Alarmierende Bilanz zur Umweltzerstörung im Amazonasgebiet in Brasilien

Aktuell die größte Flächenrodung seit zwölf Jahren. Situation durch illegale Bergbaugenehmigungen und fehlende Schutzmaßnahmen verschlechtert

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Greenpeace: Die Regierung Bolsonaro militarisiert den Umweltschutz und stoppt das Engagement der Zivilgesellschaft
Greenpeace: Die Regierung Bolsonaro militarisiert den Umweltschutz und stoppt das Engagement der Zivilgesellschaft

Brasília. Aus der Jahresbilanz zur Abholzung in Brasilien geht hervor, dass über 11.000 Quadratkilometer des Amazonas-Regenwaldes gerodet wurden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 9,5 Prozent.

Laut einer Analyse von Greenpeace verfehlte Brasilien damit das bis zu diesem Jahr festgelegte Ziel, die Entwaldung zu reduzieren, um das Dreifache. Die Berechnungen gehen aus Messungen des Nationalen Institut für Weltraumforschung (INPE) hervor. Grundlage bildeten dabei Flächen, die zwischen August 2019 und Juli 2020 gerodet wurden.

Die Zunahme der Abholzung geht mit einem rigorosen Abbau von Umweltagenturen und -initiativen einher und entspricht politischen Entscheidungen des Präsidenten Jair Bolsonaro. So werden Umweltkontrollen gezielt geschwächt, die Straffreiheit von Landinvasionen unterstützt und Gesetze zur Exploration des Amazonas ausgeweitet.

Anfang dieses Jahres präsentierte Bolsonaro beispielsweise den Gesetzentwurf 191/2020, der die Erschließung von Mineral-, Wasser- und organischen Ressourcen in einheimischen Reservaten regeln soll. Maßnahmen, die zum Schutz des Amazonas beitragen sollen, wie die Kontrolle gefährdeter Regionen durch den Einsatz des Militärs oder die Gründung des Amazonas-Rates (Conselho da Amazônia), sind offenbar ein Versuch zur Aufrechterhaltung außenpolitischer Beziehungen, insbesondere hinsichtlich des Handelsabkommens zwischenEuropäischer Union und Mercosur.

Laut einem Sprecher von Greenpeace verschleiere die Regierung die Realität, militarisiere den Umweltschutz und stoppe das Engagement der Zivilgesellschaft. Des Weiteren berichtete die Analyse- und Nachrichtenplattform InfoAmazonia, dass die nationale Agentur für Bergbau (ANM) von 3.000 Bergbauanträgen 58 in der Region Amazônia Legal bewilligte. Erhebungen der Plattform zu Folge betreffen die Genehmigungen auch indigene Territorien. Jegliche Bergbauarbeiten sind in diesen Regionen laut Verfassung verboten und die Bewilligungen seitens der ANM demnach eigentlich verfassungswidrig.

Bisher sind laut den Analysen von InfoAmazonia die Bundesstaaten Mato Grosso und Pará die am stärksten betroffenen Gebiete. Die meisten Konzessionen fallen dem britischen Bergbaukonzern Anglo American zu. 27 der Genehmigungen sind Erschließungen für Kupfer in indigenen Gebieten in Mato Grosso und Pará. Das Unternehmen will insbesondere im Südosten Parás, wo die indigene Bevölkerungsgruppe Munduruku ansässig ist, Kupferexplorationen vornehmen.

Zusätzlich stellte Anglo American direkt und indirekt über kleinere Unternehmen, an denen es sich beteiligt, weitere 150 Anträge. Laut einem Bericht der Association of Indigenous Peoples of Brazil (Apib) und von Amazon Watch investieren unter anderem große Finanzinstitutionen  aus den USA, China, Japan und Europa in das Unternehmen. Der Konzern selbst sieht sich nicht in der Verantwortung mit der Begründung, dass einige Anträge, die indigene Gebiete betreffen, nicht mehr aktuell seien und einige aktuelle lediglich an indigene Gebiete angrenzen, deren bessere Abgrenzung Aufgabe der brasilianischen Regierung sei.

Neben den enormen Umweltschäden und der Vertreibung indigener Bevölkerungsgruppen wurde auch eine erhöhte Quecksilberverunreinigung nachgewiesen. So zeigte eine gemeinsame Studie der Stiftung Oswaldo Cruz (Fiocruz) mit dem WWF-Brasilien, dass im indigenen Territorium Sawré Muybu der Munduruku entlang des Tapajó Flusses in Pará alle Personen Quecksilber ausgesetzt waren. Bei 200 Personen war die Kontamination höher als der von der Weltgesundheitsorganisation festgelegte Grenzwert.

In dem Gebiet der Munduruku wird laut der Studie seit 70 Jahren Bergbau betrieben. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Quecksilberverunreinigung und den Bergbauaktivitäten konnte damit hergestellt werden. Die Region am Jamanxim-Fluss, ein Nebenfluss des Tapajó, ist derzeit am stärksten von illegalem Bergbau betroffen. Bei neun von zehn untersuchten Bewohnern des Dorfes Sawré Aboy, das sich am Ufer des Jamanxim befindet, überschritt der Quecksilberwert den Grenzwert. Die Kontamination erfolgt hauptsächlich über den Verzehr von Fisch.

Gesundheitliche Folgen können laut einem Bericht des Online-Nachrichtenportals Amazônia Real erhöhte Müdigkeit, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, mangelnde Sensibilität in Armen und Beinen bis zu schweren Sinnesstörungen sein. In schweren Fällen kann die Überschreitung des Quecksibler-Grenzwertes auch zum Tod führen und bei Neugeborenen zu neurologischen Schäden.

Die zunehmende Ausbeutung der Umweltressourcen sowie die Gefährdung der Lebensräume der indigenen Bevölkerung könnte noch größer werden, wenn der Gesetzentwurf 191/2020 im Kongress verabschiedet wird.