In diesem Jahr hat die Dekade der Familienlandwirtschaft (2019-2028) der Vereinten Nationen (UN) begonnen. Weltweit sollen dadurch Aktionen gegen Hunger, Armut und Ungleichheiten gestärkt werden, wie es als Ziele in ihrer Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung festgelegt ist.
Die Initiative wurde von der UN-Generalversammlung an die Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation FAO und den Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) übertragen, mit Unterstützung anderer Organisationen, die zu dem Thema arbeiten.
Sie hat zum Ziel, Aktivitäten auf die Unterstützung bäuerlicher Familien zu konzentrieren, die die Besiedlungszentren der großen Mehrheit der Bewohner ländlicher Gebiete der Welt bilden. Diese Familien produzieren mehr als 80 Prozent der Nahrungsmittel, die die Weltbevölkerung konsumiert und leiden paradoxerweise am meisten unter Hunger.
Die FAO definiert die Familienlandwirtschaft als "eine Form, die land-, vieh- und forstwirtschaftliche Produktion, Fischerei und Aquakultur in den Händen einer Familie zu organisieren, die hauptsächlich von der Familienarbeitskraft abhängt und sowohl Frauen wie auch Männer umfasst".
"Eine Dekade, um das Leben der Bäuerinnen und Bauern zu verbessern" war der Titel der 6. Globalen Konferenz über dieses Thema, die vom 25. bis 30. März 2019 im spanischen Derio, Bilbao stattfand, wo sich landwirtschaftliche Organisationen, Zivilgesellschaft, Regierungen, internationale Organisationen, Forschungszentren und Genossenschaften aller fünf Kontinente versammelten.
Eine Woche später wird ein Vorbereitungstreffen für die offizielle Lancierung der Dekade in der italienischen Hauptstadt Rom am Sitz von FAO und IFAD stattfinden, bei dem eine gemeinsame Agenda für die nationale, regionale und globale Ebene über die konkreten zu erreichenden Inhalte verabschiedet werden soll.
In diesen zehn Jahren werden die Aktivitäten darauf gelenkt, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen und Allianzen zwischen Regierungen, landwirtschaftlichen Organisationen, ländlichen Verbänden, Kooperativen und Forschungszentren herzustellen.
Die Resolution, die grünes Licht für die Durchführung der UN-Dekade der Familienlandwirtschaft gab, wurde von 14 Ländern eingebracht und während der 74. Plenarsitzung der UN-Vollversammlung am 20. Dezember 2017 angenommen. Sie bekam die Unterstützung von 104 Ländern und baut auf dem Erfolg auf, den das Internationale Jahr der Familienlandwirtschaft 2014 hatte, welches das Interesse und die sich hieraus eröffnenden Perspektiven zeigte.
Zu der Initiative trugen auch das World Rural Forum 1, die FAO, der IFAD und das Interamerikanische Kooperationsinstitut für die Landwirtschaft (IICA) bei, mit der Unterstützung von mehr als 300 Organisationen, vor allem der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños , Celac), der auf Familienlandwirtschaft spezialisierten Versammlung (Reunión Especializada en Agricultura Familiar) und der Gemeinschaft portugiesischsprachiger Staaten.
Die mit dem Thema befassten UN-Organisationen unterstreichen, dass über 90 Prozent der 570 Millionen landwirtschaftlichen Betriebe auf der Welt von einem Individuum oder einer Familie betrieben werden. Von ihnen hängt die gegenwärtige und zukünftige Ernährungssicherheit der Welt ab. Nach Ansicht des FAO-Generaldirektors José Graziano da Silva ist die Familienlandwirtschaft eine wesentliche Alliierte in der Entwicklungsstrategie, sowohl in ihrem Potenzial zur Überwindung von Armut, Hunger und allen Formen von Fehlernährung, als auch in der Erhaltung der natürlichen Ressourcen und der Biodiversität.
Der zentrale Aspekt, der gleichzeitig die größte Herausforderung darstellt, ist die engagierte Verpflichtung, die die Regierungen übernehmen müssen, um Ressourcen für diese Bevölkerungsgruppen bereitzustellen und öffentliche Politiken zu entwickeln, die die FAO als "differenziert, effektiv und intersektoral" definiert, wie auch einen sozialen Dialog mit allen Beteiligten zu führen, die einen Impuls für eine erfolgreiche Strategie geben.
Obwohl die UN in den Ausführungen zu ihrem Vorschlag wichtige Fortschritte in vielen Ländern anerkennen, die ausgeweitet und gestärkt werden müssten, liegt für sie die Aufgabe darin, die Ausarbeitung öffentlicher Politiken anzustoßen, die die Familienlandwirtschaft bevorzugt behandeln, einschließlich der Gründung nationaler Komitees zu diesem Zweck.
Die Resolution erkennt als Teil des Konzepts von Familienlandwirtschaft "die Bedeutung der Fischwirtschaft und nachhaltiger Aquakultur für die Ernährungssicherheit und die Nahrung" an und betont auch die Bedeutung der verschiedenen (nördliche, gemäßigte und tropische) Arten von Wäldern. Außerdem hebt sie hervor: Die Umsetzung von Politiken zur finanziellen Einbindung von Kleinbauern (wie Kleinkredite), die Anerkennung der kleinbäuerlichen Familienbetriebe zur Verbesserung der Ernährung und zur Gewährleistung der globalen Ernährungssicherheit sowie die Förderung von menschenwürdiger ländlicher Beschäftigung.
Im Konzept dieser Agrarpolitik geht die Familienlandwirtschaft auch Hand in Hand mit der Förderung und Bewahrung des historischen, kulturellen und natürlichen Erbes und den traditionellen Brauchtümern. Das heißt, es geht um eine bäuerliche Familienlandwirtschaft, die sich auf den Schutz der bio-kulturellen Charakteristika fokussiert, auf die Förderung der Herkunft und auf den Erhalt der Vielfalt der Kleinbauern.
Dies geschieht durch eine angemessene Wertschätzung der biologischen und kulturellen Vielfalt eines Territoriums, über neue Formen öffentlich-privater Verwaltung, in die die Kleinbauern eingebunden sind, welche den Schwerpunkt legt auf eine nachhaltige Entwicklung des Territoriums mit Qualitäts- und Herkunftssiegel für alles, was produziert wird.
Die Dekade der kleinbäuerlichen Landwirtschaft richtet sich darauf, den Zugang für die Mitglieder dieser Produktionsform zu den natürlichen Ressourcen und zu den Produktionsmitteln – vor allem Land, Wasser, Saatgut –, zu angemessenen Instrumenten des Risikomanagements und zur Förderung inklusiverer Produktmärkte zu gewährleisten.
Auch berücksichtigt sie die Stärkung von Mechanismen des sozialen Schutzes und bietet öffentliche Anreize für Initiativen der Agrarökologie und zur Anpassung an den Klimawandel.
Indem traditionelles Wissen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen kombiniert wird, werden ökologische und soziale Ansätze gegeben, die eine bessere und nützlichere Interaktion zwischen den Pflanzen, Tieren, Menschen und der Umwelt ermöglichen.
Weitere wesentliche Inhalte in der vereinbarten Strategie zur UN-Dekade der Familienlandwirtschaft sind, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen auf dem Land zu fördern und Jugendliche in die Strategien einzubeziehen; gesetzliche und institutionelle Rahmen zu etablieren, die die Nahrungs- und Ernährungssicherheit konsolidieren. Die Initiative verbindet sich mit der aktuell laufenden UN-Aktionsdekade über Ernährung (2016-2025), die sich auch einordnet in das zweite Nachhaltige Entwicklungsziel (SDG 2) der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, und in die Erklärung von Rom von 2014, die darauf abzielen, das Grundrecht auf angemessene Ernährung zu garantieren.
Es ist bekannt, dass der Kampf gegen die Mangelernährung in allen ihren Formen eine der größten Herausforderungen ist, mit denen alle Länder konfrontiert sind. Es handelt sich um ein Übel, unter dem fast jeder dritte Mensch auf der Erde leidet, sei es durch Unterernährung, durch Mangel an den nötigen Vitaminen und Mineralien, durch Übergewicht und Fettleibigkeit sowie ernährungsbedingte, nicht-übertragbare Krankheiten.
Auxtin Ortiz, Direktor des World Rural Forum bewertete die Durchführung der UN-Dekade als "immense Gelegenheit, die nun genutzt werden sollte". Sie sollte sich vor allem auf Frauen und Jugendliche auf dem Land konzentrieren, als den grundlegenden Akteuren einer Familienlandwirtschaft.
Ortiz ist der Auffassung, dass die zugrundeliegende Deklaration es erlaubt, das Thema zehn Jahre lang "ganz oben auf die politische Agenda" zu setzen und außerdem für die in der Familienlandwirtschaft Tätigen weltweit eine große Sichtbarkeit und Anerkennung zu bewirken.
Es liege an uns, so Ortiz, dass diese Gelegenheit sich in konkreten Fortschritten niederschlägt, die es erlaubten, das Leben der Bauernfamilien auf der Welt zu verbessern. Seitens des World Rural Forum würden diesbezüglich mehr und bessere öffentliche Politiken erwartet, um Chancen für bäuerliche Gemeinden zu schaffen, so dass sie eine bessere Zukunft aufbauen können.
Die FAO weist darauf hin, dass die Familienlandwirtschaft ein Schlüsselsektor ist, um den Hunger zu beseitigen und eine Wende hin zu nachhaltigen Landwirtschaftssystemen in Lateinamerika und der Karibik sowie auf der ganzen Welt zu erreichen.
Die Kleinbauern sind Verbündete der Ernährungssicherheit und Protagonisten in der Anstrengung der Länder, eine Zukunft ohne Hunger zu erreichen
In Lateinamerika und der Karibik gehören ungefähr 80 Prozent der Betriebe Kleinbauernfamilien, die über 60 Millionen Personen umfassen, weshalb sie laut FAO eine der Haupt-Beschäftigungsquellen ist.
Sie produzieren nicht nur die Mehrheit der Nahrungsmittel für den internen Konsum der Länder der Region, sondern entwickeln in der Regel vielfältige landwirtschaftliche Tätigkeiten, wodurch ihnen eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der ökologischen Nachhaltigkeit und der Erhaltung der biologischen Vielfalt zukommt.
Der FAO-Publikation "Familienlandwirtschaft in Lateinamerika und der Karibik: Politikempfehlungen" zufolge ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft auch eine Schlüsselaktivität bei der Reaktivierung ländlicher Ökonomien, indem sie Stabilität und soziale Verwurzelung wie auch neue Entwicklungshorizonte schafft, vor allem für Jugendliche auf dem Land.
Ein anderer grundlegender Aspekt für die regionale Ernährungssicherheit ist die Bedeutung, dass Kleinbauern Zugang zu Märkten und Wertschöpfungsketten haben, denn je bessere Möglichkeiten sie zur Vermarktung ihrer Produkte haben, desto größer wird die Verfügbarkeit besserer Nahrungsmittel zu fairen Preisen, was der gesamten Gesellschaft zugute kommt.
In diesem Sinn sieht die FAO die Diversität dieses Agrarsektors als beträchtlich an: Es gibt Produzenten, die sich organisieren und in die lokalen und nationalen Dynamiken einbringen und dadurch substantielle Fortschritte erzielen; während andere es erreicht haben, ihre Produktion an die öffentliche Verwaltung zu verkaufen, um Schulkantinen und Krankenhäuser zu versorgen; wieder andere haben es geschafft, nationale Barrieren zu überwinden und ihre Produkte zu exportieren.
Die erwähnten Fortschritte bedürfen laut FAO eines für die Entwicklung des Sektors günstigen Umfelds von politischen Maßnahmen und Gesetzen sowie die Stärkung der Institutionen, die die Familienlandwirtschaft unterstützen.
Dies betreffe nicht nur die Ministerien, Parlamente und Präsidenten, sondern beinhalte auch die Konsolidierung lokaler Verbände und den Aufbau von Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren.
Die bäuerlichen Familienbetriebe brauchen, um bessere Bedingungen zu erreichen, die Zusammenarbeit von Regierungen, internationalen Organisationen, regionalen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, dem Privatsektor und Forschungszentren.
Quelle: Prensa Latina
- 1. Das World Rural Forum ist ein Netzwerk von Landwirtschaftsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen und Forschungszentren in über 60 Ländern, die sich mit Familienlandwirtschaft befassen