Protest von Indigenen in Kolumbien bis Ende April ausgesetzt

Streiks pausieren nach einem Monat. Verhandlungen mit Regierung erfolgreich. Rotes Kreuz zeigt sich besorgt über bewaffnete Konflikte

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Vergeblich warten Protestierende auf den Präsideten Duque. "Wir fordern unsere Rechte ein." "Duque hör nicht auf Uribe."
Vergeblich warten Protestierende auf den Präsideten Duque. "Wir fordern unsere Rechte ein." "Duque hör nicht auf Uribe."

Cali. Nach 27 Tagen Streiks und Protestaktionen haben in Kolumbien indigene Aktivisten blockierte Straßen im Süden des Landes wieder freigegeben. Der "Minga" genannte Streik sei damit jedoch nicht beendet, so eine Sprecherin. Bis zum 25. April werde ein landesweiter Protest vorbereitet. Neun ermordete und 88 verletzte Aktivisten haben die Fronten zwischen den Aktivisten und staatlichen Akteuren verhärtet.

Am 9. April war ein Besuch von Präsident Iván Duque in der Streikregion im Cauca angekündigt. Das Staatsoberhaupt sagte die Visite aber in letzter Minute ab, angeblich, weil seine Sicherheit vor einem Drohnenangriff nicht gewährleistet werden konnte. Aktivisten zogen diese Begründung in Zweifel, weil sich der rechtskonservative Politiker bereits in der Gegend aufgehalten und in unmittelbarer Nähe mit Pressevertretern gesprochen hatte. Die landesweite Organisation der Indigenen (ONIC) kritisierte die Absage aher und sprach von "mangelndem Respekt gegenüber den Teilnehmern am Protest". Duque sei nicht daran interessiert, die Anliegen der Bevölkerung zu hören. Er habe eine Verhandlung mit Vertretern hinter verschlossenen Türen gefordert. Die "Minga" aber sei eine kollektiv organisierte Bewegung. Daher seien keine Verhandlungen mit einzelnen Akteuren möglich, so die ONIC.

Tags zuvor hatten einflussreiche Organisationen der Indigenen und soziale Bewegungen mit der Regierung verhandelt. Beteiligt an den Gesprächen waren die Räte der Indigenen der Departements Cauca (CRIC) Huila (CRIHU), Caldas (CRIDEC), die Bauernorganisationen CIMA und CNA sowie Gewerkschaften und Organisationen von Afrokolumbianern. Innenministerin Nancy Patricia Gutiérrez und der Friedensbeauftragte Miguel Ceballos waren als Regierungsvertreter an den Verhandlungen beteiligt. Das am 9. April unterzeichnete Abkommen enthält die Investition von über 823 Milliarden kolumbianischen Pesos und die Garantie der Sicherheit der Aktivisten. Laut Vertretern der sozialen Bewegungen konnte dieses Abkommen vor allem aufgrund der großen Einigkeit unter den verschiedenen Organisationen erreicht werden. Obwohl der Präsident nicht persönlich zur Verhandlung erschienen ist, wird der Prozess als positiv bewertet. Der Druck auf die Regierung habe sich ausgezahlt, hieß es von Aktivistenseite.

Das Internationale Rote Kreuz spricht derweil von nicht nur einem, sondern von insgesamt fünf bewaffneten Konflikten in Kolumbien. Die humanitäre Lage habe sich in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert. Das Jahr 2018 ist laut dem Bericht von massiven Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gezeichnet gewesen. Christoph Harnisch, Vorsitzender des Internationalen Roten Kreuzes in Kolumbien, sagte: "Die Situation in Kolumbien ist heute komplizierter, als vor der Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der Farc-EP. In vielen Departements ist sind die humanitären Probleme eskaliert. Hinzu kommen die zunehmenden Konflikte in den Grenzregionen und die extreme Vulnerabilität der Migranten, die nach Kolumbien einreisen."

Seit 2018 verschwindet jeden vierten Tag eine Person gewaltsam. 2.500 Personen haben 2018 ein verschwundenes Familienmitglied gesucht, nur in 160 Fällen konnten lediglich Hinweise zusammengetragen werden.

Wer geglaubt hat, mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Farc-Guerilla und Regierung würden der bewaffnete Konflikt, das Verschwinden von Personen, die Massaker und die humanitäre Krise ein Ende haben, irre sich gewaltig, schrieb die Wochenzeitung Semana. Der Protest der Indigenen hat vor diesem Hintergrund viel Solidarität erfahren. Für Ende April wird nun zu einem landesweiten, massiven Protest aufgerufen.

Der aus dem Quechua stammende Ausdruck "Minga" bedeutet neben "Streik" auch "gemeinsamer Arbeitseinsatz" oder "Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl". Bei der Mobilisierung der Indigenen geht es neben den politischen Forderungen auch um den Aufbau autonomer, gemeinsamer Verwaltungsstrukturen. Laut dem Streikbündnis ist das Ziel der Minga die "Verteidigung des Lebens, des Territoriums, der Demokratie, der Gerechtigkeit und des Friedens".