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"Die erste Versuchung Christi" – Zensur der Netflix-Satire in Brasilien aufgehoben

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Der Jesus-Darsteller von  “Porta dos Fundos”, Gregorio Duvivier
Der Jesus-Darsteller von “Porta dos Fundos”, Gregorio Duvivier

Brasília. Das umstrittene Urteil aus Rio de Janeiro, das die Zensur des Netflix-Films "Die erste Versuchung Christi" (A primeira tentação de Cristo) angeordnet hatte, ist vom Präsidenten des Obersten Bundesgerichts Brasiliens, Dias Toffoli, aufgehoben worden. Die Streaming-Plattform Netflix hatte zuvor Klage gegen die Außerbetriebnahme des 46-minütigen Films eingereicht.

Toffoli, der 2009 von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (PT) zum Leiter des Obersten Gerichtshofs ernannt worden war, argumentierte: "Der Respekt für den christlichen Glauben ist nicht zu vernachlässigen (...). Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass eine humoristische Satire die Macht hat, die Werte des christlichen Glaubens zu untergraben, dessen Existenz mehr als 2.000 Jahre zurückreicht und in den Glauben der meisten brasilianischen Bürger eingeschrieben ist.”

Netflix musste den Film aus dem Programm nehmen, nachdem ein katholischer Verein geklagt hatte. Verschiedene religiöse und rechtsextreme Gruppen hatten sich daran gestört, dass Jesus in dem Film der Macher des brasilianischen Comedy-Youtube-Kanal "Porta dos Fundos" (Hintertür)) als schwul dargestellt wird. Am Weihnachtsabend hatte zudem eine Gruppe von Fundamentalisten zwei Molotowcocktails in die Produktionsfirma der Humor-Gruppe in Rio de Janeiro geworfen. Dabei war niemand zu Schaden gekommen, da ein Sicherheitsbeamter schnell reagierte.

Der Streaming-Dienst erinnerte an diesen Vorfall, als er sich an das Oberste Bundesgericht wandte: "Die Entscheidung des Gerichtshofs von Rio de Janeiro hat die gleiche Wirkung wie die Bombe, die beim Terroranschlag auf das Hauptquartier der Porta dos Fundo eingesetzt wurde: Schweigen durch Angst und Einschüchterung. Die Wahrheit ist, dass Zensur, wenn sie angewendet wird, irreparablen Schaden verursacht."

Ein weiterer Fall der Zensur ereignete sich im September, als der Gerichtshof von Rio de Janeiro beschloss, Kopien eines Comics zu beschlagnahmen, das auf einer Buch-Biennale einen schwulen Kuss zeigte (amerika21 berichtete). Dieses Urteil war daraufhin ebenfalls von Toffoli aufgehoben worden.

Die Aufregung um den satirischen Film äußerte sich auch in einer Online-Petition auf change.org, bei der inzwischen mehr als zwei Millionen Unterzeichner den Film verbieten wollen. Inmitten der Kontroversen hat sich der Weihnachtsfilm jedoch zur meistgesehenen brasilianischen Produktion in der Geschichte von Netflix entwickelt. Ein neues Weihnachtsspecial von “Porta dos Fundos” auf Netflix für 2020 wurde inzwischen beschlossen.