Lebenslange Haftstrafen für Ex-Geheimdiensbeamte der Diktatur in Argentinien

Urteile wegen Entführung, gewaltsamen Verschwindenlassens, Folter und Mordes an Mitgliedern der Stadtguerilla Montoneros

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Nach mehr als zwei Jahren Verhandlung fielen im Prozess "Gegenoffensive" die Urteile
Nach mehr als zwei Jahren Verhandlung fielen im Prozess "Gegenoffensive" die Urteile

San Martín. Fünf hochrangige ehemalige Beamte des militärischen Geheimdienstes in Argentinien sind schuldig gesprochen worden wegen Verbrechen gegen die Menschheit während der Diktatur (1976 ‒ 1983).

Ein Gericht in San Martín verurteilte vergangene Woche Luis Angel Firpo, Roberto Dambrosi, Jorge Bano, Eduardo Ascheri und Marcelo Cinto Courteaux für ihre Taten während der gewaltsamen Niederschlagung der Gegenoffensive der Montoneros zwischen 1979 und 1980. Diese Gegenoffensive der städtischen Guerillaorganisation konzentrierte sich darauf, die Kräfte von exilierten Kämpfer:innen zu bündeln. Sie bereitete ihre Rückkehr nach Argentinien vor, um dort den Widerstand gegen die zivil-militärische Diktatur anzuführen.

Als wichtige Köpfe der Diktatur mussten sich die Angeklagten für systematische Entführung, gewaltsames Verschwindenlassen, Folter und den nachgewiesenen Mord an 94 Personen verantworten.

Pablo Llonto, einer der Anwälte auf Seiten der Kläger:innen beschrieb die Dimension des Gerichtsverfahrens als vergleichbar mit den Verurteilungen von Angehörigen der Militärjunten im Jahr 1985. In dem aktuellen Fall wurde erstmalig “die gesamte Struktur des Geheimdienstapparats” in den Blick genommen, so Llonto.

Nach mehr als zwei Jahren Verhandlung kommt damit der Prozess "Gegenoffensive Montoneros" zum vorläufigen Ende. Mehr als 250 Zeugnisse von Angehörigen und Überlebenden wurden während dieser Zeit angehört. Die Familien und Überlebenden sowie die Öffentlichkeit hatten dem Prozess größtenteils über den Youtubekanal La Retarguia folgen können.

Insgesamt waren neun ehemalige Militärs angeklagt für ihre Rolle während der Niederschlagung der Gegenoffensive und die Verbrechen, die sich neben Argentinien auch auf Brasilien, Peru, Bolivien und Spanien ausdehnten.

Drei der ursprünglich Angeklagten ‒ Raúl Pascual Muñoz, Carlos Blas Casuccio und Alberto Sotomayor ‒ verstarben während des Prozesses bevor sie verurteilt werden konnten. Der Anwalt eines weiteren Angeklagten konnte erwirken, dass zunächst eine medizinische Untersuchung vorgenommen wird, welche die Haftfähigkeit seines Mandanten Jorge Norberto Apa prüfen soll. Darin soll festgestellt werden, ob der ehemalige Chef der Geheimdiensteinheit "Subversiver Terrorismus", Apa, "in der Verfassung ist" die Delikte zu verstehen, für die er verurteilt wurde.

Die Staatsanwältin Gabriela Sosti betonte in ihren Ausführungen vor Gericht die zentrale Rolle des Geheimdienstes als ausführendes Organ des Staatsterrorismus bei der Repression. Zugleich hob sie "das Recht auf Widerstand" derjenigen hervor, die sich an der "Gegenoffensive" beteiligten. Sosti unterstrich, der Geheimdienstapparat habe "systematische Folter" gegen die Gefangenen im geheimen Gefangenenlager Campo de Mayo eingesetzt, "welche die Verurteilten befähigt hatten, weitere Entführungen und Ermordungen zu veranlassen".

Die staatlichen Verbrechen an fast 100 der ehemaligen Kämpfer:innen konnten nun, fast vierzig Jahre nach den Taten, bewiesen werden und führten zu den Verurteilungen. Sie könnten der Auftakt sein zu einer eingehenderen Untersuchung der Rolle des Geheimdienstes.