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Nach 60 Jahren wird Profiboxen auf Kuba erlaubt

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Kubanische Boxer nehmen ab Mai an Profikämpfen teil
Kubanische Boxer nehmen ab Mai an Profikämpfen teil

Havanna. Innerhalb der kubanischen Boxfamilie war es seit längerem ein offenes Geheimnis, seit April ist es offiziell: Kuba erlaubt das Profiboxen ab Mai 2022.

Am 4. April verkündete Alberto Puig, Präsident des kubanischen Boxverbands (FCB), dass es eine Vereinbarung mit dem mexikanischen Boxstall Golden Ring Promotions gibt. Dessen Präsident Gerardo Saldivar erklärt: "Es ist ein Privileg, diese historische Vereinbarung mit den kubanischen Sportbehörden getroffen zu haben, die ein Vorher und Nachher im Boxsport markiert". 

Die kubanische Zeitung Gramma sieht die Zulassung als Schritt in die "Realität", einer "lang ersehnten Herausforderung". Die Boxabteilung des Hamburger FC St. Pauli nennt sie dagegen schlicht eine "Konterrevolution". 

Am 20. Mai werden sechs der besten kubanischen Olympiaboxer als Profis bei einer Show in Aguascalientes in Mexiko antreten. Darunter die Goldmedaillengewinner von Tokio Julio Cesar La Cruz, Arlen Lopez, Roniel Iglesias und Andy Cruz.

Das olympische Boxen war Kubas Gegenentwurf zum professionellen Boxen. Seit 1962 war Profiboxen auf der Karibikinsel verboten. Staatschef Fidel Castro hielt das professionelle Boxen für korrupt und unmenschlich. Sport solle dem Kollektiv dienen, nicht der Selbstdarstellung und dem Gewinn einzelner. 

In Kuba wurde Boxen - neben Baseball - zum Nationalsport.

Der Stellenwert eines Boxers innerhalb der Gesellschaft ist hoch. Boxer gelten nicht als rabiate Schläger, sondern als gute Sportler voller Kraft, Ausdauer und Stärke. Weltweit wird ihre Eleganz, Schnelligkeit und technische Perfektion bewundert. In den vergangen Jahrzehnten gab es häufiger den Wunsch, Kämpfe zwischen großen Boxern der Welt zu sehen: Professionelle Weltmeister gegen mehrfache Olympiasieger im Schwergewicht, Muhammad Ali gegen Teófilo Stevenson, Mike Tyson gegen Félix Savón.

"The greatest of all time" würdigte Stevenson mit folgenden Worten: "Obwohl er nie professionell gekämpft hat, garantiert der Umstand, drei Goldmedaillen bei drei verschiedenen Olympischen Spielen gewonnen zu haben, dass er ein hervorragender Gegner für jeden amtierenden Champion des Schwergewichts oder jeden Herausforderer in dessen Bestform gewesen wäre". 

Entgegen einiger seiner Kollegen war Teófilo Stevenson gegen das Werben der internationalen Promoter immun. "Was ist eine Million Dollar gegen acht Millionen Kubaner, die mich lieben?", fragte er. Und auch Félix Savón, der drei Olympiasiege in Folge - 1992 in Barcelona, 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney - gewann, dazu noch sechs Weltmeisterschaften und die Amateurboxszene über zwölf Jahre dominierte, strebte nie eine Profikarriere an. 

In den letzten Jahrzehnten dominierten die kubanische Boxer vor allem die großen olympischen Wettbewerbe. Sie gewannen 41-mal Gold, 19-mal Silber und 18-mal Bronze. In der Nationenwertung liegen sie auf Platz 2 hinter den USA (50/27/40) und vor Großbritannien (20/15/27). 

Was Castro Anfang der 60er am Profiboxen bemängelte: Korruption und Unmenschlichkeit, hat sich auch in den olympischen Boxsport eingeschlichen. "Korruption, Überschuldung, mutmaßlich kriminelle Biografien, Ideen- und Tatenlosigkeit, Abhängigkeit von staatlichen Interessen – eine Kette der Katastrophen. Dieses fortdauernde Versagen limitiert auch die Perspektiven der sportlichen Arbeit", konstatiert Ralf Elfering von der Boxabteilung des FC St. Pauli. 

Finanziell kann der Amateursport nicht mit dem Profisport mithalten. Das ändert sich nun. Die Sportler erhalten eine bessere Vorbereitung und werden finanziell entschädigt. 80 Prozent des Gewinns geht an die Boxer. Die Trainer erhalten fünfzehn Prozent und das medizinische Personal fünf Prozent.

Die hohen sportlichen Ideale, die Kuba bisher pflegte, können sie im Profigeschäft nicht aufrechterhalten, aber auch bei Olympia bietet sich ihnen dahingehend keine Perspektive mehr. Die kommenden Jahren werden zeigen, wie Kuba sich im professionellen Ring seinen Platz erkämpft.