschlossen, mag man meinen. Doch so einfach ist es nicht.

Ospina, der in Paris im politischen Exil lebt, hatte einen kurzen Text über die Organisation "Reporter ohne Grenzen" geschrieben, in dem er detailliert über die Finanzierung dieser "Nichtregierungsorganisation" durch die US-Regierungsstiftung "National Endowment for Democracy" berichtet. "Alle Informationen in diesem Artikel von H.C. Ospina sind richtig", schreiben die Zensoren. Auch wolle man nicht den Eindruck aufkommen lassen, "wir hätten den Beitrag von Ospina wegen seiner Kritik an RoG weggelassen", weil – anders als die französische Mutterredaktion – die deutschen Herausgeber der LMD mit den "Reportern ohne Grenzen" zusammenarbeiten.

Ja, aber warum dann die Zensur? In ihrem Begründungstext erkennt die Redaktion zwar an, dass die Kritik Ospinas faktisch einwandfrei belegt ist. Trotzdem wurde der Text in einer unredigierten Version nur im Internet, nicht aber in der Printausgabe veröffentlicht. Der einzige Vorwurf wird kryptisch formuliert: Die meisten Nichtsregierungsorganisationen könnten sich eben nicht "vollständig aus Spenden und sonstigen Einnahmen" finanzieren. Hier eine halbe Entschuldigung der Kooperation zwischen NED und den "Reportern ohne Grenzen", dort eine freundschafliche Rüge: Aus Sicht der Berliner Redaktion von "Le Monde diplomatique" sollte die NGO "solche Verbindungen" auflösen.

Zurück bleibt neben einem zensierten Beitrag nur ... Unverständnis. Der Umgang mit dem kritischen Artikel Ospinas verliert auch durch die halbherzige Veröffentlichung im Internet nicht an Brisanz. Offensichtlich konnte man sich bei den deutschen Herausgebern der LMD nicht durchringen, die Kritik an der Organisation abzudrucken, deren Begründer Robert Menard nachweislich in CIA-Kreisen verkehrt und die in weiten Teilen Lateinamerikas als Instrument der US-Großmachtinteressen gesehen wird. Weil in Deutschland vielen davon nicht bekannt ist, zählt sie hier (noch) als als aufrichtige Menschenrechtsorganisation. Und darin dürfte der eigentliche Grund für die Zensur liegen.

Und hier nun die Begründung der Berliner Redaktion der "Le Monde diplomatique«:

In der französischen Le Monde diplomatique erschien im Juli der Artikel "Quand une respectable fondation prend le relais de la CIA" von Hernando Calvo Ospina. In Ergänzung dazu verfasste der Autor einen Kurzbeitrag über "Reporter ohne Grenzen" (RoG), in dem es insbesondere um deren Verbindungen zum US-amerikanischen "National Endowment for Democracy" geht. Der Autor wirft RoG vor, dass sie als NGO von dieser durch die US-Regierung finanzierten Organisation Gelder bezieht, um ihre Arbeit zu finanzieren. Die Leserinnen und Leser der deutschen Ausgabe von Le Monde diplomatique wissen, dass wir auf Seite 4 regelmäßig die "Meldungen des Monats" zusammenstellen, die wir aus dem viel umfangreicheren deutsch- und englischsprachigen Material von RoG auswählen. Um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, wir hätten den Beitrag von Ospina wegen seiner Kritik an RoG weggelassen, veröffentlichen wir hier die deutsche Fassung seines Zusatztextes über RoG.

Soweit wir, die Berliner Redaktion von Le Monde diplomatique, erkennen können, sind alle Informationen in diesem Artikel von H. C. Ospina richtig. Und selbstverständlich kann man die Suventionierung von NGOs aus staatlichen Töpfen problematisch finden. Fest steht allerdings, dass die meisten NGOs sich und ihre Aktivitäten nicht vollständig aus Spenden und sonstigen Einnahmen finanzieren können. Deshalb müssen sie, damit der Verdacht der Abhängigkeit gar nicht erst aufkommt, ihre Finanzquellen diversifizieren. Die in dem Artikel genannten Zahlen lassen erkennen, dass RoG nicht von einer ihrer mannigfachen "politischen" Finanzierungsquellen abhängig ist. Nach wie vor kommt das meiste Geld ohnehin aus eigenen Aktivitäten und freiwilligen Spenden. Bedenklich erscheint uns allerdings, wenn Gelder von Organisationen bezogen werden, die in Bezug auf ein einziges Land bestimmte politische Ziele verfolgen (wie es etwa die Exilkubaner in Miami tun). Solche Verbindungen sollte RoG aus unserer Sicht auflösen.

Berlin, im Juli 2007

Und der Text von Hernando Calvo Ospina:

Finanzierung ohne Grenzen Von Hernando Calco Ospina

"Ja, wir erhalten Geld von der NED [National Endowment for Democracy, Anmerk. der Redaktion]. Und das bereitet uns nicht das geringste Problem", bestätigte Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RoG), am 18. April 2005 im Internetforum der französischen Zeitschrift Le Nouvel Observateur.(1)

Diese Art der finanziellen Unterstützung verstärkt die Zweifel an der "Unabhängigkeit der Organisation", die sich als Verfechterin der Meinungsfreiheit versteht. Darüber hinaus bezieht RoG auch beachtliche Beträge von der französischen Regierung. Von ihr kommen 11 Prozent des Jahresbudgets, weitere 15 Prozent trägt die Europäische Union, und eine unbekannte Summe kommt von Geldgebern aus den Medien und von Rüstungsfirmen.(2)

Erst nachdem die US-Journalistin Diana Barahona am 11. März 2005 in der Zeitung Northern California Media Guild einen Artikel zu dem Thema veröffentlicht hatte, fand sich auf der Internetseite von RoG ein Hinweis auf die Finanzierung durch die NED. "Diese Zuwendung stellt 2 Prozent unseres Budgets dar (...) und stammt vom US-Kongress, nicht vom Weißen Haus", stellte Ménard in einer Mitteilung im März 2006 klar.(3) In einem anderen Artikel vom Juli 2005 sagte er: "Wir erhalten kein Geld vom US State Department, der CIA oder von der Entwicklungsbehörde USAID."(4) Dass Ménard weder die Geschichte noch die Ziele der NED kennt und sich auch nicht der Tatsache bewusst ist, dass gerade das US State Department die Finanzierung der NED beim US-Kongress beantragt, ist nur schwer zu glauben.

In derselben Mitteilung gab Ménard auch zu, dass RoG weitere "Subventionen aus den USA" erhalten habe, und zwar vom Zentrum für ein Freies Kuba (CFC). Zwischen 2002 und 2005 erhielt RoG insgesamt 92 330 Euro aus dieser Quelle. Was Ménard nicht erwähnte: Fast alle Mittel des CFC stammen von der NED, und Otto Reich, eine historische Persönlichkeit der NED und der US-Außenpolitik in Lateinamerika, ist der Treuhänder von CFC. Ebenso wenig erwähnte Ménard, dass der CFC-Direktor Frank Calzón 1983 erster Präsident der Cuban American National Foundation (CANF) wurde. Oder dass Calzón in den Siebzigerjahren ein Anführer der Abdala-Gruppe war. Sie stand mit der Kubanischen Nationalen Befreiungsfront in den USA in Verbindung und war für eine Reihe terroristischer Attentate in verschiedenen Staaten, darunter Frankreich, Portugal und Kanada, verantwortlich.(5) Nachdem die RoG-Gründer Rony Brauman und Jean-Claude Guillebaud zurückgetreten waren, übernahm Ménard 1993 als drittes Gründungsmitglied die Gesamtleitung. Eine seiner ersten Amtshandlungen war eine Medienkampagne, mit der er die unbekannte Zeitung Oslobodjenje und ihren Chefredakteur in "Weltstars" verwandelte(6), obwohl ihre Auflage in Sarajevo gerade mal bei 300 Exemplaren lag. Es mag Zufall sein, doch zur gleichen Zeit hatte die NED mehrere Millionen Dollar in diese Publikation investiert, "um sie zum Leben zu erwecken".(7)

Es scheint, dass sich bei dieser Aktion die Interessen von Ménard und der NED zum ersten Mal überschnitten. In der Folge wurde dies immer üblicher. Um sich davon zu überzeugen reicht es, die Polemik der RoG zu betrachten, als die venezolanische Regierung die Lizenz für den privaten Sender Radio Caracas Televisión (RCTV) nach dem 27. Mai dieses Jahres nicht verlängerte. Vom gesetzlichen Standpunkt her war diese Handlung einwandfrei. Der Sender RCTV hatte beim Putschversuch gegen Präsident Hugo Chávez im April 2002 eine wichtige Rolle gespielt. Auf die "Schließung" von RCTV appellierte RoG aber unter Berufung auf einen "Angriff" gegen die Meinungsfreiheit an die internationale Gemeinschaft, "diese Gewaltanwendung zu verurteilen und die unabhängigen Medien, die es in Venezuela noch gibt, zu verteidigen".

Dabei wird nicht berücksichtigt, dass jeder Staat - unabhängig davon ob es sich um Venezuela, Frankreich, die USA oder andere handelt - das Recht hat, über seine öffentliche Güter, zu denen auch die Sendefrequenzen gehören, frei zu verfügen.(8) Doch trotz der Präsenz anderer venezolanischer Privatsender wie Globovisión, Venevisión, Televen oder CMT, klagte RoG am 28. Mai, Hugo Chávez habe den einzigen noch regierungskritischen Sender zum Schweigen verurteilt. Die anderen Sender müssen diesbezüglich für Ménard ein Ärgernis sein: denn auch wenn diese hin und wieder die Regierung anfeinden, bisher hat keiner so offen zum Sturz des Präsidenten aufgerufen wie RCTV.

  1. http://www.nouvelobs.com/forum/archives/forum_284.html.
  2. Bericht 2003: http://www.rsf.org/article.php3?id_article= 10589.
  3. http://www.rsf.org/imprimer.php3?id_article=16733.
  4. http://www.rsf.org/article.php3?id_article=14350.
  5. Enrique Encinosa, "Cuba en guerra. Historia de la oposición Anti-Castrista 1959-1993". Fondo Editorial de la Fundación Nacional Cubano Americana, FNCA, Miami 1994.
  6. Robert Ménard, "Ces journalistes que lon veut faire taire", Paris (Albin Michel) 2001.
  7. http://www.ned.org/about/nedTimeline.html.
  8. Siehe im Internet Le Monde diplomatique: "Désinformation sur le Venezuela": http://www.monde-diplomatique.fr/carnet/2007-05-30-Venezuela