Kolumbien: Verfassungsgericht stoppt Glyphosat-Einsatz gegen Kokaanbau

kolumbien_no-al-glifosato.jpg

Das Verfassungsgericht gab rund 100 Kläger:innen recht, die sich gegen die Besprühungen mit dem gefährlichen Gift wehren
Das Verfassungsgericht gab rund 100 Kläger:innen recht, die sich gegen die Besprühungen mit dem gefährlichen Gift wehren

Bogotá. Das Verfassungsgericht in Kolumbien hat der Drogenbekämpfung mittels Sprühflügen mit Glyphosat einen Riegel vorgeschoben und die Verfügung des Amtes für Umweltlizenzen (Anla) für nichtig erklärte, mit dem der Umweltmanagementplan der Nationalpolizei hierfür bewilligt worden war.

Das Gericht urteilte über insgesamt vier Grundrechtsklagen, mit denen die rund 100 Kläger:innen bemängelten, dass die Entscheidung des Anla ihr Recht auf Partizipation verletzt habe, da der Plan nur anlässlich einer virtuellen Anhörung präsentiert wurde und so viele Betroffene mangels Internetverbindung nicht teilnehmen konnten.

Das Urteil verbietet Glyphosat-Sprühflüge, bis ein effektiver Prozess der vorherigenen Konsultation und der freien und informierten Zustimmung stattgefunden hat. Das Anla hat dafür eine Frist von einem Jahr.

Die Kleinbauernbewegung der Kokapflanzer:innen (Coccam), die Teil der Kläger:innen ist, begrüßte das Urteil. Die Regierung müsse verstehen, dass die Lösung für die illegalen Pflanzungen nicht der Einsatz von Chemie sei, sondern die Umsetzung des Friedensabkommens, das die graduelle Ausrottung der Kokapflanzen und deren Ersatz durch legale Produkte vorsehe. Das Anwaltskollektiv Cajar, das die Klagen ebenfalls unterstützte, hebt vor allem den Umstand hervor, dass das Gericht anerkannte, dass virtuelle Anhörungen ungeeignet sind, um eine wirkliche Partizipation der Bevölkerung zu garantieren, da zu viele ländliche Gemeinschaften nur ungenügenden Internetzugang hätten. Zudem ist es ein wichtiger Sieg für die Gemeinschaften, die seit Jahren gegen den Chemieeinsatz kämpfen.

Das Urteil kam zum Schluss, dass die Regierung eine der Bedingungen, die das Verfassungsgericht 2017 aufgestellt hatte, nicht erfüllt hatte ‒ nämlich die Gemeinschaften in den Gebieten, in denen besprüht werden sollte, zu konsultieren und deren Meinung zu berücksichtigen. Es geht um 104 Gemeinden in 14 Departamentos. Das Innenministerium ging davon aus, dass die virtuelle, öffentliche Anhörung mitten in der Covid-Pandemie im Dezember 2020 den Ansprüchen an die Konsultation genüge. Zudem sei in verschiedenen Regionen keine Konsultation nötig, da es dort keine ethnischen Gemeinschaften gebe. Beide Standpunkte wies das Verfassungsgericht zurück.

Während die sozialen Organisationen und die Opposition das Urteil begrüßten, war die Bestürzung im Regierungslager groß. Die Parlamentarierin des Centro Democrático, Paloma Valencia, sagte, das Verfassungsgericht zwinge Kolumbien, inmitten des Drogenhandels zu leben. Die Besprühungen seien nicht das einzige, aber doch ein wichtiges Instrument. Statt aber das Land im Kampf gegen die Drogen zu einen, fördere das Gericht einen illusorischen Diskurs über Drogenlegalisierung. Margarita Restrepo, ebenfalls vom Centro Democrático, beklagte sogar, dass so der Kampf gegen die Drogenkartelle verloren sei.

Für die Regierung von Präsident Iván Duque ist es ein herber Rückschlag, war doch die Wiederaufnahme der Glyphosat-Flüge sein Hauptversprechen in Sachen Drogenpolitik. Im Oktober 2019 sagte der damalige Verteidigungsminister Guillermo Botero, die Flugzeuge seien bereit, die Sprühflüge aufzunehmen. Dabei verkannte die Regierung die Komplexität der Bedingungen, die dafür erfüllt sein müssen. 2015 wurden die Einsätze durch die Regierung von Juan Manuel Santos suspendiert, nachdem die WHO Glyphosat als möglicherweise krebserregend einstufte. 2017 legte das Verfassungsgericht die Bedingungen fest, unter denen die Flüge allenfalls wieder aufgenommen werden könnten.

Mit dem Regierungswechsel in den USA nahm der Druck seitens der US-Regierung ab, mit Sprühflügen die Kokapflanzungen zu bekämpfen, und verschiedene Intellektuelle und internationale NGO forderten Joe Biden auf, die Glyphosat-Besprühungen abzulehnen. Auch sieben Sonderberichterstatter der UNO wendeten sich in scharfen Tönen gegen den Einsatz des Pestizids zur Drogenbekämpfung. Dennoch bewilligte das Anla am 14. April 2021 den Umweltmanagementplan der Nationalpolizei für die Glyphosat-Flüge.