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Kuba unter Quarantäne

Einreisestopp für Ausländer. Bevölkerung wird mit Desinfektionsmittel versorgt, 151 Fabriken stellen Atemschutzmasken her. Produktion von 22 Medikamenten gegen Covid-19 sichergestellt

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Prävention: Mehr als 28.000 Medizinstudenten sind im ganzen Land unterwegs, um die Bevölkerung über das Coronavirus zu informieren und falls nötig Hilfe zu organisieren
Prävention: Mehr als 28.000 Medizinstudenten sind im ganzen Land unterwegs, um die Bevölkerung über das Coronavirus zu informieren und falls nötig Hilfe zu organisieren

Havanna. Kubas Regierung hat drastische Maßnahmen im Kampf gegen das neuartige Coronavirus bekanntgegeben. Ab dem heutigen Dienstag wird das Land für internationale Besucher schließen. Nur noch kubanische Staatsbürger dürfen einreisen, die sich jedoch für zwei Wochen in Quarantäne begeben müssen. Auch das öffentliche Leben auf der Insel soll weiter heruntergefahren werden, um Neuinfektionen zu vermeiden. Die Anzahl der positiv auf das Virus getesteten Personen stieg nach Angaben des Gesundheitsministeriums derweil auf 40 (Stand: 23. März).

Am Sonntagabend trat Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel in der Fernsehsendung "Mesa Redonda" zusammen mit Premierminister Manuel Marrero und zahlreichen Ministern auf, um weitreichende Schritte zur Bekämpfung des Coronavirus bekanntzugeben. Aufgrund "globaler Alarmsignale", die man studiert habe, sei es jetzt an der Zeit "neue Maßnahmen zu ergreifen", erklärte er.

Vergangenen Mittwoch wurden auf Kuba die ersten Infektionsfälle gemeldet. Davon betroffen war zunächst eine Touristengruppe aus der Lombardei. Inzwischen ist einer der Reisenden an den Folgen der Lungenkrankheit Covid-19 verstorben, die Anzahl der Infizierten stieg auf 40 Personen an. Darunter befinden sich sowohl Kubaner, von denen einige aus Europa jüngst in ihre Heimat zurückgekehrt waren, als auch Touristen. Díaz-Canel gab jedoch zu bedenken: "Die tatsächliche Zahl der Infizierten dürfte sechs bis zehnmal höher liegen, da viele Personen das Virus übertragen, ohne dies zu bemerken."

Um eine weitere Ausbreitung der Krankheit zu vermeiden, hat die Regierung folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Einreisestopp ab 24. März für alle Ausländer. Kubanische Staatsbürger dürfen weiterhin einreisen, müssen sich jedoch zwei Wochen in Quarantäne begeben. Kubaner im Ausland dürfen jetzt die maximale Verweildauer überschreiten, ohne den Verlust ihrer Staatsbürgerschaft befürchten zu müssen. Die rund 60.000 Touristen, die sich noch auf der Insel befinden, sollen in den kommenden Tagen ausgeflogen werden. Private Zimmervermieter dürfen keine neuen Gäste mehr aufnehmen, stattdessen sollen Reisende möglichst in Hotels unterkommen, wo eine bessere Gesundheitsüberwachung möglich ist, so Premierminister Marrero. Ausnahmen wird es lediglich für ausländische Spezialisten geben. Laut Marrero landen bereits jetzt nur noch Maschinen, die Reisende ausfliegen. Die Grenzschließung gilt zunächst für 30 Tage.
  • Abstand halten: Risikogruppen sind verpflichtet, zu Hause zu bleiben, und sollen soziale und Körperkontakte reduzieren. "Etwas sehr Schwieriges für die Natur der Kubaner, aber notwendig, ist die Unterdrückung warmherziger Begrüßungen. Weder Küsschen noch Umarmungen, Grüße auf Distanz bis die Epidemie vorbei ist", so Díaz-Canel an seine Landsleute. Jugendliche sind aufgerufen, den Kontakt zu ihren Großeltern zu meiden. Für alle gilt: Die eigenen vier Wände sollen nur noch verlassen werden, wenn es unbedingt notwendig ist, etwa um Einkäufe zu erledigen. Der öffentliche Nahverkehr soll zu Stoßzeiten gemieden werden. Darüber hinaus wird der Land-, Bahn- und Luftverkehr zwischen den Provinzen ausgesetzt, ebenso der Personentransport in Privatfahrzeugen. Für viele Beschäftigte wird es Home-Office geben. Öffentliche Veranstaltungen sind abgesagt. Der Unterricht wird für drei Wochen ausgesetzt, anschließend sind eine Woche Ferien, sodass Schulen für zunächst vier Wochen geschlossen bleiben.
  • Nachtklubs, Bars, Kinos, Theater und Campingplätze sind bis auf weiteres geschlossen. Kantinen und Restaurants sollen nur noch zu 50 Prozent bestuhlt werden, es gilt eine Abstandsregel von zwei Metern. In Schul- und Werkskantinen soll schichtweise zum Essen gegangen werden, um Kontakte zu minimieren. Gastronomische Betriebe sollen verstärkt auf Angebote zum Mitnehmen und Lieferservice umstellen.
  • Supermärkte bleiben geöffnet und müssen am Eingang Desinfektionsmittel für die Kunden ausgeben, was nach ersten Berichten von vor Ort gut zu funktionieren scheint. Das Ministerium für Binnenhandel will besonders die Lieferketten von Grundnahrungsmitteln verstärken. In einigen Einkaufszentren soll die Anzahl der privaten Händlerstände um die Hälfte reduziert werden, um größere Personenansammlungen zu vermeiden.
  • Die Bevölkerung wird derzeit an 440 Verkaufsstellen mit Desinfektionsmittel versorgt. 151 Fabriken stellen Atemschutzmasken her.
  • Finanzielle Maßnahmen: Wie Kubas Ministerin für Arbeit und soziale Sicherheit, Marta E. Feitó Cabrera, bekanntgab, werden krankgeschriebene Arbeiter im ersten Monat ihr volles Gehalt erhalten, ab dem zweiten Monat noch 60 Prozent. Arbeiter auf eigene Rechnung (Cuentapropistas) sind für die Zeit der Schließungen von der Steuer befreit. Gastronomiebetriebe, die mit reduzierter Kapazität weiterlaufen, müssen nur noch die Hälfte an Steuern bezahlen. Privatpersonen und Betriebe können mit Hilfskrediten rechnen.

Für Kuba ist die vollständige Lahmlegung des Tourismus mit enormen wirtschaftlichen Folgen verbunden. Viele Reiseveranstalter haben bereits im Vorfeld der Ankündigung Touren abgesagt. Für die Insel kommt die Krise zur Unzeit: In Folge der mehrfachen Verschärfung der US-Blockade im vergangenen Jahr wurde das sozialistische Land bereits an den Rand einer Rezession gebracht.

Mit dem drastischen Schritt hat Kuba eine Chance, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Bisher sind alle Fälle importiert, es wurde noch keine inländische Übertragungskette bekannt. Schlimmere Folgen können möglicherweise noch verhindert werden. Landesweit stehen hierfür 3.100 Isolationsbetten zu Verfügung, rund 716 Personen stehen unter Beobachtung. Bis dato wurden etwa 300 Tests durchgeführt. In allen Straßen sind Familienärzte sowie Vertreter der Gemeinden und Massenorganisationen dazu angehalten, in ihrer Umgebung auf Personen mit Symptomen zu achten. Das Gesundheitsministerium hat hierzu bereits vergangene Woche entsprechende Instruktionen gegeben.

Bei den epidemiologischen Maßnahmen kann Kuba auf Erfahrungen im Umgang mit Krankheiten wie Dengue, Cholera und Zika zurückgreifen, welche in den letzten Jahren mit umfangreichen Desinfektionskampagnen bekämpft wurden.

Die Produktion von 22 Medikamenten, die für die Behandlung von Covid-19-Patienten zugelassen sind, ist laut Gesundheitsministerium sichergestellt. Eines davon, "Rekombinantes Interferon alfa 2b (IFNrec)", wird in der Volksrepublik China eingesetzt. Von dort wird Kuba in den kommenden Tagen auch eine umfangreichen Spende an medizinischem Gerät und Ausrüstung erhalten.