Venezuela / Politik

Venezuela und die OAS: Ein konsequenter Rückzug

Die Einmischung der OAS in Venezuela kann schwerlich als etwas anderes gesehen werden als eine parteiische, von Washington gesteuerte Initiative

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Venezuelas Parlamentspräsident Julio Borges von der oppositionellen Partei "Gerechtigkeit zuerst", übergab Almagro am 4. Mai das Ersuchen der Nationalversammlung, den OAS-Austritt zu verhindern
Venezuelas Parlamentspräsident Julio Borges von der oppositionellen Partei "Gerechtigkeit zuerst", übergab Almagro am 4. Mai das Ersuchen der Nationalversammlung, den OAS-Austritt zu verhindern

Venezuelas Ankündigung, sich aus der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) zurückzuziehen, wurde mit der üblichen Polemik von den US-Medien begleitet, deren überwiegender Teil seit langem auf jeglichen Anschein journalistischer Neutralität hinsichtlich dieses Landes verzichtet.

Wenn wir aber von der Darstellung der Main-Stream-Medien ein wenig zurücktreten, dann erkennen wir die Logik in der Entscheidung Venezuelas. Die OAS, besonders unter ihrem derzeitigen Generalsekretär Luis Almagro, ist nicht die multilaterale Einrichtung, die zu sein sie vorgibt. Almagro ist mit US-Unterstützung seit Jahren in einem "heiligen Krieg" gegen Venezuela. 2015 war er über Monate mit dem Versuch beschäftigt, die Wahlen zur venezolanischen Nationalversammlung zu delegitimieren und behauptete, ohne die "Hilfe" von OAS-Beobachtern würden sie "gestohlen".

Sein Verhalten war dermaßen abseitig und widerwärtig, dass José Pepe Mujica, Ex-Präsident von Uruguay, seinen früheren Außenminister Almagro verurteilte. "Ich bedauere die Richtung, die du eingeschlagen hast. Ich weiß aber, dass es kein Zurück mehr gibt, weshalb ich dir jetzt formell Tschüss sage und mich verabschiede", schrieb Mujica, der für seine Redlichkeit und Integrität in Südamerika weithin beliebt und respektiert ist. Wie sich herausstellte, lag Almagro in der Sache vollkommen daneben, denn bei den venezolanischen Wahlen gab es keinerlei Probleme und die Opposition gewann mit 56 Prozent der Stimmen.

Von einem objektiven Gesichtspunkt aus – unabhängig davon, was man vom venezolanischen Konflikt halten mag – kann man die OAS-Intervention schwerlich als etwas anderes sehen als eine parteiische, von Washington gesteuerte Initiative. Tatsächlich wäre derartiges noch vor wenigen Jahren, als die meisten südamerikanischen Regierungen unabhängige Außenpolitik betrieben, nicht möglich gewesen. Aber inzwischen haben Brasilien, Argentinien und Peru rechte Regierungen, die sich weitgehend an Washington ausrichten.

Im Jahr 2013 als die venezolanische Opposition gewaltsame Proteste startete, um das Ergebnis einer demokratischen Präsidentschaftswahl aufzuheben, waren der damalige OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza, die US-Regierung und die rechtsgerichtete Regierung Spaniens die einzigen diplomatischen Kräfte weltweit, die die Wahlergebnisse nicht anerkannten. Obwohl es keinerlei Hinweise auf Betrug gegeben hatte, wie von der Opposition behauptet. Aber Spanien und Insulza mussten unter südamerikanischem Druck zurückweichen und auch der damalige US-Außenminister John Kerry lenkte schließlich ein.

Die USA haben die OAS mehrfach erfolgreich manipuliert, um Regierungen zu kippen, die sie nicht mochten. Neuere Beispiele sind Haiti im Jahr 2011, wo die OAS-Kommission ungerechtfertigt die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen aufhob; ferner der Putsch in Haiti 2004 als Schlusspunkt vierjähriger Bemühungen der USA und ihrer Verbündeten, mit Hilfe der OAS, die gewählte Regierung zu stürzen. Die Rolle von USA und OAS bei der Zerstörung der Demokratie in Haiti blieb weitgehend unbemerkt, denn die meisten Haitianer sind arm und schwarz.

Im Jahr 2009 setzten sich lateinamerikanische Regierungen für Honduras ein, als die USA eine Regierung zu legitimieren versuchten, die per Militärputsch an die Macht gekommen war. Aber letztlich gelang es den USA, in der OAS diese von der Mehrheit gewünschte Position zu blockieren: Die OAS solle solange keine Nach-Putsch-Wahlen anerkennen, bis der gewählte Präsident, Mel Zelaya, zurück im Amt sei. In ihrem 2014 veröffentlichten Buch "Hard Choices" räumte die damalige Außenministerin, Hillary Clinton, ein, sie sei es gewesen, die Zelayas Rückkehr erfolgreich verhindert habe.

Washingtons Manipulation der OAS im Jahr 2009 zugunsten der Putschregierung in Honduras veranlasste den Rest der Region, eine neue Organisation zu gründen, die die USA und Kanada ausschloss.

Aber der schlimmste Teil der gegenwärtigen Trump/OAS-Versuche, die venezolanische Regierung zu delegitimieren, ist die erkennbare Neigung zu einem extralegalen Regimewechsel. Genau wie es das Standard-Drehbuch beschreibt: Delegitimierung gefolgt von Umsturz und Gewalt wird ermutigt, wo Verhandlungen nötig wären. Dies trifft insbesondere zu im Falle einer Opposition, die seit dem US-unterstützten Militärputsch 2002 mit sich im Streit liegt, ob sie friedlich oder mit Gewalt agieren soll. Leute, die sagen, dies seien Bemühungen, konstruktiven "Druck" auf die venezolanische Regierung auszuüben, sind wahnsinnig oder unehrlich – insbesondere, wenn der Druck von einer OAS kommt, die eindeutig parteiisch ist und von Washington dominiert wird und deswegen keine eigene Legitimität hat.

Venezuela braucht eine ausgehandelte Lösung, denn es ist immer noch eine polarisierte Gesellschaft. Trotz 400 Prozent Inflation, verbreiteten Mangels an Lebensmitteln und 17 Prozent Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr hat Präsident Maduro immer noch 24 Prozent Zustimmung – gemäß "Datanalisis", dem durchaus zuverlässigen Anti-Regierungs-Meinungsforschungsinstitut. Und das ist deutlich besser als bei den Präsidenten von Brasilien (zehn Prozent) oder Kolumbien (16 Prozent) und Mexiko (15 Prozent). Es existiert eine Basis von Venezolanern, die die regierende Partei unterstützt und Angst hat, was passieren könnte, wenn die Opposition an die Macht kommt; und dies gilt auch für das Militär.

Gewalttätiger Regimewechsel hat oft unvorhergesehene und schreckliche Konsequenzen – wir können sehen, was passiert ist, als die USA diese Strategie im Irak, in Syrien, Libyen, in Haiti und sonstwo verfolgt haben. Venezuela braucht sowohl ökonomische wie politische Veränderungen, aber sie müssen friedlich zustande kommen, durch Dialog, Verhandlungen und Wahlen. Die US-Strategie, die OAS für politischen Zwecke zu manipulieren, wird dies noch viel schwieriger machen und noch mehr politische Gewalt in Venezuela fördern.

Der amtierende Präsident der Dominikanischen Republik, Danilo Medina, verlangte kürzlich eine Entschuldigung der OAS für deren Unterstützung der US-Invasion 1965 in seinem Land.

Manche Dinge ändern sich nie.

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