Wirtschaftliche Not befeuert Proteste gegen Regierung in Peru

Landesweiter Protesttag während Europareise der umstrittenen Präsidentin. Ehemaliger leitender Steuerprüfer: "Peruanische Wirtschaft vor einem ihrer kritischsten Momente"

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Protestierende in Cusco fordern "Gerechtigkeit für die mehr als 70 Ermordeten durch die Diktatur von Boluarte und Kongress"
Protestierende in Cusco fordern "Gerechtigkeit für die mehr als 70 Ermordeten durch die Diktatur von Boluarte und Kongress"

Lima et al. Während sich die Präsidentin von Peru, Dina Boluarte, auf einer Reise durch europäische Länder befindet, hat die Bevölkerung in Lima und der Provinzen erneut gegen die Regierung und den Kongress mobilisiert. Bei Protesten im ganzen Land forderten Demonstrant:innen vergangenen Donnerstag unter anderem den Rücktritt der Präsidentin, die Auflösung des Parlaments, Neuwahlen sowie eine verfassungsgebende Versammlung. 

Zudem wurde das Schweigen von Exekutive und Legislative angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten und Preise kritisiert. Gewerkschaften aus dem Gesundheitswesen rufen indes zu unbefristeten Streiks für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf.

Die Proteste, zu denen die Coordinadora Nacional Unitaria de Lucha (Nationale Einheitskoordination des Kampfes, CNL) und die Confederación General de Trabajadores del Perú (Konföderation der peruanischen Arbeiter:innen, CGTP) aufgerufen hatten, fanden sowohl im Landesinneren als auch in der Hauptstadt statt. Zahlreiche Delegationen aus verschiedenen Regionen des Landes sowie soziale und gewerkschaftliche Organisationen waren dazu nach Lima gereist. "Wir protestieren im Namen unserer 70 Toten in Puno (...) Aus 13 Provinzen sind wir hergekommen, Quechua, Aymara, als eine geeinte Faust", so eine teilnehmende Demonstrantin aus Puno gegenüber der Tageszeitung La Republica.

Ein weiterer Vertreter aus Puno betonte in einer Ansprache, dass Quechua- und Aymara-Völker anwesend seien, "um dieser Regierung deutlich zu machen, dass sie nicht müde werden zu kämpfen, bis sie den Sturz dieser völkermörderischen Regierung erreicht haben und der korrupte und mafiöse Kongress geschlossen und eine neue verfassungsgebende Versammlung einberufen wird". Auf Plakaten der Märsche in Lima war zu sehen: "Dina und [Verteidigungsminister Alberto] Otárola ins Gefängnis" und "Freiheit für [den abgesetzten und inhaftierten vorigen Präsidenten Pedro] Castillo".

Im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Regierung von Boluarte, die seit ihrem Amtsantritt im Dezember vergangenen Jahres stattfinden, sind je nach den Quellen "mindestens 49" Menschen ums Leben gekommen. Viele von ihnen durch Schüsse seitens Polizei und Militär. Andere Angaben lauten auf mehr als 60 beziehungsweise mehr als 70 Todesopfer. Mehrere hundert Personen wurden verletzt (amerika21 berichtete).

In Arequipa, der Hauptstadt der gleichnamigen peruanischen Region, wurde der Protestzug von Bauarbeiter:innen angeführt und von Gewerkschaften, Kollektiven und Bewohner:innen der nördlichen und südlichen Stadtteile begleitet. "Wir sind hier, um der diktatorischen Regierung und dem korrupten Kongress zu sagen, dass sie nichts Gutes im Schilde führen. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen, und sie sagen nichts. Im Kongress kämpfen sie nur für ihre eigenen Interessen und die ihrer Parteien. Wenn die Exekutive nicht in der Lage ist, zu regieren, sollte sie zurücktreten und Neuwahlen ansetzen", so der Vorsitzende des zivilen Bauwesens (Construcción civil) in Arequipa, Percy Huaracallo.

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Kritik in Peru an der fünftägigen "verschwenderischen Reise" Boluartes durch Europa
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Nach Angaben der Online-Plattform Ojopublico steht die peruanische Wirtschaft vor einem ihrer kritischsten Momente. Der ehemalige Leiter der Nationalen Aufsichtsbehörde für Steuerverwaltung (Sunat), Luis Arias Minaya, erklärte, dass diese Situation zu Kürzungen der staatlichen Ausgaben für die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung, wie etwa in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Sicherheit, führen werde.

In diesem Kontext finden bereits Streiks und Proteste zur Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Sozialversicherungs- und Gesundheitswesen statt. Die Arbeitskämpfe begannen teilweise bereits am vergangenen Mittwoch.

Am Tag der landesweiten Mobilisierung weilte Boluarte zu einem Besuch in Stuttgart (amerika21 berichtete). Bei Ihrer Rede auf dem Lateinamerika-Tag in der baden-württembergischen Landeshauptstadt betonte sie, dass sie ihrem Land wieder "Stabilität" gegeben habe. Nur durch die "enge Bindung an die Verfassung", habe sie die "politische Krise" überwinden können.