In Kolumbien hat der Wandel begonnen

In weniger als einer Woche setzte die Regierung Petro eine internationale Agenda in die Praxis um, die Vertrauen in der Bevölkerung schafft. Auch eine Steuerreform wurde auf den Weg gebracht

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Am 20. August verfügte Petro per Dekret die Anerkennung der mit der ELN vereinbarten Protokolle für Friedensverhandlungen
Am 20. August verfügte Petro per Dekret die Anerkennung der mit der ELN vereinbarten Protokolle für Friedensverhandlungen

Am 7. August traten Gustavo Petro und Francia Márquez vor mehr als 100.000 Menschen ihr Amt als Präsident bzw. Vizepräsidentin Kolumbiens mit dem Versprechen an, das Land zu verändern.

Bereits ab dem ersten Tag der Regierungstätigkeit begannen, wie versprochen, die Umgestaltungen in diesem neuen Kapitel der Geschichte Kolumbiens.

So setzten die neuen Amtsträger in weniger als einer Woche eine internationale Agenda in die Praxis um, die zweifellos Vertrauen in der Bevölkerung schafft.

Gustavo Petro ernannte Amando Benedetti zum Botschafter in Venezuela und nachdem Nicolás Maduro Félix Plasencia als Chef der diplomatischen Vertretung Venezuelas in Bogotá berufen hatte, wurde die gemeinsame Grenze geöffnet und der Grenzverkehr von Personen aufgenommen. Das war eines der am sehnlichsten erwarteten Ereignisse angesichts der historischen geschwisterlichen Beziehungen zwischen den beiden Länder1.

Der neue Regierungschef sagte, Benedetti habe "die mühsame Aufgabe", die Beziehungen zu normalisieren und auch die vor Jahrzehnten vorhandene Institutionalität wieder herzustellen, damit beide Völker ihre Rechte wahren, Freiheiten garantieren und erreichen können, dass zwischen Kolumbien und Venezuela Reichtümer für beide geschaffen werden können.

Zudem bekräftigte die kolumbianische Regierung die Gültigkeit des "Gemeinsamen Kommuniqués", das bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Arabischen Saharauischen Demokratischen Republik am 27. Februar 1985 unterzeichnet wurde. Diese Beziehungen waren aufgrund einer Entscheidung der kolumbianischen Regierung seit dem Jahr 2000 "eingefroren", aber die neue Regierung hat sie auf der Grundlage des erwähnten Kommuniqués wieder aktiviert.

Darüber hinaus traf sich die Senatorin Gloria Flórez von der Kongresskommission für Internationale Angelegenheiten mit Raouf Almalki, dem Botschafter Palästinas in Kolumbien, den sie der Solidarität mit seinem Volk und der Anerkennung der Autonomie versicherte und die Notwendigkeit betonte, eine Agenda zum Wohle beider Völker auszubauen.

In Anwesenheit des Außenministers Bruno Rodríguez und des Botschafters von Kuba in Bogotá, Javier Caamaño, sowie weiteren Mitarbeitern des Außenministeriums der Insel, riefen 70 Abgeordnete aus allen Fraktionen des Kongresses die neue Parlamentarische Freundschaftsgruppe Kolumbien – Kuba ins Leben.

Der Frieden

Während des Wahlkampfes hatte Petro versichert, dass seine Regierung den "totalen Frieden" suchen würde und auf der Basis dieses in Politik umgesetzten Versprechens schickte er eine Delegation nach Kuba, um mit Blick auf den Beginn eines Dialogprozesses Kontakt mit Führungskräften der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) aufzunehmen.

Schon vier Tage nach seinem Amtsantritt traf eine von Außenminister Álvaro Leyva angeführte Kommission in Kuba ein, wo es ein Treffen mit der Führung der ELN gab. Der Kommission gehörten außerdem der Hochkommissar für den Frieden, Danilo Rueda, und Senator Iván Cepeda an.

Die Regierung anerkannte die Legitimität der ELN-Delegation für den Dialog bei der Suche nach Frieden an. "Folglich wird die Regierung alle politischen und juristischen Maßnahmen im Rahmen des nationalen und des internationalen Rechts ergreifen, um die Bedingungen zu gewährleisten, die die Wiederaufnahme der Gespräche mit der ELN gestatten, einschließlich der Anerkennung der Protokolle", erklärte Rueda.

Auf Kuba wurden sie von Präsident Miguel Díaz-Canel und von Außenminister Rodríguez empfangen, die die Unterstützung für den Frieden in Kolumbien bekräftigten.

Bei diesem bedeutsamen Treffen waren außerdem zugegen Carlos Ruiz Massieu, Sonderbeauftragter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen in Kolumbien; Jon Otto Brodholt, Sondergesandter des Königreichs Norwegen, Garantieland bei diesen Dialogen, und Monsignore Héctor Fabio Henao, Delegierter der Katholischen Kirche Kolumbiens.

Außenminister Leyva dankte Kuba für die Gastfreundschaft und die erneute Begleitung eines Friedensprozesses.

Er hob hervor, dass Kuba seit mehr als 40 Jahren, seit den 1980er-Jahren, auf seinem Territorium ununterbrochen Delegierte der kolumbianischen Regierungen empfangen hat, die versucht haben, Frieden mit den bewaffneten aufständischen Gruppen zu schaffen, die ebenfalls dort aufgenommen wurden.

Kuba sei die Wiege des Friedensabkommens von 2016 zwischen dem kolumbianischen Staat und den Bewaffneten Revolutionären Streitkräften Kolumbiens – Volksarmee (Farc-EP) gewesen, das schließlich als ein Beispiel für die ganze Welt betrachtet wurde, führte er aus.

"Dem Außenminister Bruno Rodríguez gegenüber haben wir klargestellt, dass Kolumbien die [durch die USA erfolgte] Einstufung Kubas als einen den Terrorismus unterstützenden Staat zurückweist, womit dessen Engagement für Frieden in Kolumbien und der Welt verleugnet werden soll", betonte Leyva. "Wir sind genau aus dem gegenteiligen Grund auf Kuba", sagte er.

Seine Regierung hoffe, "in diesem Land des Friedens die Gespräche mit der ELN wieder aufzunehmen, um den von Präsident Petro vorgeschlagenen Weg hin zum vollständigen Frieden zu gehen. Ein Dankeschön an die Republik Kuba für ihre Gastfreundschaft. Es ehrt uns sehr, hier zu sein", fügte er hinzu.

Gesetzesprojekte

In der ersten Woche der neuen, aus alternativen und linken Kräften gebildeten Regierung behandelte der Kongress zwei Gesetzesprojekte, die ebenfalls mit den Vorschlägen für einen Wandel in Kolumbien in Verbindung stehen.

Der Vorschlag einer Steuerreform ist im Kern darauf gerichtet, dass die Personen und Unternehmen mit den größten Einkommen mehr zum öffentlichen Haushalt beisteuern. Zum anderen geht es darum, das Fracking angesichts der mit diesem Verfahren verbundenen Risiken für die Umwelt in Kolumbien zu verbieten.

Nur Stunden nach der Amtseinführung legte Finanzminister José Antonio Ocampo einen Gesetzentwurf für eine Steuerreform vor.

"Der kolumbianische Staat hat eine historische soziale Schuld. Armut und Ungleichheit sind unverändert groß. Der Hunger ist zu einem Problem geworden, das inmitten der sozialen Tragödie, die Millionen von Kolumbianern erleben, besonders hervorsticht", betonte er.

Gemäß der Vorlage "gibt es keine soziale Gerechtigkeit, solange dies geschieht, und noch weniger, wenn zugleich Privilegien, ungerechtfertigte Steuervorteile und Mechanismen existieren, die Steuerflucht und Steuervermeidung ermöglichen".

Der Gesetzestext weist darauf hin, dass dieses Projekt einer Steuerreform zum Ziel hat, grundsätzlich in zwei Richtungen weiterzukommen: Erstens bei der Reduzierung ungerechter Steuerbefreiungen, derer sich Personen mit höherem Einkommen und einige Unternehmen erfreuen, und auf die Schließung von Schlupflöchern für Steuerhinterziehung.

Zweitens soll sichergestellt werden, dass ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Stärkung des Systems der sozialen Sicherheit zu finanzieren. Das soll durch Anpassungen des Steuersystems erreicht werden, die es erlauben, auf den Gebieten der Steuerprogression, Gleichheit, Gerechtigkeit, Einfachheit und Effizienz voran zu kommen.

"Diese von uns vorgeschlagene Reform erbringt 25 Billionen Pesos pro Jahr (ungefähr 5,795 Milliarden Dollar), aber wir erwarten, dass sich dieser Betrag mit der Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerflucht bis auf 50 Billionen Pesos jährlich erhöht (etwa 11,59 Milliarden Dollar), so wie es während des Wahlkampfes gesagt wurde", versicherte Ocampo.

Wird die Initiative angenommen wird, entsprächen die 25 Billionen Pesos 1,72 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahre 2023.

Dieses Reformvorhaben, das dem Kongress vorliegt, in dem Petro über eine Mehrheit verfügt, fokussiert auf eine substantielle Reduzierung der in den Einkommensteuerregeln für natürliche Personen vorgesehenen Ausnahmen, die vor allem die Steuerzahler mit den höchsten Einkommen begünstigen.

Auch wird eine gerechtere Behandlung bei den verschiedenen Arten von Nettoeinkünften erwogen, um eine Vereinfachung des Systems zu erreichen, sowie die Einführung einer Vermögenssteuer für die privilegiertesten Teile der Bevölkerung.

Das ist ein Vorhaben, das sich sehr unterscheidet von dem, das die Regierung von Ex-Präsident Iván Duque 2021 präsentierte, das den größten sozialen Aufruhr der letzten 70 Jahre in diesem Land auslöste, denn es sah eine höhere Besteuerung der Bevölkerung vor.

Andererseits plädierte Petro seit Beginn seines Wahlkampfes für die Hinwendung des Landes zu erneuerbaren Energien. In diesem Sinne rief er auch Lateinamerika zu einer effektiveren Integration insbesondere bei diesem Thema auf, um in der Region dem Klimawandel einheitlich entgegenzuwirken.

Die Vorlage all dieser, unter anderen auch von der Partei Comunes2 eingebrachten Vorschläge für den Übergang zum Frieden, geschah, während Parlamentspräsident Roy Barrera persönlich öffentliche Räume dieser staatlichen Institution und den Nuñezplatz, der den Sitz des Parlaments mit dem Präsidentenpalast Casa de Nariño verbindet, für das Volk freigab.

Odalys Troya Flores aus Kuba ist Prensa Latina-Chefkorrespondentin in Kolumbien

  • 1. Seit 2015 war der Grenzübertritt nur noch für Fußgänger gestattet. Nachdem Iván Duque im Januar 2019 den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó anerkannte, brach Caracas die diplomatischen Beziehungen ab
  • 2. “Comunes“ ist die Nachfolgepartei von Teilen der früheren Farc-Guerilla