"Pandemie der Habgier": Corona-Todesfälle im Globalen Süden viermal höher

Laut Oxfam sind in armen Ländern 19,6 Millionen Menschen an der Pandemie gestorben. Die Reichen der Welt haben ihr Vermögen dabei verdoppelt

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Graffito in Berlin, Mai 2020: "Die Reichen sollen für Covid 19 bezahlen"
Graffito in Berlin, Mai 2020: "Die Reichen sollen für Covid 19 bezahlen"

Barcelona. Ein aktueller Bericht von Oxfam Intermón stellt fest, dass die durch Covid-19 verursachten Todesfälle in armen Ländern viermal so hoch waren wie in reichen Ländern. Zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie kommt die NGO zu dem Schluss, dass die Auswirkungen von Covid-19 in den europäischen Ländern zwar "verheerend" sind, die ärmsten Länder der Welt jedoch am stärksten betroffen sind und "unverhältnismäßig stark" unter den Folgen leiden.

Oxfam Intermón ist eine spanische Nichtregierungsorganisation für Entwicklungszusammenarbeit. Sie gehört dem Oxfam-Verbund an, der insgesamt 17 Organisationen in 41 Ländern umfasst.

Der Bericht "Pandemie der Habgier" (Pandemic of Greed), den Oxfam Intermón für die People's Vaccine Alliance erstellt und am 3. März publiziert hat, hebt hervor, dass in vielen dieser armen Länder eine große Zahl von Todesfällen nicht registiert wird, weil es an diagnostischen Tests und an Berichten darüber fehlt. Nach Berechnungen von Oxfam Intermón sind etwa 19,6 Millionen Menschen an den Folgen der Pandemie gestorben, das Dreifache der offiziellen Zahl.

Die NGO schätzt, dass für jeden Todesfall in einem Land mit hohem Einkommen vier weitere Menschen in einem Land mit niedrigem oder mittlerem Einkommen gestorben sind, da die Sterberate in diesen Ländern 31 Prozent höher ist als in reichen Ländern.

In Ländern mit hohem Einkommen wurden demnach sechsmal mehr Auffrischungsimpfungen verabreicht als in Ländern mit niedrigem Einkommen Erstdosen. Zwischen November 2021 und März 2022 haben die G7-Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, USA) schätzungsweise 241 Millionen Dosen der Corona-Impfstoffe entsorgt, weil sie gehortet wurden und das Verfallsdatum überschritten war.

In den drei Monaten nach dem Auftreten der Omikron-Variante habe es "drei Millionen Todesfälle durch Covid-19 gegeben. Diese Zahl widerlegt die Vorstellung, dass die Pandemie aufgrund der milderen Omikron-Variante zu Ende geht, da diese ansteckendere Variante in ungeimpften Bevölkerungsgruppen verheerende Folgen hat."

Darüber hinaus weist Oxfam darauf hin, dass 99 Prozent der Menschheit durch die Pandemie schlechter gestellt sind. Etwa 160 Millionen Menschen wurden in die Armut getrieben und 137 Millionen haben ihre Arbeit verloren.

Es gebe zudem "einen eindeutigen Trend, dass innerhalb der Länder die ärmsten Menschen und Angehörige ethnischer Minderheiten die Hauptlast der Todesfälle durch Pandemien tragen. In einigen Ländern ist die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, für die ärmsten Menschen fast viermal so hoch wie für die reichsten: In Brasilien ist sie für Schwarze 1,5-mal höher als für Weiße, in den USA ist sie für Indigene, Latinos und Schwarze zwei- bis dreimal so hoch wie für Weiße."

Auch hätten die zunehmenden wirtschaftlichen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten das Leid von Mädchen, Frauen und nicht-binären Menschen noch verschlimmert: Im Jahr 2020 war die Wahrscheinlichkeit, die Arbeit zu verlieren, für Frauen 1,4-mal höher, und sie leisteten dreimal mehr unbezahlte Betreuungsarbeit als Männer. Im Jahr 2021 waren 13 Millionen Frauen weniger erwerbstätig als 2019, während die Beschäftigung von Männern wieder das Niveau von 2019 erreichte.

Dem Bericht zufolge gibt es alle 26 Stunden einen neuen Milliardär, und von ihnen "verdanken 40 ihr Vermögen der Corona-Pandemie, da sie mit Impfstoffen, Behandlungen, Tests und persönlicher Schutzausrüstung Milliardengewinne gemacht haben".

Die zehn reichsten Männer der Welt haben laut Oxfam während der Pandemie ihr Vermögen mit einer Rate von 1,3 Milliarden US-Dollar pro Tag oder 15.000 US-Dollar pro Sekunde verdoppelt.

"Nach zwei Jahren wollen wir alle, dass die Pandemie endet, aber die politische Klasse der reichen Länder nutzt die allgemeine Erschöpfung aus, um die verheerenden Auswirkungen von Covid-19 zu ignorieren, die bis heute andauern", warnte der Leiter der internationalen Kooperation von Oxfam Intermón, Ignacio Martínez.

"Die reichen Länder haben die weltweite Einführung von Impfstoffen aus Nationalismus, Habgier und Eigeninteresse vereitelt. Die Behauptung, dass wir in eine 'Post-Covid-Ära' eintreten, ignoriert die anhaltenden Todesfälle, hauptsächlich in Ländern mit niedrigem Einkommen, die durch Impfstoffe verhindert werden könnten", fügte er hinzu.

Oxfam Intermón gehört der People's Vaccine Alliance an, einem weltweiten Zusammenschluss von fast 100 Organisationen, die sich dafür einsetzen, dass Corona-Impfstoffe und Behandlungen von den Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums ausgenommen werden und Pharmaunternehmen ihre Technologie mit Produzenten in armen Ländern teilen, damit diese ihre eigenen Vakzine herstellen können.