"Solidarität mit Palästina": La Vía Campesina ruft zum Boykott der COP28 auf

Forderung nach Waffenstillstand. Grundsätzliche Kritik an UN-Klimakonferenz. "Keine Klimagerechtigkeit ohne Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts"

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"Waffenstillstand jetzt": La Vía Campesina boykottiert die COP28
"Waffenstillstand jetzt": La Vía Campesina boykottiert die COP28

Bagnolet. Der Weltverband der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, La Vía Campesina, hat zum Boykott der diesjährigen Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) aufgerufen, die vom 30. November bis 12. Dezember 2023 in Dubai stattfindet. Ihre Entscheidung begründet die Organisation mit dem "Krieg, der gegen das palästinensische Volk geführt wird".

Als Bewegung, die für die "volle Verwirklichung aller Rechte für alle Menschen" kämpfe, könne man "nicht guten Gewissens" an den Klimaverhandlungen teilnehmen, "während an Mitgliedern unserer Gemeinschaft ein Genozid wie aus dem Lehrbuch verübt wird und ihre Rechte und Souveränität vollständig verweigert werden", heißt es in dem Aufruf. Es gebe keine Klimagerechtigkeit ohne Achtung der Menschenrechte, des Völkerrechts und des Selbstbestimmungsrechts.

Dem Verband gehören nach eigenen Angaben 182 lokale und nationale Organisationen an, darunter 40 aus Süd- und 23 aus Zentralamerika sowie 17 aus der Karibik. Insgesamt sind 81 Länder aus Amerika, Afrika, Asien und Europa vertreten.

Wegen der Teilnahme Israels an der COP28 wirft La Vía Campesina den Organisatoren "Greenwashing von Kolonialisierung und Apartheid" vor.

Außerdem werde "die Heuchelei und der Missbrauch vieler imperialistischer und umweltverschmutzender Regierungen auf der COP28 durch die gastgebende Regierung, die Vereinigten Arabischen Emirate, ein großer Ölproduzent und Menschenrechtsverletzer, und den COP-Vorsitz ‒ ein milliardenschwerer Ölmanager ‒ noch deutlicher". Die 28. Klimakonferenz leitet Sultan Ahmed al-Dschaber, der Chef der Abu Dhabi National Oil Company, dem staatseigenen Ölkonzern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Al-Dschaber hat laut einem Bericht der BBC diese Rolle genutzt, um im Vorfeld des Gipfels Ölgeschäfte abzuschließen.

Als weltweite Bewegung widme sich La Vía Campesina weiterhin dem Aufbau von Ernährungssouveränität durch einen gerechten Transformationsprozess. Dieser Ansatz erkenne die Rechte der Bauern und Bäuerinnen an und fördere die Agrarökologie, die ein "enormes Potenzial bietet, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, sich an sie anzupassen und gleichzeitig das Wohlergehen der Gemeinschaft, Demokratie, Zusammenarbeit und Frieden zu erhalten und zu verbessern".

Bei der COP28 würden dagegen die industriellen Agrarunternehmen ihre Interessen durch die sogenannte Agenda für Nahrungsmittelsysteme und Landwirtschaft und die Agenda für regenerative Landschaften durchsetzen. Dies seien Versuche, "die industrielle Landwirtschaft grün zu waschen und die Märkte und Technologien der Konzerne weiter zu festigen". Unter dem Banner der Nachhaltigkeit konzentrierten diese Initiativen eher Macht und Ressourcen, als dass sie tatsächlich die Emissionen der industriellen Nahrungsmittelkette reduzierten, die mehr als ein Drittel der gesamten globalen Emissionen ausmachen, betont die Organisation.

Zudem lehnt La Vía Campesina  "die dürftigen und bedeutungslosen Netto-Null-Versprechen ab, die sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise kooptieren und unterminieren", ebenso wie "die zweifelhaften und unwissenschaftlichen Markt- und Kompensationsprogramme" im Pariser Klimabakommen.

Die Bewegung stellt sich ebenso gegen "alle Versuche mächtiger Regierungen, die Weltbank zur Verwalterin des 'Loss and Damage Fund' zu ernennen. Sollte dieser Schritt erfolgreich sein, werden die USA und andere historische Emittenten unangemessene Macht und Autorität über die Klimafinanzierung erhalten, was die Regierungen des Globalen Südens und lokale Gemeinschaften erheblich benachteiligen und die globalen Machthierarchien vertiefen wird". Der "Fonds für klimawandelbedingte Schäden und Verluste" wurde bei der COP27 auf Drängen der Gruppe der G77 und China beschlossen und soll Ländern des Globalen Südens dabei helfen, auf Klimaauswirkungen zu reagieren.

Die Entscheidung, die COP28 zu boykottieren, sei auch "ein Bekenntnis zu und eine Solidaritätsbekundung mit einer globalen Bewegung für Klimagerechtigkeit, die ihre Wurzeln in den popularen Kämpfen für Menschenrechte und die Wiederherstellung der Beziehungen zu Mutter Erde hat. Mit Blick auf die diesjährige COP fordern wir mit unserer kollektiven Stimme einen sofortigen Waffenstillstand! Palästinensische Rechte sind Menschenrechte", so La Vía Campesina.

Die Bewegung wurde 1993 in Belgien gegründet und vertritt heute nach eigenen Angaben etwa 200 Millionen kleine Lebensmittelproduzenten. Die höchste Entscheidungsinstanz ist die Internationale Konferenz, die alle vier Jahre stattfindet. Die achte Konferenz findet vom 1. bis 8. Dezember 2023 unter dem Motto "Angesichts der globalen Krisen bauen wir Ernährungssouveränität auf, um der Menschheit eine Zukunft zu sichern" in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá statt.