Gipfel der G20-Außenminister in Brasilien: Kritik der Unfähigkeit zum Frieden

Lähmung der multilateralen Institutionen und des UN-Sicherheitsrats durch Reformierung überwinden. Gastgeber zogen die Afrikanische Union hinzu

brasilien_g20_aussenminister_2-2024.jpg

Brasiliens Außenminister Mauro Vieira bei seiner G20-Eröffnungsrede
Brasiliens Außenminister Mauro Vieira bei seiner G20-Eröffnungsrede

Rio de Janeiro. Brasilien ist Gastgeber des Treffens der G20-Außenminister der Länder gewesen, die 85 Prozent der Weltwirtschaft repräsentieren. Auf der Agenda standen unter anderem die vom Globalen Süden angestrebte Reform der multilateralen Organisationen und die Kriege im Gazastreifen und in der Ukraine.

Als weitere Prioritäten des brasilianischen G20-Vorsitzes flossen der Kampf gegen Hunger, Armut und Ungleichheit sowie die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung ein: Wirtschaft, Soziales und Umwelt.

Da es sich um ein reines Diskussionstreffen handelte, war keine gemeinsame Erklärung zum Abschluss vorgesehen.

Der Gruppe gehören derzeit Südafrika, Deutschland, Saudi-Arabien, Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, China, Südkorea, die USA, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Mexiko, Großbritannien, Russland, die Türkei, die Europäische Union sowie die Afrikanische Union.

Bei der Eröffnung des G20-Gipfels setzte Brasilien das Thema der Friedensunfähigkeit der multilateralen Institionen und des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen auf die Tagesordnung und beklagte deren "inakzeptable" Untätigkeit angesichts der Konflikte in Gaza und der Ukraine.

Diese Institutionen seien nicht ausreichend gerüstet, um mit den aktuellen Herausforderungen umzugehen, so Außenminister Mauro Vieira. Sein Land fordere eine "tiefgreifende Neuformierung" des Sicherheitsrates, der wiederholt keine Einigung über den Gaza-Krieg erzielen konnte. Erst Tags zuvor hatten die USA als Israels wichtigster Verbündeter erneut ihr Veto gegen eine Resolution eingelegt, die einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen forderte.

US-Außenminister Antony Blinken traf sich im Vorfeld des G20-Gipfels mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und brachte ihm sein Missfallen über dessen Vorwurf des "Völkermords" in den palästinensischen Gebieten und Vergleiche mit dem deutschen Nazismus zum Ausdruck. "Der Minister sprach das Thema an und machte deutlich, dass wir mit diesen Äußerungen nicht einverstanden sind", sagte ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums.

Gleichwohl soll das Treffen "eine nahezu einhellige Unterstützung der Zweistaatenlösung als einzig mögliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts" gezeigt haben, wie der brasilianische Außenminister erklärte. Es könne keinen Frieden und keine dauerhafte Sicherheit für Israel geben, wenn die Palästinenser keine klare politische Perspektive für den Aufbau eines eigenen Staates haben.

Man habe "nicht direkt Einstimmigkeit" vorgefunden, weil nicht alle Länder das Thema ansprachen, aber viele drückten ihre Unterstützung aus, so eine Quelle im brasilianischen Außenministerium gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Lula traf nach dem Gipfel auch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zusammen. Dieser warf den USA vor, mit ihrer Sanktionspolitik “die Weltwirtschaft zu manipulieren“. Lawrow stimmte zu, dass der UN-Sicherheitsrat reformiert werden sollte.

In Hinsicht auf die wirtschaftliche Lage warnte Lawrow, dass die derzeitige Situation in der Weltwirtschaft durch die Methoden des Westens, diejenigen zu bestrafen, die sich nicht an seine Regeln halten, ernsthaft verzerrt werde. Dabei seien die von den USA und ihren Verbündeten "zur Manipulation der Weltwirtschaft" eingesetzten Maßnahmen neokolonialer Natur und dienten dazu, Konkurrenten auszuschalten. Die errichteten Barrieren behinderten gewachsene logistische und finanzielle Ketten, verteuerten die Produktion und machten Dienstleistungen und Waren für Entwicklungsländer teurer.

Hinsichtlich des UN-Sicherheitsrates vertrat der russische Außenminister: "Wir haben unseren Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass der Sicherheitsrat reformiert werden sollte, indem die größte Ungerechtigkeit ‒ die Unterrepräsentation der Entwicklungsländer ‒ angegangen wird".

Vor seinem Treffen mit Lula hatte Lawrow auf einer Pressekonferenz erklärt, dass es auf dem Außenministertreffen keine ernsthaften Vorschläge der USA zur Lage in der Ukraine gegeben habe. Sein Land sei offen für Gespräche über strategische Stabilität. Ein solcher Dialog müsse jedoch "ehrlich sein und nicht das gleiche alte Zeug, an das die USA gewöhnt sind".

Der Gipfel war geprägt vom starken außenpolitischen Engagement der Regierung Lula. Die Reform des Sicherheitsrats ist eines ihrer zentralen Anliegen. Lula schlug nicht nur vor, die Zusammensetzung und das Vetorecht im Rat zu überprüfen, sondern bekräftigte auch die Notwendigkeit eines Rates mit ständiger lateinamerikanischer und afrikanischer Präsenz, der "pazifistischer ist und keine Kriege schürt".

Das Außenministertreffen war das erste seit Brasilien mit Lula im vergangenen Dezember den Vorsitz der Gruppe der 20 übernommen hat. Er wird dieses Amt bis November innehaben, wenn der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der G20 in Rio de Janeiro stattfindet.

Zu diesem Treffen hat der brasilianische Präsident auch Ägypten eingeladen, der größte Weizenimporteur der Welt und an einem Warenverkehr interessiert, ohne den Dollar zu benutzen oder von der US-Währung abhängig zu sein, wie es auch Lulas Politik entspricht. Für den November wird erneut Brasilien die Tagesordnung vorbereiten.