Kolumbien / Politik

Kolumbien: Verfassungsgerichtshof beklagt Abhören von Richtern

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Justizpalast in Bogotá, Sitz des Verfassungsgerichtshofs
Justizpalast in Bogotá, Sitz des Verfassungsgerichtshofs

Bogotá. In Kolumbien haben unlängst Richter des Verfassungsgerichtshofs öffentlich ihre Bespitzelung vermutet, was Generalstaatsanwalt, Nestor Humberto Martínez, anschließend bestätigte. Als Verantwortliche nannte er eine bisher nicht identifizierte kriminelle Gruppe. Vor Martínez Aussage gingen die Richter davon aus, dass die Abhörmaßnahmen mutmaßlich mit den laufenden Fällen zur Übergangsjustiz, dem Korruptionsskandal Odebrecht oder der Nutzung von Glyphosat in Verbindung stehen.

Martínez' Informationen sollen sich nach eigenen Angaben auf Tonmaterial stützen, das die Staatsanwaltschaft bei anderen Ermittlungen gesammelt habe. Darin sollen sich Personen über ihre Absicht ausgetauscht haben, den Verfassungsgerichtshof abzuhören, um so an Informationen zu einer Grundrechtsbeschwerde zu gelangen, über die die Verfassungsrichter zu entscheiden hätten. Die Vorsitzende des Verfassungsgremiums stellte jedoch klar, dass eine solche Beschwerde der Justiz nicht vorliege. Kritiker werfen Martínez selbst Korruption und Machtmissbrauch vor.

Derweil werden unter den betroffenen Juristen und in der öffentlichen Debatte drei mögliche Motive für die Abhöroffensive diskutiert, die mit wichtigen anstehenden Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs korrespondieren. 

Zum einen muss das Gericht demnächst entscheiden, ob die vorgebrachten Einwände seitens Präsident Iván Duque gegen die mit dem Friedensabkommen 2016 etablierte Übergangsjustiz (JEP) verfassungskonform sind. Der Kongress hatte diese Einwände kürzlich für zulässig erklärt, was laut Menschenrechtler die Übergangsjustiz noch zahnloser machen würde. In diesem Zusammenhang sollen einige der Verfassungsrichter den Verdacht geäußert haben, der US-Botschafter in Bogotá, Kevin Whitaker, habe auf die Parlamentarier Einfluss genommen. Richter seien auch zu einem Essen mit Whitaker eingeladen worden, hätten dies aber ausgeschlagen.

Der hohe Gerichthof ist ebenso dabei zu entscheiden, ob die Untersagung großflächiger Anwendung von Glyphosat zur Bekämpfung des Drogenanbaus aufgehoben wird oder nicht. Eine solche Praxis sieht Duques Drogenpolitik vor. Der mit dem Thema beauftragte Verfassungsrichter, Alberto Rojas Ríos, hat laut Medienberichten bereits Todesdrohungen erhalten.

Ferner wird auch über eine Bestätigung oder Ablehnung eines von der Regierung verteidigten Gesetzes vom vergangenen Jahr entschieden werden, laut dem der Staat die Ausgaben von Konzernen wie Odebrecht trotz bewiesener Korruption zurückzahlen muss. Bereits bekannt wurde, dass Jorge Ibañez, Vorsitzender des Schiedsgerichtshofs zum Odebrecht-Projekt "Ruta del Sol II" in Kolumbien, illegal beschattet wird.

Generalstaatsanwalt Martínez wird momentan selbst der Korruption beschuldigt. Er ist ehemaliger Anwalt eines Partnerunternehmens von Odebrecht und machte sich jüngst für Präsident Duques Einwände gegen die JEP stark. Inzwischen hat er Ermittlungen zu den beklagten Abhörmaßnahmen angeordnet und einen hochrangigen Staatsanwalt damit beauftragt.