Brasilien: Polizeigewalt eine der Haupttodesursachen für Minderjährige in São Paulo

policia_militar_in_avenida_paulista_2.jpg

Seit 2015 kamen in São Paulo 581 Jugendliche durch Polizeieinsätze ums Leben
Seit 2015 kamen in São Paulo 581 Jugendliche durch Polizeieinsätze ums Leben

São Paulo. Polizeigewalt ist eine der häufigsten Todesursachen für Kinder und Jugendliche in São Paulo. Dies ist das Ergebnis einer jüngst veröffentlichten Studie. Das Komitee für die Prävention von Jugendmorden untersuchte die Entwicklung der Todesfälle in den Jahren 2015 bis 2020 in der Stadt.

Für Kinder und Jugendliche im Alter bis 19 Jahre ist demnach das Risiko höher, durch einen Polizeieinsatz zu Tode zu kommen, als durch andere Formen von Gewalt. In der Zeitspanne von fünf Jahren sind 504 Kinder und Jugendliche durch Mord oder schwere Verletzungen nach Überfällen ums Leben gekommen. Im gleichen Zeitraum starben 581 Kinder und Jugendliche während Polizeieinsätzen.

Allein im Jahre 2020 wurden deshalb 197 Polizist:innen entlassen oder beurlaubt. Ariel de Castro Alves, Mitglied der Gruppe Tortura Nunca Mais (Nie mehr Folter), gibt allerdings zu bedenken, dass in den Statistiken viele Polizist:innen nicht erfasst seien. All jene, die nicht offiziell bei der Polizei angestellt sind, sondern als Sicherheitsmitarbeiter:innen in Banken oder Läden arbeiten. Auch an diesen Orten kam es in der vergangenen Zeit immer wieder zu tödlichen Einsätzen.

Weiterhin zeigen die Ergebnisse zudem, dass vor allem schwarze Jugendliche von tödlicher Polizeigewalt betroffen sind. 77 Prozent der getöteten Kinder und Jugendlichen bis 14 Jahre waren schwarz.

Allerdings sieh das Komitee auch positive Entwicklungen. So kamen, im Vergleich zu den Vorjahren, knapp 50 Prozent weniger Kinder und Jugendliche bei einem Polizeieinsatz ums Leben.

Betroffen von rassistischer Polizeigewalt sind auch immer wieder Künstler:innen des populären und aus den Favelas stammenden Genres des Funks. Zuletzt kam es am vergangenen Mittwoch zu mehreren Hausdurchsuchungen und Festnahmen von Funk-Sänger:innen. Es wurde der Verdacht geäußert, dass sie von Drogenhandel und Geldwäsche finanziert sein könnten. Einige betroffene Personen äußerten sich daraufhin kritisch auf Instagram und betonten ihre Unschuld.

Der Menschenrechtsaktivist Darlan Mendes erklärt dazu, dass die Gewalt gegen den Funk und deren Künstler:innen schon lange Tradition habe. Erst im Februar wurde der bekannte Künstler MC Salvador de Rima von der Polizei festgenommen – unter Anwendung verbotener Würgetechniken. Aber so, wie der Funk schon immer Teil der jungen Widerstandskultur der Favelas ist, so versucht auch er sich nicht einschüchtern zu lassen, und will auch weiterhin Themen wie Polizeigewalt in seiner Musik thematisieren: "Diese Aggressionen erschüttern mich nicht. Sie bestätigen nur das, worüber ich sowieso schon singe. Und ich habe keine Angst."