Mexiko / Menschenrechte

Schluss mit der strukturellen Gewalt

In Mexiko formiert sich eine Bürgerbewegung gegen den "Krieg gegen die Drogen"

Die derzeitige mexikanische Regierung des Präsidenten Felipe Calderón ist durch die Umsetzung militärischer Strategien gekennzeichnet, welche die Drogenkartelle des Landes mit dem sogenannten "Krieg gegen den Drogenhandel" konfrontieren sollen. Dieser "Krieg" ist weit davon entfernt positive Auswirkungen auf die mexikanische Gesellschaft zu zeitigen.

Stattdessen hat er sich in der Praxis zu Gewalt und systematischer Verletzung der Menschenrechte gewandelt. Organisationen wie Amnesty International bestätigen, dass in Mexiko "Armee und Polizei, die eingesetzt werden, um die organisierte Kriminalität und den Drogenhandel zu bekämpfen, im letzten Jahr (2010) für grobe Menschenrechtsverletzungen, Morde, Entführungen, Folter und willkürliche Inhaftierungen verantwortlich waren, aber bisher kein Soldat aufgrund dieser Straftaten verurteilt wurde."

Am 28. März diesen Jahres wurde in diesem Zusammenhang auch Juan Francisco Sicilia, Sohn des mexikanischen Dichters und Journalisten Javier Sicilia, im Bundesstaat Morelos getötet. Dieses Verbrechen, zusätzlich zu den mehr als 40.000 Toten und 10.000 Vermissten in den letzten vier Jahren, war Auslöser für die nationale Kampagne für einen Frieden mit Gerechtigkeit und Würde (Campaña Nacional por la Paz con Justicia y Dignidad), die am 8. Mai mit einem nationalen Protestmarsch begann. Diesem schlossen sich verschiedene Menschenrechtsgruppen und Einzelpersonen aus der ganzen Welt an.

Der Marsch war der Beginn der Formulierung eines nationalen Abkommens (Pacto Nacional), das aus sechs Punkten besteht:

  1. Aufklärung der Todes- und Vermisstenfälle und Benennung der Opfer
  2. Beendigung des  "Kriegs gegen den Drogenhandel" und Fokussierung auf die öffentliche Sicherheit
  3. Bekämpfung der Korruption und Straflosigkeit 
  4. Bekämpfung der ökonomischen Ursachen und damit der Rentabilität von Straftaten im Zusammenhang mit Drogenhandel 
  5. Hauptaugenmerk auf die Jugend 
  6. Wirksame Maßnahmen für die Wiederherstellung des sozialen Gefüges sowie der demokratischen Teilhabe

Mit der Unterzeichnung des Abkommens wird der zivilen Widerstand zusammengerufen und organisiert. Das Land soll, wie nach der Nationalen Bürgerbewegung, zurückerobert werden  und  "mit dem Ziel der gemeinsamen Arbeit für eine politische und soziale Agenda, die Probleme lösen kann, die aus dem Versagen der neoliberalen Ideologie entstanden ist", bekräftigte die Versammlung Juárez für einen Frieden mit Gerechtigkeit und Würde (Asamblea Juarense por la Paz con Justicia y Dignidad).

In einem zweiten Schritt, wird diese Bürgerbewegung1 vom 4. bis 9. Juni eine Nationale Bürgerkarawane für einen Frieden mit Gerechtigkeit und Würde (Caravana Nacional Ciudadana por la Paz con Justicia y Dignidad) durchführen. Diese wird von Cuernavaca – der Stadt, in der Sicilia getötet wurde – nach Ciudad Juarez führen. Die Stadt im Norden Mexikos leidet an einem derartigen Ausmaß an Gewalt, dass sich ein Großteil der Bevölkerung entschieden hat, in anderen Städten Zuflucht vor der Kriminalität zu suchen.

Trotz der Stärke und Bedeutung dieser Bewegung, befinden sich die Sozial- und Sicherheitspolitik der mexikanischen Regierung weiter auf dem Weg der Militarisierung des Landes und der stetigen Verschlechterung des sozialen Wohlergehens. Diese Annahme findet sich auch im Gesetzentwurf zur Nationalen Sicherheit bestätigt, welcher, wenn er – wie ursprünglich von Calderón vorgeschlagen – genehmigt wird, die Rechte des Einzelnen noch stärker angreifbar macht und das innerhalb einer tragischen Realität, die nicht auf die Folgen des Drogenhandels beschränkt bleibt.


Die Autorin Carla Vázquez Mendieta ist Mitarbeiterin des Regionalbüros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko.