Mexiko: Protest gegen Lage in Manufakturbetrieben endet für Aktivistin in Haft

Susana Prieto Terrazas festgenommen. Strafe für Einsatz für Mitarbeitende in Zulieferbetrieben? Verschärfte Zustände unter Corona-Pandemie

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Arbeiterinnen in einer Maquiladora in Mexiko
Arbeiterinnen in einer Maquiladora in Mexiko

Mexiko. In Mexiko haben in mehreren Bundesstaaten hunderte Menschen gegen die Festnahme der Anwältin, Menschenrechtsaktivistin und Gewerkschafterin Susana Prieto Terrazas demonstriert, die sich vor allem für bessere Arbeitsbedingungen in Manufakturfabriken, sogenannten Maquiladoras, einsetzt. Prieto Terrazas war am 8. Juni von der Polizei in Matamores im Bundestaat Tamaulipas inhaftiert worden und befindet sich seither trotz unklarer Verdachtslage in Haft. Studierende, Gewerkschaften, Arbeiterinnen und Arbeiter, Nichtregierungsorganisationen sowie Vertreter aus Wissenschaft und öffentlichem Leben fordern seither ihre bedingungslose und sofortige Freilassung.

Prieto Terrazas Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen in den Fabriken von Ciudad Juárez führte in den vergangenen Wochen zu sichtbaren Protesten gegen Großunternehmen. Die Stadt des nordwestlichen Bundesstaats Chihuahua beherbergt über 300 Fabrikanlagen und bildet nach Tijuana den zweitgrößten Standort für Manufakturfabriken der Industrie des Landes. Seit den 1960er Jahren lassen sich dort US-amerikanische, kanadische, deutsche und französische Unternehmen nieder. Die Stadt sei nicht nur aus geographischer und ökonomischer Hinsicht ein attraktiver Standort für die Niederlassung ausländischer Großunternehmen, sondern gerade auch wegen fehlender Strukturen zum effektiven Schutz von Arbeitsrechten, erklärt die Aktivistin und Mitarbeiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko-Stadt, Clara Meyra gegenüber amerika21. Es sei bekannt, dass Niedriglöhne und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse die soziale Dynamik des Fabrikalltags prägten.

Anfang Mai hatte Prieto Terrazas dem US-amerikanischen Unternehmen Lear Corporation vorgeworfen, die Gesundheit seiner Angestellten fahrlässig zu gefährden. Bis dahin waren zahlreiche Mitarbeitende der Firma an der Atemwegserkrankung Covid-19 erkrankt, über 100 Menschen sollen in Folge gestorben sein. Lear Corporation reagierte auf die Notlage mit einer viertätigen Werksschließung. In den Produktionshallen werden mittlerweile wieder wie gewohnt Auto-Innenbezüge hergestellt und an Autohäuser wie Mercedes Benz geliefert. Den Einsatz seiner Angestellten unter Lebensgefahr will Lear Corporation mit einem Wochenzuschuss von 500 bis 1.000 Pesos (20 bis 40 Euro) begleichen. Prieto Terrazas betrachtete dies als unzureichend und forderte, die Produktionsstätte entweder unter voller Auszahlung der Gehälter zu schließen oder den Schutz der gesundheitlichen Unversehrtheit der Belegschaft zu gewährleisten.

Ciudad Juárez weist neben El Paso/Texas die höchste Zahl an Toten durch Covid-19 und Corona-assoziierten Krankheiten auf: "85 Prozent der bisherigen Pandemie-Opfer waren Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter", so Prieto Terrazas vor ihrer Festnahme. Sie wirft Gouverneur Javier Corral vor, durch unterlassene Schutzmaßnahmen den Tod von Arbeitnehmern zu verantworten.

Der entschiedene Einsatz der Aktivistin gegen prekäre Arbeitsbedingungen wird ihr nun offenbar zum Verhängnis. Die politische Organisation Internationalistische Gruppe deutet ihre Festnahme als demonstratives "juristisches Manöver" das zum Ziele habe, "alle Arbeiterinnen und Arbeiter der Region einzuschüchtern, damit sie die brutalen Arbeitsbedingungen ohne Widerworte hinnehmen". Bisher allerdings erfolgslos, denn die Proteste gehen trotz Androhung von Gewalt und staatlicher Repressalien weiter.

"Die Lage in Ciudad Juárez zeigt beispielhaft, dass die systematische Verletzung von Arbeitsrechten nach wie vor ein drängendes Problem in Mexiko ist", sagt Meyra. Zudem sei auffällig, dass "diejenigen, die sich trauen, die vom kapitalistischen System unterdrückten Berufsgruppen zu verteidigen, kriminalisiert und inhaftiert werden". Die Pandemie bringe erneut zum Vorschein, dass das Justizsystem des Landes den Schutz ökonomischer Profite priorisiere, während es das Leben von Menschen gefährde, die diesen Reichtum erzeugen.