Lateinamerika auf dem Weg zur Cannabis-Legalisierung?

Die Zulassung von medizinischem Cannabis in Chile und Kolumbien sowie ein Gerichtsurteil in Mexiko sind weitere positive Signale

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Seit Dezember darf jeder Erwachsene in Uruguay monatlich bis zu 40 Gramm Marihuana kaufen oder die Pflanzen selbst anbauen
Seit Dezember darf jeder Erwachsene in Uruguay monatlich bis zu 40 Gramm Marihuana kaufen oder die Pflanzen selbst anbauen

Nachdem Uruguay im Dezember 2013 als erster Staat weltweit angekündigt hat, den Anbau und Konsum von Cannabis vollständig zu legalisieren, begann in vielen Ländern eine breite Debatte über das Pro und Contra. In Kolumbien, Chile und Mexiko kündigten die Regierungen Ende des Jahres einige Gesetzesänderungen zur Entkriminalisierung von Cannabis an. Im In- und Ausland berichteten viele Medien euphorisch über diese Entwicklung. Die konkreten Modelle unterscheiden sich stark voneinander und stellen, möglicherweise abgesehen von Mexiko, jedoch nur einen längst überflüssigen ersten Schritt auf dem Weg zur Legalisierung dar.

Kolumbien: Geplante Freigabe von medizinischem Cannabis

So gab der kolumbianische Senat unlängst grünes Licht für ein Gesetzesvorhaben zur Legalisierung von Cannabis zu wissenschaftlichen, medizinischen und therapeutischen Zwecken. Nach intensiven Debatten und teils scharfer Kritik von Konservativen stimmte eine breite Mehrheit von 46 zu sechs Abgeordneten dafür. Damit dies umgesetzt werden kann, ist jedoch noch die Genehmigung durch das kolumbianische Repräsentantenhaus nötig. Die Abstimmung darüber soll im März 2016 stattfinden.

Der Gesetzesentwurf sieht den staatlichen Anbau und Verkauf von medizinischem Cannabis vor. Die Lizenzen zum Anbau soll ein Betäubungsmittelrat in Kooperation mit dem Justiz-, Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium vergeben. Nicht-lizenzierte Cannabisplantagen sollen weiterhin zerstört werden.

Die Regierung erhofft sich durch die Freigabe die Verbesserung der Lebensqualität von tausenden Patienten, die beispielsweise unter chronischen Schmerzen, multipler Sklerose, HIV oder Krebs leiden und deren Leiden durch den Konsum von Cannabis verringert werden könnte. "Cannabis unterdrückt Übelkeit und Erbrechen, es verstärkt den Appetit, verbessert die Lebensqualität, lindert den Schmerz. Es ist eine Substanz, zu der es genügend wissenschaftliche und medizinische Forschung gibt, um zu wissen, dass sie für diese Patienten eine Hilfe wäre", erklärte Senator Juan Manuel Galán, einer der Initiatoren des Gesetzesentwurfs.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos sprach sich bereits 2011 für eine Legalisierung von Cannabis sowie Kokain aus: "Eine neue Herangehensweise sollte ausprobiert werden, die dem gewalttätigen Profit ein Ende setzt, der mit Drogenhandel einher geht. Wenn das die Legalisierung bedeutet und die Welt denkt, das sei die Lösung, werde ich sie begrüßen. Ich bin nicht dagegen."

Aus dieser Perspektive betrachtet erscheint die jetzt geplante Freigabe von Cannabis zu ausschließlich medizinischen Zwecken als nicht weitreichend genug. Für schwerkranke Menschen stellt dieser Schritt eine längst überfällige Verbesserung ihrer Situation dar. Für den Großteil der Cannabiskonsumenten ändert sich jedoch nichts. Die Einnahmen, die den Drogenkartellen dadurch verloren gehen, fallen kaum ins Gewicht angesichts der beträchtlichen Mengen an Cannabis und Kokain, mit denen sie noch immer Geld auf dem Schwarzmarkt verdienen können, fernab von staatlicher Kontrolle. Allenfalls stellt die geplante Freigabe einen Anfang dar, auf dem man später aufbauen könnte. Zu hoffen bleibt, dass das Gesetz nächstes Jahr auch umgesetzt wird.

Chile: Kleine Veränderungen in einer restriktiven Drogenpolitik

Ähnlich verhält es sich in Chile, wo Präsidentin Michelle Bachelet Anfang Dezember einen Erlass unterzeichnete, der die staatliche Herstellung und den Verkauf von medizinischem Cannabis sowie eine stärkere Entkriminalisierung für andere Cannabiskonsumenten vorsieht.

Das Institut für öffentliche Gesundheit, eine Behörde des Gesundheitsministeriums, soll demnach die Herstellung von Cannabis, Cannabisharzen, -extrakten und –tinkturen genehmigen und kontrollieren. Die Ausgabe soll in drei Monaten in Apotheken nach Vorlage eines ärztlichen Rezeptes erfolgen. Ausgenommen von dieser Regelung sind Minderjährige, der Konsum an öffentlichen Plätzen ist ebenso nach wie vor verboten.

Ein positiver Nebeneffekt des neuen Gesetzes ist die Streichung von Cannabis von der Liste harter Drogen. Dies bedeutet zum einen geringere Strafen für Konsumenten, die bis dato sehr hart ausfielen und zwischen fünf und zehn Jahren Gefängnis lagen. Zum anderen wird die Strafverfolgung bis zu einer geringen Menge eingestellt. Als straffreier Eigenbedarf gilt demnach der Besitz von bis zu zwei Gramm Cannabis sowie der Anbau von einer Pflanze. Angestrebt waren ursprünglich der Besitz von bis zu zehn Gramm und der Anbau von bis zu sechs Pflanzen.

Trotz der Freigabe von medizinischen Cannabis rechnet die Regierung nicht mit einem starken Anstieg der Nutzer: "Ich glaube nicht, dass der Verkauf sehr stark sein wird, weil diese Produkte erhöhte Preise haben werden", so Jaime Burrows, Staatssekretär des Institutes für öffentliche Gesundheit. Ob dies sinnvoll ist, wird sich noch zeigen. Die Preise auf dem Schwarzmarkt sind unter anderem durch das Verbot so hoch, die Produktionskosten für größere Mengen von Cannabis fallen an sich relativ gering aus. Sind die staatlichen Preise für Cannabis nun höher als die auf dem Schwarzmarkt, besteht das Risiko, dass sich viele Schwerkranke mit geringem Einkommen eher für den illegalen Erwerb entscheiden werden. Sie sind zwar auf den medizinischen Nutzen von Cannabis angewiesen, können sich die staatlichen Preise aber noch weniger leisten. Hierdurch setzen sie sich zudem einem höheren Risiko aus, mit gefährlichen Streckmitteln versetztes Cannabis zu konsumieren und ihre Leiden damit eher zu verschlimmern anstatt sie zu verringern.

Pro-Cannabis-Organisationen zeigen erfreut über das neue Gesetz, kritisieren aber auch, dass es damit noch lange nicht getan sei und es nur einen Anfang darstelle. Diese Hoffnungen scheinen sich jedoch nicht zu erfüllen. So machte Juan Luis Castro, Vorsitzender des parlamentarischen Gesundheitsausschusses, deutlich, dass die Regierung keine weiteren Vorstöße in Richtung Legalisierung geplant hätte: "Ich sehe kein Szenario, in dem Marihuana in der klassischen Form des Joints hier in Chile legalisiert werden kann".

Mexiko: Bahnbrechendes Gerichtsurteil für die Legalisierung?

Ganz anders stellt sich die Situation in Mexiko dar, wo durch ein Gerichtsurteil das Totalverbot für den privaten Cannabisanbau und -konsum gekippt wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab vier Klägern Recht, die das Verbot als verfassungswidrig bezeichneten und mit der Einschränkung des Grundrechtes auf freie Persönlichkeitsentfaltung argumentierten.

Die Entscheidung des Gerichtes ist nicht mit einer Legalisierung gleichzusetzen, da bisher nur den vier Klägern der Anbau und Konsum gestattet wird. Sie schafft jedoch einen Präzedenzfall, auf den sich zukünftig andere Konsumenten berufen können. Weitere Anträge sind bereits eingereicht und auch in Zukunft denkbar.

Die mexikanische Regierung reagierte auf diese Entwicklung mit der Einrichtung eines technischen Ausschusses für Alternativen zur Regulierung von Marihuana. Bis Mitte kommenden Jahres soll dieser Ausschuss in Zusammenarbeit mit Fachkräften, Forschern und Beamten Fragen klären wie die nach der Prävention, Verbrechensbekämpfung, gesundheitliche Auswirkungen, individuelle Freiheit oder soziale Kosten und anschließend konkrete Vorschläge für eine Entkriminalisierung vorlegen. Damit ist der Weg für eine mögliche Legalisierung auch auf politischer Ebene geebnet.

In Mexiko tobt der Drogenkrieg nach wie vor mit voller Härte, seit 2006 sind ungefähr 70.000 Menschen dabei ums Leben gekommen. Nach dem UN-Drogenbericht 2015 wurden ungeachtet eines leichten Rückgangs in Mexiko neben den USA die größten Mengen Cannabis beschlagnahmt. Mexikanischen Behörden zufolge wird Cannabis sowohl für den lokalen Vertrieb als auch für den Weitertransport in die USA produziert.

Die aktuellen Veränderungen in der chilenischen, kolumbianischen und mexikanischen Drogenpolitik finden eingebettet in einen weltweiten Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik statt. Schon seit Jahren vertreten immer mehr Juristen, Politiker, UN-Vertreter und andere Spezialisten die Ansicht, dass der "war on drugs" gescheitert ist und die Legalisierung und staatliche Regulierung von Drogenkonsum und -handel die bessere Alternative darstellt. Gerade in Lateinamerika, das die Konsequenzen des seit Jahrzehnten brutal geführten Drogenkriegs bis heute stärker als jede andere Region der Welt zu spüren bekommt, findet diese Hoffnung auf Veränderung, auf eine mögliche Alternative immer mehr Befürworter. In der Gesetzgebung spiegelt sich dies noch nicht wider, auch wenn die Legalisierung medizinischen Cannabis‘ in Chile und Kolumbien und das Gerichtsurteil in Mexiko ein positives Signal für einen regionalen Richtungswechsel aussenden.