Bolivien / Politik

Bolivien im Wahlkampf: MAS-Kandidat Luis Arce führt die Umfragen an

Arce kommt laut neuesten Umfragen auf 37,2 Prozent, Mesa auf 24,2 und Añez auf 14,4. De-facto-Regierung will Arce vor Gericht bringen

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Wahlkampfveranstaltung der MAS in El Alto am 10. September mit ihren Spitzenkandidaten "Lucho" Arce und David Choquehuanc
Wahlkampfveranstaltung der MAS in El Alto am 10. September mit ihren Spitzenkandidaten "Lucho" Arce und David Choquehuanc

La Paz/Santa Cruz. In Bolivien haben die Parteien ihre Wahlkampagnen für die bevorstehenden Parlamentswahlen begonnen. Das Kandidaten-Duo der Partei "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) Luis Arce (Lucho) und David Choquehuanc gilt aktuellen Wahlprognosen zufolge als Favorit. Am 18. Oktober werden in Bolivien Präsident und Vizepräsident sowie das Parlament neu gewählt.

Die Parteien "Wir glauben" (Creemos), "Gemeinsam" (Juntos) und MAS haben in Santa Cruz mit Straßenumzügen den Wahlkampf eröffnet. Die Veranstaltung zog viele Besucher an und wurde aufgrund der Missachtung der Abstandsregeln kritisiert. Die Bewegung zum Sozialismus stellte ihre Wahlkampagne zudem in sozialen Medien per Live-Übertragung vor.

Eine nationale Umfrage aus der vergangenen Woche sagt der MAS einen klaren Wahlsieg voraus. So sei davon auszugehen, dass diese mindestens die Hälfte der 36 Sitze im Senat besetzen wird. Für ihren Präsidentschaftskandidaten Luis Arce, werden im ersten Wahlgang 37,2 Prozent der Stimmen, für Ex-Präsident Carlos Mesa, der aktuell das Parteibündnis "Bürgergemeinschaft" (Comunidad Ciudadana) anführt, und De-Facto-Präsidentin Jeanine Añez werden 24,2 und 14,4 Prozent der Stimmen erwartet.

Die zentralen Wahlkampfthemen der MAS sind die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, die Wiederherstellung der Demokratie und die Bekämpfung von Ungleichheit. "Die politischen Themen in Bolivien in den kommenden Jahren sind die Industrialisierung, die Umverteilung von Einkommen und die Verringerung der Ungleichheit. Das Geheimnis, um Bolivien wieder zu einem wettbewerbsfähigen Land in der Region zu machen, ist die Erhöhung der Produktivität unter gleichzeitiger Bekämpfung von Ungleichheit", heißt es im Wahlprogramm.

Dabei setzt die MAS vor allem auf den Ausbau der Industrie zur Verarbeitung von Erdöl und Lithium sowie der Stahlindustrie und kündigt an, insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung in den einzelnen Regionen fördern zu wollen. Damit steht das Programm für eine Fortführung der Politik unter der Präsidentschaft von Evo Morales (2006 – 2019), die das Land als Spitzenreiter in der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region positionierte.

Auch Añez, die für das Parteienbündis "Gemeinsam" kandidiert, stellte ihre Wahlkampagne vor und attackierte bei dieser Gelegenheit Morales und Mesa. "Wir haben die Wahl zwischen dem Weg der Gewalt, den Evo Morales eingeschlagen hat und der viele schlechte Erinnerungen in uns weckt, und dem Weg der Hoffnung und der Solidarität", so Añez. Mesa bezichtigte sie der Untätigkeit während der massiven Proteste und Straßenblockaden der MAS im August, die die Versorgung der Krankenhäuser mit Sauerstoff gefährdet hätten.

Der Unternehmer Samuel Doria Medin, Añez' Wahlkampfpartner und Kandidat für die Vizepräsidentschaft, bezeichnete die bevorstehenden Wahlen als eine historische Zäsur nach 20 Jahren des Etatismus und Korporativismus. Er kündigte eine Abkehr von der Politik der Verstaatlichung von Unternehmen an und sprach sich für eine Förderung des privaten Unternehmertums aus.

Unterdessen gab das Verfassungsgericht seine Entscheidung bekannt, Morales von den Parlamentswahlen am 18. Oktober auszuschließen. Zur Begründung gab das Gericht an, Morales erfülle nicht die Erfordernis eines ständigen Wohnsitzes im Land für mindestens zwei Jahre vor den Wahlen. Dem Ex-Präsidenten ist es somit nicht möglich, als Senator für das Departamento Cochabamba zu kandidieren. Morales, der sich derzeit im Exil in Argentinien befindet, bezeichnete dieses Urteil als "illegal und verfassungswidrig" und kündigte an, Einspruch zu erheben.

Die Wahlkampagne seiner Partei unterstützt Morales weiterhin per Twitter. Die einzige Partei, die dazu in der Lage sei, Bolivien aus der Krise zu führen und den Osten und den Westen des Landes sowie Land- und die Stadtbevölkerung zu vereinen, sei die MAS, schrieb das frühere Staatoberhaupt in einer Kurznachricht. Dabei betonte er den Einsatz seiner Partei, um die Ernährungssicherheit und das Recht auf menschenwürdigen Wohnraum zu garantieren.

Am Mittwoch gab der von Añez eingesetzte zweite Vizepräsident für Transparenz, Guido Melgar, bekannt, dass die De-facto-Regierung die Ausweitung der Ermittlungen gegen MAS-Spitzenkandidat und Ex-Wirtschaftsminister der Regierung Morales, Arce sowie drei weitere ehemalige Staatsangestellte wegen angeblicher Veruntreuung von Staatsgeldern in Höhe von 3,5 Millionen Dollar beim Kauf der Software Gestora beantragt hat. Nachdem eine entsprechende Klage im Juni erhoben und aufgrund mangelnder Beweise fallen gelassen wurde, seien nun weitere Verdächtige bekannt geworden. Die Sperrung ihrer Konten und die Überprüfung ihres Eigentums sei angeordnet worden, so Melgar.

Zu diesen Beschuldigungen hatte Arce bereits im Juni geäußert: "Die Absichten sind klar, sie wollen, dass wir nicht an den Wahlen teilnehmen".