Medellín. Ein Gericht in Medellín ordnet am 6. Oktober die Einleitung von Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten Álvaro Uribe Vélez, seinen Bruder Santiago sowie den pensionierten General Carlos Alberto Ospina Ovalle an. Das Dritte Spezialstrafgericht von Medellín wies die Generalstaatsanwaltschaft Kolumbiens an, wegen einer möglichen Beteiligung der drei Beschuldigten an den Morden an den Menschenrechtsverteidigern Jesús María Valle und Eduardo Umaña Mendoza im Jahr 1998 zu ermitteln.
Die Entscheidung steht im Zusammenhang mit dem Urteil gegen José Miguel Narváez, den ehemaligen Vizedirektor des inzwischen aufgelösten früheren Geheimdienstes DAS. Narváez wurde zu 28 Jahren Haft verurteilt, weil er 1999 die Entführung der Senatorin Piedad Córdoba angeordnet haben soll. (Córdoba verstarb 2024.)
In dem Urteil wird auf eine Aussage des ehemaligen Paramilitärs Francisco Enrique Villalba Hernández aus dem Jahr 2008 verwiesen. Villalba hatte ausgesagt, 1997 habe auf der Finca La Marranera in Yarumal (Antioquia, im Nordwesten Kolumbiens) ein Treffen zwischen Militärs, Paramilitärs und Zivilisten – darunter den Brüdern Uribe – stattgefunden. Laut seiner Aussage soll dieses Treffen den gewaltsamen Aktionen vorausgegangen sein, die 1998 in den beiden Morden gipfelten. Er wurde wenige Monate nach seiner Aussage ermordet.
Ex-Präsident Uribe wies die Entscheidung des Gerichts scharf zurück. Sein Anwalt Jaime Granados kündigte an, Beweise vorzulegen, um die Glaubwürdigkeit von Villalbas Aussage zu widerlegen.
General Ospina bezeichnete die Maßnahme als unbegründet und verwies auf "widersprüchliche und unzuverlässige Aussagen".
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Die Opfer, Eduardo Umaña Mendoza (1946–1998) und Jesús María Valle Jaramillo (1943–1998), waren Menschenrechtsanwälte. Umaña war Jurist, Akademiker und Journalist, der politische Gefangene und Opfer staatlicher Gewalt verteidigte. Er wurde am 18. April 1998 in Bogotá von drei Männern ermordet, die sich als Journalisten ausgaben. Valle, Vorsitzender des Permanenten Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte in Antioquia, hatte öffentlich die Zusammenarbeit zwischen Armee und Paramilitärs angeprangert, insbesondere deren Beteiligung an den Massakern von La Granja (1996) und El Aro (1997), paramilitärischen Angriffen auf Zivilisten in der Gemeinde Ituango. Er wurde am 27. Februar 1998 in Medellín von Auftragskillern des paramilitärischen Bloque Mineros, einer Fraktion der Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC), ermordet.
Beide Fälle gelten heute, auch laut der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH), als Symbole der Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien. Kolumbien ist seit Jahrzehnten von einem bewaffneten Konflikt zwischen Guerillas, staatlichen Streitkräften und paramilitärischen Gruppen geprägt – in dem auch Menschenrechtsaktivisten und soziale Aktivist:innen immer wieder zur Zielscheibe wurden.
Das Gericht berief sich bei seiner Entscheidung auf die sogenannte "Compulsa de Copias", ein juristisches Verfahren, bei dem ein Richter Beweise an die Staatsanwaltschaft übergibt, damit diese prüft, ob eine Strafuntersuchung eingeleitet werden soll. Dies bedeutet jedoch keine sofortige Anklage.
In den 1990er Jahren war die Region Antioquia ein Zentrum der paramilitärischen Expansion und Schauplatz zahlreicher Berichte über Verbindungen zwischen staatlichen Stellen und illegalen Gruppen, die gegen jene vorgingen, die diese Allianzen öffentlich machten. Die jetzige Anordnung verpflichtet die Staatsanwaltschaft, zu prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für Ermittlungen gegen die Brüder Uribe Vélez wegen der Morde von 1998 bestehen.

