Was hat sich 2022 beim Recht auf legale Abtreibung in Lateinamerika getan?

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Frauen in Lateinamerika fordern das Recht auf legalen, sicheren und kostenlosen Schwangerschaftsabbruch
Frauen in Lateinamerika fordern das Recht auf legalen, sicheren und kostenlosen Schwangerschaftsabbruch

Mexiko-Stadt. In Lateinamerika hat es in diesem Jahr einige Fortschritte bei der Entkriminalisierung der Abtreibung gegeben, jedoch bleibt sie in einigen Länder nach wie vor gänzlich verboten. Honduras, El Salvador, Nicaragua, Jamaika, Haiti, die Dominikanische Republik und Suriname erlauben keinen Schwangerschaftsabbruch, unabhängig der Umstände. In manchen Ländern werden Frauen, die Fehlgeburten erleiden, sogar weiterhin strafrechtlich verfolgt. Dies, obwohl Gremien wie der Ausschuss der Vereinten Nationen, der die Einhaltung der "Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" überwacht, bekräftigt haben, "dass restriktive Abtreibungsgesetze eine Diskriminierung von Frauen darstellen". 

Im Interview mit Cimacnoticias betonte Cristina Rosero, Rechtsberaterin des Zentrums für Reproduktive Rechte für Lateinamerika und die Karibik (Centro de Derechos Reproductivos para América Latina y el Caribe), dass in der Region im Allgemeinen ein Fortschritt zu verzeichnen sei, da "die Tendenz dahin geht, dass es bei der Entkriminalisierung mehr und mehr liberale Gesetze gibt". Cimacnoticias ist ein unabhängiges mexikanisches Portal für investigativen Journalismus mit einer Gender-Perspektive.

Dagegen werden in El Salvador selbst Frauen, die einen geburtshilflichen Notfall oder einen Spontanabbruch erlitten haben, weiterhin kriminalisiert und mit der Begründung verfolgt, sie hätten freiwillig abgetrieben", beschreibt Rosero die Lage im mittelamerikanischen Staat.

Dort ist das höchste Strafmaß für einen Abbruch 40 Jahre, auch wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung passierte oder das Leben der schwangeren Person in Gefahr ist. Vor einem Jahr wurden immerhin drei Frauen, die nach geburtshilflichen Notfällen zu bis zu 30 Jahre Haft verurteilt wurden, endlich freigesprochen.

In anderen Ländern hingegen haben sich die Dinge im Jahr 2022 zum Positiven verändert. Rosero erinnerte an die Fälle von Argentinien und Kolumbien. Dort wurde im Februar dieses Jahres Abtreibung bis zur 24. Schwangerschaftswoche entkriminalisiert. Damit gehört die Gesetzgebung des Landes zu den fortschrittlichsten des Subkontinents. Zum Vergleich: In Deutschland ist eine Abtreibung unter bestimmten Umständen bis zur 12. Schwangerschaftswoche straffrei.

Die Richter des kolumbianischen Verfassungsgerichts hatten über eine Klage entschieden, die 2020 von der feministischen Bewegung "Causa Justa" (Gerechte Sache) gegen Artikel 122 des Strafgesetzbuchs eingereicht wurde, um den Straftatbestand der Abtreibung wegen Verletzung der Grundrechte von Frauen und des Gesundheitspersonals zu beseitigen. Der Bewegung gehören mehr als 100 Organisationen und 130 Verteidiger:innen des Rechts auf Abtreibung an.

Die Rechtsberaterin beschreibt eine Tendenz, in den Ländern eine öffentliche Diskussion über das Thema zu führen. Es werde zudem in einer Weise angesprochen, "die von großem Einfühlungsvermögen für die Realität der Frauen geprägt ist, die diese Dienstleistung benötigen, und die versteht, dass der Straftatbestand der Abtreibung im Gesetzbuch Abtreibungen nicht verhindert, sondern sie in eine Realität der Illegalität verwandelt, die oft zu unsicheren Abtreibungen führt."

Der mexikanische Oberste Gerichtshof (Suprema Corte de Justicia de la Nación) hatte im Jahr 2021 für verfassungswidrig erklärt, eine Frau strafrechtlich zu verfolgen, die sich in Mexiko für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet. Das führte dazu, dass im Jahr 2022 vier Bundesstaaten ihre Gesetzgebungen dahingehend veränderten: Sinaloa, Guerrero, Baja California Sur und Quintana Roo. Somit haben derzeit elf Staaten Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert. Die restlichen 21 Bundesstaaten sind dem Urteil bisher noch nicht gefolgt.

Allgemein seien in der Region jedoch vor allem Fortschritte zu verzeichnen. Neben der Entkriminalisierung ist es laut Rosario außerdem notwendig, Informationen zugänglich zu machen, das medizinische Personal dahingehend auszubilden und gegen die Stigmatisierung von Abtreibungen vorzugehen, um die Autonomie und Würde von Schwangeren zu gewährleisten.

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es weltweit jedes Jahr 25 Millionen unsichere Abtreibungen und 47.000 schwangere Frauen sterben an den Komplikationen nach unsicheren Abtreibungen.