Venezuela erhöht Benzinpreise und erlaubt private Tankstellen

Billigstes Benzin der Welt wird etwas teurer. Subventionen für Grundverbrauch und öffentlichen Verkehr. Private Tankstellen neu zugelassen

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Die Benzinpreise sind in Venezuela mit seinem großen informellen Transportwesen ein extrem sensibles Thema
Die Benzinpreise sind in Venezuela mit seinem großen informellen Transportwesen ein extrem sensibles Thema

Caracas. In Venezuela ist ein neues Preisregime für Benzin in Kraft getreten. Die Treibstoffpreise, traditionell die billigsten der Welt, werden erhöht. Als Neuerung dürfen zudem private Tankstellenbetreiber selbständig Benzin importieren und gegen Devisen verkaufen.

Bisher wurde Treibstoff im erdölreichsten Land der Welt praktisch kostenlos an die Bevölkerung abgegeben. So schrieb im Jahr 2018 die deutsche Nachrichtenagentur dpa, mit einem Euro könne man in Venezuela "einen Kaffee trinken gehen oder 20.000 Mittelklassewagen volltanken". Zuletzt war, auch wegen immer härterer Sanktionen der USA gegen Venezuela, das Benzin an offiziellen Tankstellen in dem südamerikanischen Land immer noch spottbillig, aber zunehmend knapp. Auf dem Schwarzmarkt wurde Benzin für bis zu 2,50 US-Dollar pro Liter gehandelt.

Seit dem 1. Juni sind die Preise nun neu geregelt. Privatfahrzeuge dürfen monatlich 120 Liter Benzin zum Preis von 5.000 Bolívares (ca. 0,025 USD) pro Liter tanken, Motorräder 60 Liter zum selben Preis. Für darüber hinausgehende Mengen soll der "internationale Preis" von 0,50 US-Dollar pro Liter gelten. Fahrzeuge des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und Lastkraftfahrzeuge erhalten während mindestens 90 Tagen ihren gesamten Treibstoffbedarf zum subventionierten Preis.

Neu dürfen neben der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA auch private Lizenznehmer rund 200 eigene Tankstellen betreiben und Treibstoff für 0,50 US-Dollar (oder den Gegenwert in der venezolanischen Kryptowährung Petro) verkaufen. Diese Tankstellen dürfen auch auf eigene Rechnung Benzin aus dem Ausland importieren. So hofft Venezuelas Regierung, die US-Blockade zu umgehen, die ausländischen Unternehmen mit empfindlichen Strafen droht, wenn sie dem venezolanischen Staat oder PDVSA Treibstoffe verkaufen. "Ich hoffe, die Regierung der USA wird nicht die Schiffe von Unternehmern verfolgen", sagte Präsident Nicolás Maduro mit Blick auf die unverhohlenen Drohungen, mit denen die USA zuletzt eine Benzinlieferung aus dem Iran nach Venezuela begleitet hatten.

Ein weiterer Effekt der neuen Regelungen auf dem Treibstoffmarkt in Venezuela dürfte die Eindämmung des Schmuggels von Benzin sein. Die extremen Preisunterschiede zu den Nachbarländern, namentlich Kolumbien, stellen seit Jahren einen nicht kontrollierbaren Anreiz zur illegalen Ausfuhr des Energieträgers dar.

Der Oppositionspolitiker Juan Guaidó, der seit eineinhalb Jahren mit US-Unterstützung versucht, die Regierung zu stürzen, bezeichnete die neue Preisstruktur als "kriminelle Maßnahme". Es sei "einer der härtesten Schläge, den das venezolanische Volk einstecken musste", so Guaidó. Präsident Nicolás Maduro betonte indes die Beibehaltung der Subventionen, die den Grundbedarf abdecken sollen. "Es sind außerordentliche Maßnahmen, die angesichts der Verfolgung und der imperialen Blockade nötig sind, um die Lage zu normalisieren", so das Staatsoberhaupt, das die Bevölkerung um "Verständnis und Unterstützung" bat.

Preiserhöhungen beim Treibstoff sind in Venezuela seit jeher ein politisch hochsensibles Thema. Im Januar 1989 hatte ein Strukturanpassungsprogramm der damaligen neoliberalen Regierung von Präsident Carlos Andrés Pérez (1974-1979; 1989-1993), das Preissteigerungen beim Benzin beinhaltete, eine der größten Protestwellen in der Geschichte des Landes ausgelöst. Bei den Ereignissen, die als "Caracazo" in die Geschichte eingingen, töteten Sicherheitskräfte im Rahmen brutaler Repressionsmaßnahmen bis zu 3.000 Menschen.