Kuba / Medien

"Wir brauchen eine kubanische Presse, die von den Journalisten selbst geleitet wird"

Die kubanischen Blogger Harold Cárdenas und Roberto Peralo fordern ein Mediengesetz und plädieren für eine stärkere Unabhängigkeit des Journalismus auf der Insel

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Startseite des Blog "La joven Cuba"
Startseite des Blog "La joven Cuba"

Harold Cárdenas und Roberto Peralo sind zwei Professoren an der Universität Matanzas, die eines Tages beschlossen, einen Blog zu schreiben und bis dahin war alles normal, wenn sie nicht in Kuba lebten. Ohne eine von der Regierung zugeteilte ADSL-Verbindung, wie sie einige kubanische Blogger haben und ohne freien Zugang zum Cibercafé der nordamerikanischen Interessenvertretung in Havanna, wie ihn die "unabhängigen Journalisten" nutzen, haben sie es in kaum drei Jahren geschafft, einen der in Kuba meistgelesenen Blogs zu betreiben, obwohl sich der Erfolg für sie fremd anfühlt und sie ihren Blog als einen unter vielen sehen.

Für einige anticastristische Sektoren von Miami sind sie sehr konservativ, während sie für einige Sektoren der kubanischen Bürokratie als hyperkritisch gelten. In einer so polarisierten Blogosphäre bekennen sie sich dazu, dass ihr Ziel nicht darin besteht, von irgendeinem Sektor anerkannt zu werden, sondern darin, dass sich die Lebenswelten der Menschen widergespiegelt sehen, da sie von Kuba aus für kubanische Leser schreiben.

Die erste, fast zwangsläufige Frage ist: warum schreibt ihr?

Roberto Peralo: Die Antwort ist, warum sollten wir es nicht tun, wir sehen das als staatsbürgerliche Teilhabe, eine Form des Beitrages zum sozialen Disput. In Kuba findet die interessante Debatte in den sozialen Netzwerken statt, ist aber leider sehr politisiert und polarisiert, entweder wird alles total kritisiert oder alles ist völlig perfekt und es fehlte einfach die Sichtweise des gewöhnlichen Bürgers.

Der Journalist nimmt die Kritikerrolle in der Bürgerschaft ein, übernehmen die Blogger zuweilen die Rolle der Journalisten?

Harold Cárdenas: Uns Bloggern ist unvermeidlicher Weise die Rolle zugewachsen, die Lücke zu füllen, die die Presse offen gelassen hat und teilweise sogar die Lücken, die die kubanische Zivilgesellschaft hinterlassen hat. Der Begriff der Zivilgesellschaft ist von der kubanischen Konterrevolution in Beschlag genommen worden, und die Reaktion des Staatsapparates darauf war der Verzicht auf die Zivilgesellschaft, ein äußerst schwerer Fehler, für den wir immer noch zahlen. Deshalb ist ein Großteil dieser Debatte, die in der Zivilgesellschaft und in den Medien stattfinden müsste, uns Bloggern zugefallen.

Wie kann man der Polarisierung entkommen, in der die kubanische Bloggersphäre lebt?

Roberto Peralo: Eines der Dinge, die an unserem Blog am meisten kritisiert worden sind, ist der Punkt, dass wir die Debatte offen lassen, jeder hat seine Meinung und solange sie mit Respekt und ohne Hintergedanken geäußert wird, veröffentlichen wir sie, denn statt zu sehen, wer die absolute Wahrheit hat, müssen Argumente geliefert werden, die Wahrheit bildet sich zwischen allen heraus.

Harold Cárdenas: Die Absicht besteht nicht darin zu schreiben, um die Zustimmung der einen oder der anderen Seite zu finden, die Absicht liegt vielmehr darin, die Interessen der Leute zu treffen, das heißt das, was die Leute reflektiert sehen wollen. Die Blogosphäre ist kein Raum der aktiven Veränderung, sondern ein bloßer Raum für Vorschläge, dort werden Diskussionsthemen vorgeschlagen, die dann zu realen Veränderungen führen können.

Blogger sind nicht immer Journalisten, sondern haben nur eine Ähnlichkeit mit den Profis der kubanischen Presse.

Harold Cárdenas: Wir brauchen in Kuba eine Presse, die von den Journalisten selbst geleitet wird. Die Kriterien für Vertrauenswürdigkeit, die häufig diejenigen sind, die sich durchsetzen, müssen nicht die bedeutendsten sein, sondern vornehmlich auf die Person zurückgehen, die am meisten über das Thema weiß.

Welches sind die Themen, die auf dem nächten Kongress der kubanischen Journalistenunion diskutiert werden sollten?

Harold Cárdenas: Das vorrangige Problem der kubanischen Presse liegt darin, dass sie aus Leuten besteht, die nicht nur journalistische Kriterien haben. Funktionärsentscheidungen üben ihren Einfluss auf die Presse aus, deshalb kann man die Schwächen, die die kubanische Presse aufweist, nicht dem kubanischen Journalismus zuschreiben, weil es eben viele äußere Faktoren gibt. Der Kongress kann ein erster Schritt dazu sein, bei den dringenden Notwendigkeiten voranzukommen, die der kubanische Journalismus hat. Die Lösung liegt aber in einem Funktionswechsel, der sehr schwierig zu vollziehen ist. Der Beweis dafür ist die Tatsache, dass Raúl Castro seit Jahren immer wieder sagt, dass eine Veränderung nötig ist und diese einfach nicht stattfindet.

Roberto Peralo: Viele Jahre lang hat die kubanische Presse ihre Rolle in der kubanischen Gesellschaft nicht wahrgenommen und nun verlangt man von ihr, eine wirkliche Rolle zu spielen, denn welche Macht hat denn ein Journalist vor Ort wirklich? Gar keine. Man verschließt ihm alle Türen und es passiert nichts. Es ist notwendig, ein Mediengesetz zu schaffen, das die Arbeit dieses Journalisten unterstützt.

War das Zusammentreffen, das ihr mit Vizepräsident Miguel Díaz-Canel hattet, eine Hilfe für euren Blog?

Harold Cárdenas: Das war eine Anerkennung der Arbeit der kubanischen Blogosphäre ganz allgemein. Unser Treffen mit ihm war etwas, das nicht geplant war, eine Zufälligkeit aufgrund der Polemik, die unser Fall zu jenem Zeitpunkt auslöste. Viele andere Blogs erleiden die gleichen Kriege, erleben die gleichen Rückschläge und Siege wie wir. Dass aber Díaz-Canel öffentlich für einen Blog das Gesicht hingehalten hat, stellt innerhalb der Kontinuität der Führung von Fidel und Raúl einen Wechsel dar. Aber Diaz-Canel geht ja auch mit einem Tablet zu den Sitzungen, dies stellt einen Bruch mit den traditionellen Formen dar, Politik zu machen. Der Inhalt ist der gleiche, aber die Form ist unterschiedlich und ich glaube, dass es notwendig war, dass sich die Formen geändert haben, weil sich auch die Zeiten sehr verändert haben.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

Harold Cárdenas: La Joven Cuba wird es solange geben wie notwendig. An dem Tag, an dem dies nicht mehr der Fall sein sollte, werden wir eine Belastung los, dann können wir uns unseren persönlichen Lebensprojekten widmen und die Tage werden ein wenig spannungsärmer sein. Aber auch über den Blog hinaus werden wir die politische Debatte weiterhin verfolgen.

Roberto Peralo: Das war alles ein bisschen zufällig, wir sind damit niemals einem persönlichen Ehrgeiz gefolgt oder haben gedacht, das wir irgendetwas dafür bekämen, wir haben das gemacht, weil wir Lust darauf hatten. Wir haben unsere Gegenwart organisiert und das kleine Sandkörnchen zur kubanischen Blogosphäre beigetragen, das wir beitragen konnten.