Erneut Attentat auf Trans-Aktivistin in Honduras

LGBT-Community lebt in dem mittelamerikanischen Land unter hohem Risiko. Das Ende der Internationalen Mission gegen Korruption und Straflosigkeit verschärft die Situation

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Paola Flores erlitt eine Schussverletzung
Paola Flores erlitt eine Schussverletzung

Tegucigalpa. In Honduras ist Paola Flores, Trans-Menschenrechtsverteidigerin der Asociación LGBT Arcoíris de Honduras am 20. Januar 2020 von Unbekannten durch Schüsse verletzt worden.

Nach einer Schilderung des Ökumenischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit e.V. in München war Flores am frühen Abend mit ihrer Kollegin Arianna Michelle Díaz Gómez von der Organisation Cozumel Trans im Zentrum der Hauptstadt Tegucigalpa etwas einkaufen gegangen. Auf der Heimfahrt in einem Taxi sahen sie sich von einem Motorrad verfolgt. Auf Höhe der staatlichen Universität beschlossen sie, aus dem Taxi auszusteigen, um sich vor der mutmaßlichen Bedrohung in ein nahegelegenes Restaurant an dem gegen 19 Uhr noch sehr belebten Boulevard zu retten. Tatsächlich schoss in diesem Moment der Beifahrer des Motorrads auf sie und traf Flores in das rechte Bein. Danach flüchteten die Täter.

Flores und ihre Begleiterin konnten die Angreifer nicht erkennen, bisher wurde niemand festgenommen.

Dem Bericht nach weigerte sich das Universitätskrankenhaus zunächst, die Verletzte zu behandeln, ein Verhalten, das Trans-Personen in Honduras oft beklagen. Die Fürsprache einer Krankenschwester, die mit der Organisation Asociación Arcoíris zusammenarbeitet, soll schließlich doch eine Aufnahme erwirkt haben. Flores erstattete noch in derselben Nacht Anzeige gegen Unbekannt wegen versuchten Mordes.

Paola Flores gehört zu den wenigen Trans-Aktivistinnen der "älteren" Generation über 30, die bisher in Honduras überlebt haben. Das Ökumenische Büro berichtet weiter von einem länger zurückliegenden Vorfall. Bereits 2009 war Flores zusammengeschlagen, mit Benzin übergossen und angezündet worden und dem Tod nur knapp entronnen. Nach zwei Monaten im Koma, neun Monaten im Krankenhaus und einem Jahr im Exil in Mexiko kehrte sie zurück und nahm ihre Arbeit für die Rechte der Community wieder auf. Über die meisten Mitglieder der Trans-Frauengruppe von Arcoíris wird berichtet, dass sie inzwischen tot oder geflüchtet sind. Paola selbst sei erst vor kurzem von einem dreimonatigen Zuflucht in einem Schutzprogramm für gefährdete Menschenrechtsverteidiger nach Honduras zurückgekehrt. Ihre Kollegin in der Leitung der Trans-Frauengruppe von Arcoíris, die bekannte Aktivistin Bessy Ferrera, wurde am 8. Juli 2019 in Tegucigalpa erschossen.

Nach Untersuchungen wurden allein 2019 in Honduras mindestens 43 Mitglieder der LGBT-Community ermordet, davon neun Trans-Frauen. Von Juli 2009 bis Juli 2019 registrierte die staatliche Ombudsstelle für Menschenrechte 325 Morde an LGBT. Im Januar 2020 verzeichnete die Community erneut fünf Ermordete. Die nicht-tödlichen Übergriffe summieren sich auf viele Hundert pro Jahr. Über 300 Fälle liegen bei den Staatsanwaltschaften, ohne dass es zu Prozessen oder Verurteilungen kam. Die Straflosigkeit für Hassverbrechen wird in Honduras auf weit über 90 Prozent angenommen. Im Fall von Bessy Ferrera wurden zwei mutmaßliche Täter verhaftet und vor Gericht gestellt. Zum Zeitpunkt des Attentats auf ihre Kolleginnen lief gerade der Prozess gegen sie, so dass Beobachter in Honduras einen Zusammenhang nicht ausschließen.

Das staatliche Sekretariat für Menschenrechte forderte am Tag nach den Schüssen auf Paola Flores und ihre Kollegin die anderen zuständigen staatlichen Institutionen auf, das zu tun, was ihre Pflicht ist, nämlich wegen des Attentats auf Flores zu ermitteln. Auch das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Honduras (OACNUDH) verurteilte das Attentat und äußerte große Besorgnis wegen der Schutzlosigkeit der LGBT-Community und vor allem der Trans-Frauen in Honduras. Nach dem Ende der Internationalen Mission gegen Korruption und Straflosigkeit am 19. Januar 2020, deren Mandat von der honduranischen Regierung nicht verlängert wurde, ist das OACNUDH nun selbst unter Druck der Regierung von Präsident Juan Orlando Hernández: Die Leiterin des Hochkommissariats soll das Land Ende des Monats vorzeitig verlassen.

Das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit solidarisiert sich mit den Trans-Aktivistinnen Paola Flores und Arianna Michelle Díaz Gómez und ihrer Organisation Asociación LGBT Arcoíris de Honduras und fordert sofortige Ermittlungen gegen den bzw. die Täter sowie endlich effektiven Schutz von Menschenrechtsverteidigern und besonders verletzbar gemachten Gruppen wie der Trans-Community.