Martinique: Ein Aufstand gegen soziale Ungerechtigkeit

Proteste eskalieren. Karibikinsel von strukturellen Problemen betroffen. Frankreich reagiert mit Repression

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Die Hauptstadt der Karibikinsel mit 375.000 Einwohner:innen ist Schauplatz von Demonstrationen
Die Hauptstadt der Karibikinsel mit 375.000 Einwohner:innen ist Schauplatz von Demonstrationen

Fort-de-France. In den vergangenen Tagen ist es in Martinique zu massiven Ausschreitungen gekommen. Ausgelöst wurden die Proteste durch soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten, die sich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gesteigert haben.

Martinique ist als sogenanntes Übersee-Département eine Region Frankreichs und seit 1635 kolonialisiert.

Die Unruhen begannen in der Hauptstadt Fort-de-France und breiteten sich schnell auf andere Teile der Insel aus. Tausende von Menschen gingen auf die Straßen, um gegen die steigenden Lebenshaltungskosten, die hohe Arbeitslosigkeit und die anhaltenden sozialen Ungleichheiten zu protestieren.

Der Gouverneur der Insel, Jean-Christophe Bouvier, hat eine Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr in den am stärksten von den Protesten betroffenen Gebieten verhängt. Die Maßnahme wird mindestens bis zum 23. September in Kraft bleiben. Aus Frankreich werden Sicherheitskräfte auf die Insel mobilisiert, um die Proteste zu stoppen. Zeugen berichten von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Barrikaden wurden errichtet, und mehrere Geschäfte wurden geplündert. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Menge zu kontrollieren. Das führte zu weiteren Eskalationen.

Frankreichs ehemalige Premierministerin Élisabeth Borne legitimiert einerseits den Einsatz der Sicherheitskräfte, betont jedoch auch: "Wir müssen die Sorgen der Menschen hören und Lösungen finden, bevor die Situation weiter eskaliert." Die lokale Regierung der Insel ihrerseits hat zu einem Dialog aufgerufen, um die Anliegen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Der Präsident des Exekutivrats der Territorialen Gemeinschaft von Martinique, Serge Letchimy, hat am Dienstag die Regierung aufgefordert, sofortige Notfallmaßnahmen gegen die hohen Lebenshaltungskosten zu ergreifen.

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Die Polizei verhandelt mit Aktivist:innen der Versammlung für den Schutz der Afrokaribischen Völker und Ressourcen (RPPRAC) und versucht eine Lösung für die aktuelle Krise zu finden. Bislang haben diese Gespräche jedoch keine konkreten Ergebnisse gebracht. Die RPPRAC hatte gemeinsam mit anderen Organisationen zum Protest aufgerufen.

Preise für Grundnahrungsmittel und Dienstleistungen sind in Martinique in den letzten Jahren stark gestiegen. Viele Familien können sich die täglichen Ausgaben nicht mehr leisten. Eine Studie des Nationalen Statistikinstituts aus dem Jahr 2023 hat gezeigt, dass die Preise für Grundnahrungsmittel in Martinique 40 Prozent höher sind als auf dem französischen Festland. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen, ist alarmierend hoch. Nicht zuletzt hat die COVID-19-Pandemie bestehende Probleme wie den Zugang zu medizinischer Versorgung verstärkt. Zudem leidet die Insel unter ökologischen Herausforderungen, die oft von unzureichenden politischen Maßnahmen begleitet werden. Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine ernste Bedrohung für die Karibikinsel.

Die Lehrer:innen-Gewerkschaft (UNSA) rief zur Gewaltlosigkeit auf und schrieb aber auch: "Mehr als ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Niemand kann mit leerem Magen in der Schule lernen."

Der Protest richtet sich nicht nur gegen die unmittelbaren Missstände, sondern auch gegen eine tief verwurzelte postkoloniale Struktur. Viele Bewohner:innen von Martinique fühlen sich von der französischen Regierung und den politischen Entscheidungsprozessen entfremdet. Viele Demonstrant:innen sehen in dieser Maßnahme eine weitere Form der Kontrolle durch Frankreich. Frankreich hat oft mit repressiven Maßnahmen auf soziale Unruhen in seinen Überseegebieten reagiert, anstatt sich den strukturellen Problemen zu stellen.