Der Krieg als Geschäft in Kolumbien und Mexiko

Hinter den Begriffen Sicherheit, Befriedung und Kampf gegen den Drogenhandel steht das Milliardengeschäft mit Waffen

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Vom Geschäft mit dem Krieg in Mexiko und Kolumbien profitiert der Militärisch-Industrielle Komplex
Vom Geschäft mit dem Krieg in Mexiko und Kolumbien profitiert der Militärisch-Industrielle Komplex

Mit der Umsetzung des "Plan Colombia" und der "Initiative Mérida" in Mexiko hat sich der Zustrom von Waffen, Militärausrüstungen und nachrichtendienstlicher Software in beiden Ländern wie niemals zuvor verstärkt.

Hinter den Begriffen Sicherheit, Befriedung und Kampf gegen den Drogenhandel steht das Milliardengeschäft mit Waffenlieferungen, das beide Länder Leben und Ressourcen kostet. Sowohl Mexiko als auch Kolumbien haben enorme Summen ihres Staatshaushaltes für den Kauf von Militärausrüstungen und -technologie aufgewendet, die nicht nur dazu dienen, den Drogenhandel zu bekämpfen sondern auch dazu, Menschenrechtsaktivisten und Mitglieder von sozialen Bewegungen intensiv zu verfolgen.

Besonders in Mexiko bedeutet die Nähe zu den USA seit mehr als einem Jahrzehnt unter anderem den stetigen und anwachsenden Zustrom von Waffen und Militärausrüstungen an die Regierung, aber außerdem auch den illegalen Zustrom von Waffen an den Drogenhandel, der dieselben Lieferanten hat.

Kolumbien - das Geschäft mit der Sicherheit

Die Umsetzung des "Plan Colombia" ab Ende der 1990-er Jahre und Anfang 2000 wurde mit dem Machtantritt von Álvaro Uribe abgeschlossen, der das Land ab dem Jahr 2002 unter dem diskursiven Rahmen der "Sicherheit" regierte und eine Politik "der harten Hand" gegen den "Terrorismus" exekutierte.

Als "Terrorismus" identifizierte man nicht nur die Akteure des bewaffneten Konfliktes (Guerillas, paramilitärische Gruppen, Drogenhandel), sondern der Begriff schloss auch die "Terroristen in Zivil" ein , das heißt Journalisten, Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Verteidigung der Menschenrechte und regierungskritische Gewerkschafter. Der Kampf gegen die Aufständischen wurde mittels einer starken Ausweitung der Militärausgaben geführt. 1990 beliefen sich diese auf 2,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), mit dem Beginn des "Plan Colombia" verdoppelte sich ihr Anteil,, im Jahr 2000 waren es 4,4 Prozent und 2008 erreichten die Militärausgaben mit 5,7 Prozent des BIP ihr höchstes Niveau.

Laut Privacy International werden gegenwärtig US-amerikanische Geldmittel, Material und Ausbildungskapazitäten für die Eliteeinheiten der kolumbianischen Geheimdienste zur Verfügung gestellt. Obwohl die kolumbianische Gesetzgebung den in Kolumbien von lokalen Herstellern für die Bereiche Sicherheit und nationale Verteidigung produzierten Gütern den Vorrang einräumt, erlaubt es das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kolumbien aus dem Jahr 2006, die US-Unternehmen bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen wie lokale zu behandeln. Auch Israel ist ein wichtiger Waffenlieferant. Das israelisch-US-amerikanische Unternehmen Verinth Systems lieferte die Abhör-Infrastruktur, die seit 2005 vom DAS (Departamento Administrativo de Seguridad, bis 2011 der Inlandsgeheimdienst) der DIPOL (Dirección de Inteligencia Policial, nachrichtendienstliche Abteilung der Bundespolizeibehörde) und der DIJIN (Dirección de Investigación Judicial, Direktion für Justizermittlungen und Interpol) genutzt wird . Verinth Systems Ltd. ist der israelische Partner von Verinth Systems Inc. mit Sitz in den USA.

Die Daten des Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstitutes (Sipri) zeigen, welches (zwischen 2001 und 2016) die am meisten von Kolumbien aus den USA und Israel importierten Waffen waren: Lenkbomben, Python-Raketen, Kfir-Flugzeuge, gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Sand Cat, Herkules-Flugzeuge, Hubschrauber, Panzer und Systeme zur Bodenaufklärung. Im Jahr 2016 beliefen sich die Importe auf 73,169 Millionen US-Dollar, 2015 auf 71,1 und im Jahr 2014 auf 119,2 Millionen. Der enorme Verteidigungshaushalt Kolumbiens hatte aufgrund der Spannungen zwischen Kolumbien und Venezuela auch regionale Implikationen, insbesondere während der Regierungszeit von Álvaro Uribe.

Andererseits dient die von kolumbianischen Einrichtungen im Privatsektor erworbene Spionagetechnik der Überwachung von Netzwerken und der taktischen Überwachung. Die kolumbianische Regierung kauft die für Netzwerk-Abhörprogramme erforderlichen Sonden und Überwachungszentren von großen internationalen Anbietern. Sie tut dies mittels kolumbianischer Unternehmen, die Exklusiverträge haben, um Produkte bestimmter internationaler Anbieter (oder ihren Vertretern) in direkten Verträgen mit Regierungs-Kunden zu vertreiben .

Dazu zählen unter anderen: Verinth Systems und die Handelsgesellschaft Curacao von Kolumbien, das US-Unternehmen Dreamhammer und seine Vertretung in Kolumbien, Emerging Technologies Corporation; das britische Unternehmen Smith Myers Communications und seit 2010 seine Vertretung STAR; die US-Firma Harris und die kanadische Allen-Vanguard mit der Firma Eagle Commercial SA als ihrer gemeinsamen Vertretung. Es ist üblich, dass sich kolumbianische Unternehmen von internationalen Lieferanten "Material leihen", um Produktpräsentationen bei möglichen Regierungs-Kunden zu veranstalten. Eine andere Option ist, bei Ausschreibungen als Repräsentanten ausländischer Unternehmen aufzutreten und dabei eine zeitweilige Verbindung einzugehen, um die technischen Anforderungen der Ausschreibung besser erfüllen zu können. Diese Verbindungen lösen sich dann üblicherweise zum Ende des Vertrages auf.

Mexiko und der (il-) legale Waffenhandel

Seitdem die mexikanische Regierung dem Drogenhandel den Krieg erklärt hat, wuchs das Waffengeschäft in außergewöhnlichem Umfang an. Die hauptsächlichsten Waffenverkäufer an die mexikanische Regierung sind: Sig Sauer und Heckler und Koch (Deutschland), Colt Defense, Glock Inc., US Ordenance Inc., Trijicon Inc. (USA).

Der Waffenhandel ist eines der größten Probleme für Mexiko, denn es befindet sich schon unter den Ländern mit den höchsten Indizes von Tötungsdelikten mit Feuerwaffen und übertrifft dabei sogar die USA. Dazu kommt die Lieferung von nachrichtendienstlicher Technologie seitens US-amerikanischer und israelischer Unternehmen, die nicht nur dazu dient, den Drogenhandel zu bekämpfen sondern auch Menschenrechtsaktivisten, führende Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft , Journalisten und Mitglieder von sozialen Bewegungen auszuforschen.

Laut Sipri steigerte Mexiko seine Waffenimporte zwischen 2012 und 2016 um 180 Prozent und ist nach Venezuela bereits der zweitgrößte Waffenimporteur in Lateinamerika, während Chile, Brasilien und Kolumbien ihre Ausgaben reduzierten.

In den Jahren 2015 und 2016 beliefen sich die zwischen der mexikanischen Regierung und Waffenherstellern in den USA abgeschlossenen Verträge auf ungefähr 276 Millionen Dollar. Dazu kommen noch die anderen Verträge mit Privatunternehmen aus den USA, die Leistungen im Bereich der Verteidigung von mehr als 560 Millionen Dollar erbringen, was die Lieferung von Hubschraubern, Flugzeugen sowie Ausrüstung an Militär- und Polizeikräfte einschließt, die Taktiken der Aufstandsbekämpfung anwenden.

Schätzungen zufolge passieren jährlich durchschnittlich 253.000 Waffen die Grenze zwischen Mexiko und den USA. Der weitaus größte Teil der Waffen stammt aus den Südstaaten der USA. Ungefähr 70 Prozent der von mexikanischen Behörden beschlagnahmten Waffen werden danach von der Behörde für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen (ATF) der USA übernommen.

Man weiß, dass 39 Prozent aus Texas kommen, 20 aus Kalifornien, zehn Prozent aus Arizona und der Rest aus anderen Bundesstaaten. Viele der beschlagnahmten Waffen sind halbautomatische Gewehre wie das AR-15 und das AK-47; Waffen, die die Drogenkartelle in Mexiko benutzen. Es gibt auch Waffen aus anderen Ländern, aber es ist schwer festzustellen, ob diese direkt nach Mexiko kamen oder über die USA auf den mexikanischen Schwarzmarkt gelangten. Es gibt Waffen chinesischer, deutscher, italienischer, belgischer, rumänischer, japanischer, spanischer und australischer Produktion. Tatsächlich stammten die Waffen, die bei dem Massaker von Tlatlaya im Bundesstaat Mexiko und gegen die Lehramtsstudenten von Ayotzinapa eingesetzt wurden von dem deutschen Unternehmen Heckler und Koch und gelangten illegal nach Mexiko.

Es sind nicht nur deutsche Waffen sondern vor allem aus den USA stammende, die bei den in Mexiko verübten Massakern zum Einsatz gekommen sind, denn in dem Konflikt, den das Land gegenwärtig erlebt, verkaufen die Waffenhersteller sowohl an die mexikanische Regierung als auch an die Drogenkartelle auf dem Schwarzmarkt. Das ist deshalb so, weil die US-Gesetze es jedem Bürger ohne gesetzliche Einschränkung erlauben, Waffen zu kaufen und der mexikanische Drogenhandel diese Gesetze ausnutzt, um Waffen zu kaufen und sie auf mexikanischem Territorium zu einzusetzen. Und andererseits ermöglichen es die Korruptheit der mexikanischen Regierung und die Undurchsichtigkeit, mit der die Zollbehörden agieren sowie das Fehlen der territorialen Kontrolle, dass Waffen illegal ins Land gelangen.

Durch die Enthüllungen von Wikileaks erfuhr man von dem Programm "Fast and furious" (Schnell und Wütend) der ATF, mit dem über 2.000 Waffen nach Mexiko eingeschleust wurden und man ihrer Spur folgte, um herauszufinden, was mit ihnen passierte. Diese Waffen waren im Einsatz bei den Massakern von Tlatlaya im Bundesstaat Mexiko, in Sinaloa, Sonora, Chihuahua und Michoacán. Die Waffenfirmen sind die großen Gewinner der Gewalt in Mexiko, indem sie beide Seiten des Konfliktes bewaffnen. Obwohl sich die US-Regierung verpflichtet hat, den Zustrom von Waffen nach Mexiko einzuschränken, ist die Wahrheit, dass die Waffen weiter "strömen". Und im Falle der Drogenkartelle wurde eine neue Form gefunden, um Waffen zu schicken: man bringt sie in Einzelteilen ins Land, denn es gibt in den USA kein Gesetz, das den Kauf und Verkauf von Waffenteilen verbietet; auch sind die Hersteller nicht verpflichtet, die Waffenteile mit einer Seriennummer zu versehen um sie zurückzuverfolgen.

Mexiko und Kolumbien sind die Länder, die in den vergangenen zehn Jahren die meiste Entwicklungs- und Militärhilfe seitens der USA erhalten haben. Beide Länder haben ein Freihandelsabkommen mit den USA. Und sie sind seit mehr als zehn Jahren mit den verschiedenen Herausforderungen in Verbindung mit dem Drogenhandel und dem Zerfall des Sozialgefüges konfrontiert, außerdem mit der ständigen Undurchsichtigkeit des Budgets für den Kauf von Waffen und militärischer Ausrüstung konfrontiert. Das Geschäft mit dem Krieg hat denjenigen Unternehmen Vorteile gebracht, die Bewaffnung, Militärausrüstung und nachrichtendienstliche Technologie liefern; diese dient nicht nur dazu, den Drogenhandel zu bekämpfen sondern auch dazu, soziale Anführer, Menschenrechtsaktivisten und Mitglieder von Organisationen, die ihr Land verteidigen, zu überwachen und zu schikanieren, denn dieses Geschäft militarisiert das tägliche Leben. Im Jahr 2016 und im bisherigen Verlauf des Jahres 2017 zählte man in Kolumbien mehr als 186 Morde an Menschenrechtlern, sozialen und kommunalen Führungspersönlichkeiten. In Mexiko hört das Morden von Journalisten, sozialen Anführern und Menschenrechtlern nicht auf. Der Krieg gegen die Drogen ist nach wie vor das "legale" Argument, damit die US-Regierung und der Militärisch-industrielle Komplex weiterhin Waffen exportieren und das Terrain für künftige Kapitalinvestitionen auf Kosten von Menschenleben vorbereiten können.