Argentinien: Regierung von Javier Milei baut Streitkräfte um

Neuer Befehlsstab. Mehr Ex-Militärs in zivilen Bereichen des Ministeriums für Sicherheit. Engere Allianz mit den USA erwartet. Druck auf Regierung zur Freilassung von Diktaturverbrechern

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Es handelt sich um die größte Umbildung des Heeres seit 20 Jahren
Es handelt sich um die größte Umbildung des Heeres seit 20 Jahren

Buenos Aires. Der ultrarechte argentinische Präsident Javier Milei hat die Führungsstäbe der Streitkräfte umgebildet. Er ernannte neue Oberkommandierende für alle drei Teilstreitkräfte. Luftwaffenbrigadier Xavier Julián Isaac ist neuer Oberkommandierender des gemeinsamen Generalstabs von Heer, Luftwaffe und Marine. Diese Ernennungen gingen einher mit dem erzwungenen Rücktritt seines Vorgängers Juan Martín Paleo und der Versetzung von 22 Generälen des Heeres in den vorzeitigen  Ruhestand. Dies entspricht zwei Dritteln des Führungsstabes.

Es handelt sich damit um die größte Umbildung des Heeres seit 20 Jahren. Damals setzte der progressive Präsident Néstor Kirchner den Rücktritt von 19 Generälen durch.

Die neuen Oberbefehlshaber der drei Teilstreitkräfte sind Konteradmiral Carlos María Allievi (Luftwaffe), Brigadegeneral Fernando Luis Mengo (Marine) und Brigadegeneral Alberto Presti (Heer). Letzterer ist der Sohn des hochrangigen Militärs Roque Presti, der während der zivil-militärischen Diktatur (1976-1983) aktiv war.

Der Menschenrechtsanwalt Pablo Llonto, der in zahlreichen Strafprozessen gegen Ex-Militärs Opfer und deren Angehörige vertritt, weist darauf hin, dass Roque Presti in den zentralen Jahren der Diktatur Kommandant des 7. Infanterieregiments in La Plata war und als Verantwortlicher für die so genannte Operationszone 113 die dortigen Repressionsmaßnahmen gegen Oppositionelle, politische Widerstandsgruppen und soziale Bewegungen zu verantworten hatte. Er starb, bevor er vor Gericht gestellt werden konnte.

Auch im Verteidigungsministerium unter Luis Petri, einem Verbündeten der gescheiterten Präsidentschaftskandidatin und jetzigen Sicherheitsministerin Patricia Bullrich, kam es zu Neubesetzungen. Zahlreiche vormals von Zivilisten besetzte Posten gingen dabei an Militärs im Ruhestand, allen voran der frühere Oberkommandierende Claudio Ernesto Pasqualini als Vizeminister.

"Seit der Rückkehr der Demokratie hatten die Militärs nicht mehr so viel Einfluss im Verteidigungsministerium wie jetzt. Dies ist ein klares Zeichen für die Ermächtigung der Streitkräfte", betont der Politologe Fabián Calle .

Im Wahlkampf galt die derzeitige Vizepräsidentin Victoria Villarruel, die aus einer traditionellen Militärfamilie stammt, als aussichtsreichste Kandidatin für das Amt der Verteidigungsministerin. Während Milei einschneidende Sparmaßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Wissenschaft ankündigte, versprach sie die Aufstockung des Militärhaushalts.

Experten gehen davon aus, dass die Umstrukturierung der Streitkräfte und des Verteidigungsministeriums zu einer stärkeren Unterordnung unter die Militärpolitik der USA und ihrer Verbündeten führen wird. Die neuen Führungskader haben einen entsprechenden Hintergrund. Isaac war wie Allevi früher Militärattaché in Washington. Luftwaffenchef Mengo hatte die gleiche Funktion in London inne.

Andererseits wird vermutet, dass die Besetzung der Führungsstäbe mit jüngeren Kadern in der Erwartung erfolgte, bei möglichen autoritären politischen Maßnahmen auf weniger Widerstand zu stoßen. Die Szenarien reichen von einer möglichen Auflösung des Kongresses bis hin zu massiven Privatisierungen, von denen auch die Streitkräfte betroffen sein könnten. So wird derzeit in Regierungskreisen zumindest ein möglicher Verkauf der großflächigen Einrichtungen des Regiments Patricios im Nobelviertel Palermo der Hauptstadt Buenos Aires sowie der Marinebasis Mar del Plata diskutiert.

Indes verstärken ehemalige Militärs der Diktatur und ihre Organisationen den Druck auf die Regierung. In einem offenen Brief in der Tageszeitung La Nación fordern sie die Regierung auf, ihre Versprechen aus dem Wahlkampf einzulösen und die rechtmäßig verurteilten Täter freizulassen. In den seit 17 Jahren nach allen Regeln des Rechtsstaats geführten Strafverfahren (amerika 21 berichtete) sehen sie einen "Justizterrorismus", in den verhängten Haftstrafen eine "grausame und entwürdigende Behandlung". Zu den Unterzeichnern der Petition gehören unter anderem die bekannte Leugnerin der Diktaturverbrechen Cecilia Pando und Familienangehörige des ehemaligen Marineangehörigen Alfredo Astiz, der mehrfach wegen Entführung, Folter und Mord im In- und Ausland verurteilt wurde.